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Billy Wagner

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Sommeliers empfehlen: Welcher Wein ist bezahlbar, schmeckt aber teuer?

Vier der besten Berliner Sommeliers verraten ihre Lieblingsweine. Darunter: Weine, die nicht wie Wein schmecken und Weine zum Knutschen.

Billy Wagner, Nobelhart & Schmutzig, Kreuzberg

Schmeckt teurer, als er ist

2017 Blaue Libelle, Sauvignon Blanc, Weingut Andrea Tscheppe, Steiermark (A). Ein Sauvignon Blanc, der endlich mal nicht nach Sauvignon Blanc schmeckt. Natur, Wild, trotzdem sauber. Viel Schmackes und trotzdem nicht fett und laut.

Geil, das ist WEIN?!

2013 Malvasia von Azienda Agri-cola Zidarich, Friaul (I). Ein Orange Wine. Häh, was ist das? Weiße Trauben wurden für diesen Wein verarbeitet wie normalerweise rote Trauben. Wie sowas schmeckt? Bitter, aber nicht unangenehm, sondern anregend. Hier haben Sie eine wunderbare Benchmark.

Statt Club Mate

„Fit am Inn“ von Weißbräu Unertl, Oberbayern. Sorry, kein Wein. Sondern eine Hopfen-Malz-Limonade mit Apfel und Zitronenmelisse aus Mühldorf am Inn. Eine Limo ohne Zucker, dafür mit viel Zug und Frische. Schmeckt warm. Funktioniert nach dem Tennis genauso wie in der Panorama Bar. Wenn es sie da geben würde.

Kurz vorm Knutschen

Fidèle Extra Brut, Champagne Vouette et Sorbée, Champagne (F). Ganz klar. Am besten die Magnum kaufen, da ist dann genug da, um erst aus den Glas und später vom Körper oder zwischen den Beinen des Partners oder der Partnerin zu trinken...

In der U1

Ayran von Gelgör am Kottbusser Damm. Der beste der Stadt! Danach zu Izmir Köftecisi in der Reichenberger für einen Köfte-Teller (nicht Köfte im Brot!) mit der weltbesten scharfen Sauce. „Man muss in zwei Restaurants auf der Welt gegessen haben. Im alten Noma und Izmir Köftecisi“ - Zitat Lukas Mraz, ehemaliger Küchenchef der legendären Cordobar.

Dönerbegleitung

2017 Cidre Methode Rurale, Stefan Vetter, Franken (D). Nach meinem Döner-Tasting am Kotti muss ich ganz klar sagen: Apfelweinschaumwein! Richtig reinbeißen und einen ordentlichen Schluck dazu nehmen.

* * *

Julia Giese, Naturweinbar Jaja, Neukölln

Julia Giese
Julia Giese

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Schmeckt teurer, als er ist:

2018 Neyrou, Maupertuis, Auvergne (F). Diesen Naturwein bitte im Keller vergessen, ungefähr acht Jahre später öffnen und raten lassen, zu welchem Preis er erstanden wurde - oder mit einem fünf Mal teureren Pinot Noir vergleichen. Die Vulkanböden geben dem Wein eine unglaubliche Tiefe, eklatante Frische ergibt sich aus der Höhenlage. Die Begeisterung beim Trinken? Unbezahlbar.

Geil, das ist WEIN?!

2016 Boit sans soif, La Coulée d'Ambrosia, Loire (F). Wie wäre es mit einem achtprozentigen Grolleau? Eine rote Rebsorte aus der Region Anjou, die große Trauben mit dünnen Schalen hervorbringt: wenig Konzentration und Tannin, aber viel Frucht und Säure. Durch die Kohlensäuremaischung ist die Extraktion gering - es zischt noch ein wenig in der Flasche. Trinkt sich wie Schorle, ist aber viel lustiger. Unbedingt teilen!

Statt Club Mate

2017 Ostrea Virgula, Domaine des Cavarodes, Jura (F). Dieser Wein wächst auf extrem mineralhaltigen Böden, übersät mit fossilen Austernschalen. Die Energie des Terroirs gelangt in die Flasche - und überträgt sich auf die Trinkenden. Die Savagnin-Traube setzt eins drauf mit spannender Säure und Komplexität. Salzig, zitrusfruchtig, mega-animierend!

In der U1

2018 Murmure, Rietsch, Alsace (F). Dieser orangefarbene Muscat Ottone ist sanft, frisch und betörend. Falls ein Kuss genauso geil ist wie der Genuss von Murmure, dann wird es spannend! Murmure duftet wie jemand, den du liebst, ganz natürlich und vertraut, ein bisschen blumig. Ein erotischer Wein. Falls gerade niemand zum Knutschen bereit ist, eine feine Alternative.

Kurz vorm Knutschen

2015 Capitalisme Rouge, Brendan Tracey, Loire (F). Ein Rotwein, der sich genauso schnell trinkt, wie eine Fahrt vom Kotti zum Ku'damm dauert. Wer kein Glas dabei hat, darf auch gerne aus der Flasche saufen. Rotzfrech, knackig, direkt, fruchtig, durstlöschend. Aus Côt und Gamay macht der Ex-Punkrocker Brendan die perfekte U-Bahn-Begleitung.

Dönerbegleitung

2015 Yggdrasil, La Sorga, Languedoc (F). Merlot und Grenache Noir. Würzig und wild mit reifer Säure. Schwarze Oliven und viel Sonne. Ganz viel Länge, um Gewürzen und Zwiebeln standzuhalten. Antony Tortul macht große Weine für ein nicht-elitäres Publikum. So wie das Fleisch frisch vom Spieß geschnitten wird, gibt's beim Öffnen der Flasche das Gefühl, dieser Wein wurde gerade erst gepresst.

