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Volkspark Friedrichshain: Männer und Mamitas

Im Volkspark Friedrichshain sieht man viel Prominenz, viele Gedenkstätten - und es gibt einen ganz hinreißenden Märchenbrunnen.

Die allermeisten Besucher des Volksparks Friedrichshain sind erholungsbedürftige, nach einen Fitzelchen Natur dürstende Einwohner von Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Doch man kann hier auch tief in die Geschichte eintauchen, in die bewegte deutsche zumal. Bis zu jenem Zeitpunkt jedenfalls, da der Park zwischen 1846 und 1848 zum Gedenken an die Thronbesteigung von Friedrich dem Großen nach den Plänen des Lenné-Schülers Gustav Meyers angelegt und fertig gestellt wurde: als erster kommunaler Berliner Park, als ein Park für alle und jeden, kurzum: für das Volk.

Gelegen zwischen den Stadtbezirken Prenzlauer Berg und Friedrichshain, umgrenzt von der Danziger Straße im Osten, der Friedenstraße im Westen und der Kniprodestraße sowie dem Am Friedrichshain genannten Straßenzug im Norden, kreuzt man bei einem Spaziergang diverse Mahnmale. Sie zieren oder verschandeln, wie man es sehen möchte, das abwechslungsreiche Gelände, das mal mehr, mal weniger kleinteilig wirkt, das genauso hügelig wie waldreich ist und zudem auf schönen Sichtachsen basiert,

Aus gleich drei Teilen besteht etwa die 1968 eingerichtete Gedenkstätte für die deutschen Interbrigadisten des Spanischen Bürgerkriegs an der Friedenstraße: aus einer Tafel, Fritz Cremers bronzenem Spanienkämpfer mit erhobenem Schwert sowie einem Bronzerelief mit Szenen aus dem Spanischen Bürgerkrieg, auf dem die Worte „Madrid, du wunderbare Mamita Mia“ eingraviert sind. Auf der gegenüberliegenden Parkseite im Osten steht ein deutsch-polnisches Ehrenmal, das seit seiner Einweihung 1972 an die Soldaten der kommunistischen polnischen Untergrundarmee Armia Ludowa und an deutsche kommunistische Widerstandskämpfer gegen die Nazis erinnern sollte. Seit 1995 ist es aber auch nicht-kommunistischen Widerstandskämpfern und Soldaten gewidmet.

Gedenkstätten, Märchenbrunnen und Schwulentreff im Volkspark Friedrichshain

So ist das mit Gedenkstätten: Sie haben ihre eigene Geschichte. Und sie dienen, wie diese zwei Denkmäler der DDR, oft ideologischen Zwecken. Andererseits werden sie gern zweckentfremdet. Wie etwa der Friedhof der Märzgefallenen mitsamt seiner Umgebung. Dieser Friedhof wurde kurz nach Fertigstellung des Parks für die Opfer der Deutschen Revolution vom 18. März 1848 eingerichtet und verschaffte nach der Novemberrevolution 1918 zudem 33 Toten der Straßenkämpfe in Berlin ihre letzte Ruhestätte.

Hier, an der hügeligen, etwas unwegsamen, buschreichen südöstlichen Seite des Parks, an die sich heute das Krankenhaus Friedrichshain und sein Gelände schmiegen, sieht man seit einigen Jahren öfters jüngere und ältere Männer in den Büschen verschwinden oder davor herumlungern. Sie gehen hier weniger ihren Geschäften als ihren geschlechtlichen Trieben nach. Genau wie nach Einbruch der Dunkelheit in der Nähe des Spanienkämpfers. Diese Szene hat sich vom Märchenbrunnen an der Nordwestecke des Friedrichshains hierher verlagert. Denn zu DDR-Zeiten und auch nach der Wende noch war der Märchenbrunnen mit seinen Steinskulpturen aus den Märchen der Gebrüder Grimm beliebter Schwulentreff und Cruising-Ort. Nach der jahrelangen Restaurierung war damit Schluss, auch weil das Brunnengelände jetzt abends geschlossen wird.

