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Horst Zuse, Sohn von Konrad Zuse und selbst Professor, zeigt im Technikmuseum den Original-Nachbau des Z3, des ersten Computers der Welt.

© TU Berlin Pressestelle/ Philipp Arnoldt

Das erste Computer-Start-up: Firmengründung im Trümmerhaufen

Vor 75 Jahren erfand Konrad Zuse in Berlin den Rechner Z3. Bald rief er die Zuse KG ins Leben – Deutschlands erstes Computer-Start-up.

Schuster, Schneider und Friseure werden bei Zuse Ingenieure! So lautete das geflügelte Wort, das sich in den 1950er Jahren im hessischen Neukirchen herumsprach wie ein Lauffeuer. Der Krieg war gerade vorbei, und Konrad Zuse, ein wunderlicher Wissenschaftler aus Berlin, stellte Leute ein, um einen frühen Computer zu bauen. Die Zuseaner, wie sich die Mitarbeiter liebevoll selbst bezeichneten, waren hochmotiviert. In dem frühen Start-up hatten sie das Gefühl, an der Zukunft mitzuwerkeln, und arbeiteten freiwillig bis spät in die Nacht. Dennoch: Bereits 1965 musste das defizitäre Unternehmen vom Investor Rhein-Stahl übernommen werden. Wie konnte es so weit kommen?

Zurück ins Berlin Anfang der 1930er Jahre. Konrad Zuse, geboren am 22. Juni 1910, studierte an der Technischen Hochschule Berlin zunächst kurz Maschinenbau, dann Architektur und Bauingenieurwesen. Einen Job als Statiker bei den Henschel-Werken auf dem Gelände des heutigen Flughafens Schönefeld schmiss er hin, denn wie schon im Studium war er zu faul zum Rechnen. „Mein Vater war auf eine gewisse Weise verrückt“, sagt heute Horst Zuse. Der mittlerweile pensionierte Informatik-Professor hat sich auf die Biografienaufarbeitung spezialisiert. Er glaubt: „Mein Vater hatte viele unterschiedliche Interessen, wie das Malen oder Entwerfen verschiedener Automaten. Berechnungen anzustellen erschien ihm wohl als Zeitverschwendung.“ Irgendwann kam dem Tüftler die fixe Idee, eine Maschine zu entwerfen, die dem Menschen das Rechnen abnimmt.

Für dieses Vorhaben nistete sich Zuse Senior wieder im Elternhaus ein (1935); zunächst in der Wrangelstr. 37, dann in der Methfesselstraße in Kreuzberg. Dorthin lud sich der Visionär regelmäßig Freunde und Bekannte ein, die ihm halfen, seine Rechenmaschine zu bauen.

Solcherlei Apparaturen gab es bereits, doch sie arbeiteten allesamt langsam. Zuses Idee: Eine Maschine, die nicht nach unserem Dezimalsystem funktioniert, sondern nach dem Binärsystem, die also nur die Zustände 0 und 1 kennt und sie in den Zustand eines Schalters übersetzt – „An“ oder „Aus“. Diese Idee kombinierte Zuse mit dem Prinzip einer Gleitkomma-Darstellung, also beispielsweise statt 12 000 000 die Schreibweise 1,2 x 107. Mit der Z3 schaffte er im Jahre 1941 auf diese Weise ein Schema, das mittlerweile als Urvater aller Computer gilt – und nach welchem Computer bis heute funktionieren.

Schuster, Schneider und Friseure im Computer-Start-up

Die Kriegswirren kamen Konrad Zuse dazwischen. Zunächst profitierte er von der spärlichen Förderung der Nazis, später floh er aus dem zerbombten Berlin ins Allgäu. Seine Maschine Z3 konnte er nicht retten, aber das Nachfolgemodell Z4 nahm er mit sich und versteckte es erstmal in einer Bauernscheune. Nach dem Krieg wollte Zuse Senior durchstarten. Ein hoch dotierter Auftrag verschaffte ihm das Startkapital: Die Uni Zürich lieh sich die Z4 für vier Jahre für einen Betrag von heute umgerechnet 2,5 Millionen Euro (1950-55). Mit diesem Geld wollte Konrad Zuse ein Unternehmen aufbauen. Und der Vertrieb lief an. 1958 begann mit der Installation eines Z 22/1 auch an der TU Berlin das digitale Zeitalter.

Bei der Auswahl seiner Mitarbeiter legte Zuse, ganz wie viele heutige Start-ups, keinen großen Wert auf einen Lebenslauf. Eine ruhige Hand und ein Verständnis für Maschinen im weitesten Sinne reichten ihm. Mit Schustern, Schneidern und Friseuren als Mitarbeiter gründete er die 1949 die Zuse KG.

Doch die Konkurrenz war nicht untätig. Unabhängig von Zuse entwickelten in Amerika Wissenschaftler ebenfalls Rechenmaschinen. Sie waren zwar später dran, hatten aber große Konzerne hinter sich – wie IBM und die Bell Telephone Company. Diese Computer wurden später ebenfalls nach einem Leasing-Prinzip gegen horrende Gebühren verliehen. Dank großer finanzieller Ressourcen konnten diese Konzerne allerdings auf Vorrat produzieren und somit bei Vertragsabschluss sofort liefern.

„Ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber meinem Vater“, analysiert Horst Zuse, „aber mein alter Herr wollte sich partout keinem Großunternehmen anschließen. Er wollte immer sein eigener Chef sein.“ Langfristig, glaubt Horst Zuse, fehlte es seinem Vater an einem Partner, der von Buchführung und Betriebswirtschaft Ahnung hatte. Mehrere hinzugeholte Wirtschaftswissenschaftler trennten sich im Streit immer wieder vom Unternehmensgründer.

Die drohende Pleite war angesichts der Konkurrenz aus Übersee und dem Inland unabwendbar. Der Investor Rhein-Stahl übernahm das Unternehmen. Konrad Zuse wurde auf einen Beraterposten abserviert und zog sich zurück. „In den Medien galt er als gescheiterter Verrückter“, erinnert sich Horst Zuse, „und unternehmerisches Scheitern gilt hierzulande ja leider als Stigma.“ Erst durch den Siegeszug der Informatik wurde Zuse Senior als Honorarprofessor und Ehrendoktor an verschiedenen Universitäten rehabilitiert.

Mittlerweile wird weltweit anerkannt, dass der Z3 der Urvater aller Computer ist. Ein Nachbau steht im Deutschen Technik Museum Berlin. Einmal im Monat zeigt Horst Zuse hier, wie Computer im Kern funktionieren. Zurückblickend auf die Erfahrungen seines Vaters rät er heutigen Gründern: „Wenn ihr an eine Idee glaubt: Zieht das durch. Überzeugt Freunde davon euch zu unterstützen. Und holt euch Unterstützung für all diejenigen Talente, die ihr selbst nicht einbringen könnt.“

Michael Metzger

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