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Alexandra Rehberger, Weinladen Viniculture, Charlottenburg

Alexandra Rehberger
Alexandra Rehberger

© Dror Pinto

Schmeckt teurer, als er ist

Respublica Verdejo, Ismael Gozalo, Rueda (E). Der aktuelle 2015er aus einer alten, wurzelechten Einzellage auf über 800 Meter hat Tiefgang, Vibranz und Spannung eines monumentalen Weins. Vor allem aber berührt und fasziniert er, wirft kleine Fragezeichen auf - und hinterlässt dadurch einen bleibenden Eindruck. Ein echtes Schnäppchen für 55 Euro!

 Geil, das ist WEIN?!

2017 La Cosa, Alfredo Maestro Tejero, Castilla y León (E). Der wahrscheinlich abgefahrenste Süßwein des Planeten. Mit unverschämt hoher Säure und balsamischer Süße ist er ein unglaubliches Elixier abseits gewohnter Geschmacksmuster. Trüb, ungebändigt, wild, mit wahrlich elektrisierender Säure.

Statt Club Mate

VN Vinello Blanco, Massimo & Antonella, Katalonien (E). Sieben weiße, autochthone spanische Sorten kommen zu einem herrlich leichten Weißwein zusammen, der sich als Wachmacher empfiehlt. Kernige Säure, kräuterig, florale Aromen - und die 11,5 Prozent sind fast schon frühstückstauglich und machen alle Lampen wieder an.

Kurz vorm Knutschen

Kornbrand von Thomas Kilian /Dauborn. Lässt Hemmschwellen sinken und hat durch die sterilisierende Wirkung im Mund ganz praktischen Nutzen.

In der U1

Brottrunk Brolacta. Jedenfalls in der U1 Richtung Uhlandstraße, da das bei mir heißt, dass ich aus Gründen des vorausgehenden Alkoholkonsums mein Fahrrad stehen lasse: Ein Anti-Kater-Getränk aus milchsauer fermentiertem Roggenbrot, alkoholfrei und natürtrüb. Hefig, Sauerteig, Quitte und Essiggurken, interessantes Mundgefühl. Richtung Warschauer das klassische Fußpils vom Späti an der Prinzenstraße.

Dönerbegleitung

Jacques & Amaury Beaufort, Ambonnay, Champagne (F). Nicht irgendein Partysprudel, sondern feinstes Terroir-Stöffchen. Seit den 70er Jahren ganz naturbelassen zeigt der Rosé Ambonnay Grad Cru, dass Champagner auch mal dekantiert werden darf. Weinig, würzig, erdig, endlos lang pariert er vor allem die Variante „mit scharf und alles“.

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Willi Schlögl & Johannes Schellhorn, Bar Freundschaft, Mitte

Willi Schlögl & Johannes Schellhorn
Willi Schlögl & Johannes Schellhorn

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Schmeckt teurer, als er ist

2017 Bourgogne Rouge Le Bon, Bourgogne (F). Was wir als teuer empfinden, möchten wir Ihnen, liebe Leser, nicht aufs Auge drücken. Beim Wein gibt es nach oben hin erstmal keine Grenze... viel Wein für vergleichbar kleines Geld bietet ein roter Burgunder aus Pinot Noir von Gilles Ballorin aus Marsannay. Der muss eigentlich in jedes Weinregal - kistenweise.

Geil, das ist WEIN?!

La Cosa the Thing, Alfredo Maestro, Castilla y León (E). Diabetiker: Vorsicht! Es handelt sich hier um einen Süßwein aus Moscat de Alexandrie, der trüb, bräunlich oxidiert und dadurch mit einer ordentlichen Sherrynase daherkommt. Ein Ding, das einen erstmal sprachlos zurücklässt und dann nach dem nächsten Schluck verlangt.

Statt Club Mate

Cider straight outta Gotland - Fruktstereo. In Zeiten der Nachhaltigkeitsdebatten verwandeln zwei findige schwedische Sommeliers Speiseäpfel aus Gotland in fetzig schmeckenden Cider - fast ohne Schwefel und mit herrlich zarten sechs Prozent Alkohol. Das putscht auf, und die Säure zaubert ein Lächeln ins Gesicht.

Kurz vorm Knutschen

Champagner l'Accomplie, Fred Savart, Champagne (F). Zyniker möchten meinen, die Weinbar-Freundschaft-Wirte mit den festen Freundinnen knutschen eh nicht mehr so oft. Doch weit gefehlt! Beide Freundschaftsfrauen sind wahre Champagnerdrosseln. Und wie das so ist: Alkohol und Kohlensäure steigern das Adrenalin und man fühlt sich wieder wie frisch verliebt.

In der U1

2018 Dogma Rosé, Pittnauer, Gols, Neusiedlersee (A). Der Schellhorn als Kreuzberger kennt sich in der U1 besser aus als der Schlögl aus Friedrichshain. Doch so viel ist sicher: Der Wein muss den Spagat zwischen quirligem, dreckigem und vibrierendem Osten und der prüden West-Berliner Schickeria schaffen: Dogma Rosé vom Pittnauer Gerhard ist da genau der richtige Mix aus trübem Vinaturel und fancy Rosé.

Dönerbegleitung

2017 Silvaner von Konni und Evi Buddrus, Freyburg, Saale-Unstrut (D). Zwei Stunden südlich von Berlin produziert ein Pärchen den mit ziemlicher Sicherheit authentischsten Wein der Region. Die trübe Hefigkeit und doch präzise Frucht erfrischt den Döner, die Schärfe bindet sich und man haut mal schnell eine Flasche weg.

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