Die an den Park angrenzenden Wohnviertel prägen das Bild.

Subkultur hat der Volkspark Friedrichshain sonst wenig zu bieten. Eine Drogenszene gibt es glücklicherweise nicht, auch Lotterpunks und ihre Hunde sieht man nur selten. Schon eher Kulturprominenz. Wie etwa die Schauspieler Daniel Brühl (als er im Winskiez wohnte) und Axel Prahl, den Tocotronic-Musiker Dirk von Lowtzow oder den Schriftsteller Ingo Schulze. Der wandert hier mit seinen Töchtern genauso gern durch den Park wie er das Café Schönbrunn im Zentrum des Parks als Interview- oder Filmaufnahmeort vorschlägt. Manchmal wird man auch selbst verwechselt: „Devid?“ fragte mich vor ein paar Monaten ein jüngerer Mann in der Nähe des Großen Bunkerbergs, als wir eigentlich schon aneinander vorbeigelaufen waren.

Zu besseren Zeiten der Love Parade gab es im und um das Schönbrunn herum After-Hour-Parties. Inzwischen ist die mit einem Biergarten und einem Kiosk immer größer gewordene Anlage tatsächlich ein Ort für jedermann und jedefrau. Wie der gesamte Volkspark im Übrigen. Hier treffen sich Menschen, die gerade in ihren an den Park angrenzenden Wohnvierteln kaum Berührungspunkte haben. Die meist aus den alten Bundesländern stammenden Neu-Prenzlauerberger, die in sanierten Altbauten im Bötzowviertel und dem Winskiez leben. Und die Alteingesessenen aus den Plattenbauten und Hochhäusern der Friedenstraße, der Landsberger Allee und dem Platz der Weltnationen, die hier schon vor der Wende gewohnt haben. Höchstens auf den Spielplätzen gibt es schon mal bevölkerungstypische Übergewichte. Das aber hat mehr mit ihrer Lage zu tun: der eine nah am Bötzowviertel, der andere nah an der Friedenstraße. Bei dem inmitten des Parks gelegenen Spielplatz lässt sich nur schwer eine bestimmte Gruppe ausmachen, der ist zu klein und oft viel zu voll. Ebenfalls bei dem neuen, in der Nähe des Märzfriedhofs gelegenen, der ist zu versteckt gelegen und oft leer.

Von Gentrifizierung kann zumindest hier im Park keine Rede sein. Mehr von einer doch sehr starken Geschichtsfixierung. Am Friedhof der Märzgefallenen und der Opfer der Novemberrevolution ist seit Mai 2011 eine mindestens noch anderthalb Jahre laufende Ausstellung zu sehen: um den Gedenkstein herum auf dem Friedhof. Und in einem extra dafür aufgestellten schlauchförmigen Container, der wie ein aufsteigender Pfeil in den Park Richtung Süden ragt und die Aufschrift „trotz alledem und alledem ... 18. März 1848“ trägt. Der Paul-Singer-Verein will aus dem Friedhof eine „nationale und europäische Gedenkstätte“ machen und ihn „in den nächsten Jahren zu einem Ort demokratischen Lernens“ entwickeln. Dabei ist dem Verein, das versteht sich, die Märzrevolution wichtiger als die Novemberrevolution 1918.

Läuft man von hier am Freiluftkino vorbei den Weg herunter auf die zentrale Park-Kreuzungen, sieht man linkerhand das 2000 vollständig restaurierte Friedrich-II-Denkmal. Und hält man sich weiter geradeaus, in Schönbrunn-Richtung, passiert man ebenfalls linkerhand, hinter einem Wasserfall und auf dem Weg um den großen Ententeich herum, eine riesige Glocke, die so genannte Weltfriedensglocke. Sie erinnert an den Atombombenabwurf auf Hiroschima 1945 und wurde noch in den letzten Monaten der DDR aufgehängt. Zum Klingen bringen lässt sich die Glocke nicht. Vermutlich hätte sie auch keine Chance gegen die vielen Kinder und die Wasserspiele, die an schönen Tagen die Geräuschkulisse des Volksparks entscheidend bestimmen.

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