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Die "Shitshow"-Gründerinnen Nele Groeger, Johanna Dreyer und Luisa Weyrich

© Alena Schmick

Depression am Arbeitsplatz: Yogakurse reichen nicht!

In Unternehmen wird oft erst über psychische Gesundheit gesprochen, wenn jemand nicht mehr kann. Drei Berlinerinnen wollen das Tabu brechen.

Von Jonas Bickelmann

Wenn es um psychische Gesundheit geht, wird es in der Wirtschaft oft sehr still. Es gibt jetzt ja Yogakurse für das Wohlbefinden. Für Luisa Weyrich aber geht es um mehr:

„Wenn ein hohes Stresslevel herrscht und eine Unternehmenskultur dominiert, in der man bestimmte Dinge nicht adressieren kann, können solche Kurse keine nachhaltigen Veränderungen anstoßen“, sagt die Gründerin des, sagen wir mal: Business-Psychohygiene-Kollektivs Shitshow.

Shitshow ist vieles zugleich: Angefangen haben Weyrich und ihre Mitgründerinnen Nele Groeger und Johanna Dreyer, die sich an der Universität der Künste kennenlernten, mit einer Wanderausstellung, von der der Name übriggeblieben ist.

Die ursprüngliche Shitshow war nämlich eine Reihe von Objekten und Installationen für Geist und Körper, mit denen Groeger, Weyrich und Dreyer Depressionen und Angststörungen erfahrbar machen wollten - etwa mittels einer Haube namens „The Bell“, durch die die Welt nur noch gedämpft und entfremdet wahrgenommen werden kann - eben wie bei einer Depression. Oder mit „The Bender“, eine Art Rucksack, der den Kopf Richtung Boden drückt.

Was zunächst nach einem klugen und ambitionierten Kunstprojekt klingt, behandelt ein großes Thema: Von 2007 bis 2017 hat sich die Zahl der Krankschreibungen in Deutschland aufgrund psychischer Befunde mehr als verdoppelt. 107 Millionen Krankentage zählte das Arbeitsministerium. Knapp 34 Milliarden Euro wirtschaftlicher Schaden sei dadurch 2017 entstanden. Vom persönlichen Leid ganz zu schweigen.

Nele Groeger, Johanna Dreyer und Luisa Weyrich von "Shitshow"
Nele Groeger, Johanna Dreyer und Luisa Weyrich von "Shitshow"

© Alena Schmick

Zwei der Gründerinnen kennen das Problem nicht nur theoretisch: Sie haben in der Kommunikationsbranche gearbeitet und am eigenen Leib und an der eigenen Seele erfahren, was Druck und Angst wirklich bedeuten.

„Ich habe am Ende meiner letzten Anstellung gemerkt: Ich möchte das nicht mehr“ sagt Groeger. „Ich möchte vertrauensvolle Arbeitsbeziehungen haben. Auch, wenn es mir mal nicht so gut geht“.

Das Tabu brechen

Schritt 1, um das Tabu, die Sprach- und Hilflosigkeit zu durchbrechen: Psychische Gesundheit nicht mehr als Privatproblem verstehen. „Oft herrscht im Unternehmen der Druck: Kümmere dich gefälligst um dich selbst, dass du nicht krank wirst“, sagt Nele Groeger. Das müsse sich ändern.

Schritt 2: Öffentlichkeit herstellen. „Wir hatten das Gefühl, jetzt ist die Zeit, offener darüber zu sprechen“, sagt Groeger.

Shitshow produziert seit Kurzem einen Podcast zum Thema und bietet Unternehmen Beratung an, wie sie ihre Angestellten schützen und unterstützen können, gar nicht erst in die Spirale aus Angst und Depression zu geraten.

„Ich glaube, das Machtgleichgewicht ändert sich gerade. Wir haben einen Arbeitnehmermarkt, die Leute suchen händeringend nach Arbeitskräften“, sagt Groeger. Die Hoffnung ist, dass Arbeitnehmer*innen dabei auch bessere Bedingungen einfordern können.

Als positives Beispiel nennt Weyrich den Fall von Madalyn Parker: Die amerikanische Webentwicklerin schrieb ihrem Team vor zwei Jahren eine Nachricht - sie nehme sich zwei Tage frei, um sich auf ihre psychische Gesundheit zu konzentrieren.

„Das Bahnbrechende war die Reaktion des Chefs“, sagt Weyrich. Er dankte Parker öffentlich und schrieb, sie sei ein Vorbild. Alle sollten Krankentage auch für psychisches Wohlergehen einsetzen. „Sollte nicht jeder Chef so darauf reagieren? Wir wünschen uns, dass sich wertschätzendes Führungsverhalten zunehmend etabliert.“

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