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Kolumne Dr. Om: Allein gegen alles

Dr. Om meditiert über die großen Fragen des Lebens. Diesmal: Flugscham, Müllvermeidung und das Gefühl, die Welt trotzdem nicht retten zu können.

Dr. Om ist Oren Hanner, 1979 in Jerusalem geboren. Er promovierte in Buddhismuskunde in Hamburg und lehrt heute an der Universität Berkeley.

Frage: "Ich weiß, dass Fliegen schlecht ist, so wie Plastik, so wie Fleisch essen. Darauf verzichte ich so weit wie möglich. Aber ich sehe auch, dass meine individuellen Handlungen das System nicht verändern können. Ist das nicht entmutigend?"

Der Buddha erklärte, dass unser existentielles Leiden aus drei grundlegenden Geisteszuständen entsteht: Gier, Wut und Verblendung. Diese drei Geistesgifte stören unseren Seelenfrieden, hindern uns daran, im gegenwärtigen Augenblick glücklich zu leben, und motivieren uns, auf eine Weise zu handeln, die uns selbst und anderen schadet.

Der deutsche buddhistische Mönch und Gelehrte Bhikkhu Anālayo (geb. 1962) zeigt, wie die drei Gifte zur ökologischen Krise beitragen und wie ihre Überwindung uns helfen kann, der Herausforderung auf konstruktive Weise zu begegnen. In seinem kürzlich erschienenen Artikel "A Task for Mindfulness" (2019) beschreibt Anālayo, dass unsere Leugnung der ökologischen Zerstörung aus Gier kommt. Der Wunsch, die Krise zu vergessen, ist eine natürliche Reaktion. Die Kräfte der Gier haben das Leugnen jedoch zu einer absichtlichen Strategie von Politiker*innen und Führungskräften von Unternehmen gemacht, die von den Maßnahmen zur Bewältigung der Krise betroffen wären. Da ist es doch ermutigend, dass Sie und viele andere sich des Umweltschutzes bewusst sind und entsprechend handeln.

Wut vernebelt den Verstand

Wut ist eine weitere Reaktion auf die Krise, aber sie ist auch nicht die Lösung. Erstens tragen fast alle Menschen zu dem Problem bei, so dass es keinen Sinn hat, sich über bestimmte Personen wie Politiker zu ärgern. Zweitens vernebelt Wut den Verstand und macht es schwer, zu einer vernünftigen Lösung zu gelangen.

Die dritte Reaktion ist Resignation, das Gefühl, überfordert und hoffnungslos zu sein. Dieses Gefühl entsteht aus unserem Missverständnis, dass alles Erlebte, ob körperlich oder geistig, das Produkt verschiedener Ursachen und Bedingungen ist. Keiner von uns hat die volle Verantwortung für die Krise; aber keiner von uns ist völlig machtlos. Unsere Handlungen beeinflussen andere Menschen und die Welt. Deshalb sind selbst kleine Schritte im täglichen Leben von Bedeutung. Sie sind nicht deshalb bedeutsam, weil sie allein das ganze System verändern werden - sondern weil sie zu einem Netzwerk von Ursachen und Bedingungen beitragen, das das ganze System verändern kann.

Versuchen Sie, diesem realistischen Ansatz zu folgen: dem Mittelweg zwischen Hoffnungslosigkeit und der Überschätzung unserer Fähigkeit, die Welt allein zu verändern.

Oren Hanner

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