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Sijbolt Noorda ist Hochschulmanager, er war unter anderem Präsident der Universität Amsterdam und der niederländischen Rektorenkonferenz.

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Sind Universitäten unregierbar?: Deutschen Unis fehlt es an Teamgeist

Eine Universität kann nicht hierarchisch geführt werden. In Deutschland verkompliziert einiges die Regierbarkeit von Unis - so mangelt es ihnen an Teamgeist, sagt Sijbolt Noorda, Ex-Präsident der Uni Amsterdam.

Dieser Text ist Teil unserer Debatte zur (Un)regierbarkeit von Universitäten. Hier finden Sie die übrigen Debattenbeiträge.

Ungefähr fünfundzwanzig Jahre lang habe ich verschiedene Führungspositionen an niederländischen Universitäten innegehabt, zuletzt als Präsident der Amsterdamer Universität und als Präsident des niederländischen Äquivalents zur deutschen Hochschulrektorenkonferenz. Da habe ich meine eigenen Erfahrungen gemacht und auch gut beobachten können, wie es den Kolleg(inn)en gegangen ist. Es gibt erwartungsgemäß hier und da Unfälle und Fehlschläge, aber im Großen und Ganzen lassen sich die Uni-Präsidien nicht nur gut handhaben - sie tragen eben auch erheblich zu den auch international sichtbaren Erfolgen der niederländischen Hochschulen bei.

Deutsche Unis bräuchten hauptamtliche Dekane

Ist die deutsche Lage wesentlich anders? Nicht wesentlich, würde ich meinen. Aber es gibt doch einige Aspekte, die die Lage an den deutschen Hochschulen verkomplizieren. Erstens kennt man in Deutschland viel seltener als in den Niederlanden hauptamtliche Fakultätsdekane mit längerer Amtszeiten (bis zu sieben Jahre). Vor allem in großen Universitäten braucht man eine starke und geeignete dezentrale "Governance". Eine Uni kann nicht hierarchisch, top down gesteuert werden. Es muss zwischen zentral und dezentral eine Art von Gleichgewicht und eine klare strategische Verbundenheit geben, eine Gesamtverantwortlichkeit von Präsidium und Dekanen. Ohne hauptamtliche Dekane mit längerer Amtszeiten ist das schwieriger zu erreichen.

Zweitens haben Präsidien der niederländischen Hochschulen seit Anfang der Siebziger Jahre einen gut integrierten akademischen, geschäftlichen und politischen Aufgabenmix. Drei hauptamtliche Mitglieder (Präsident(in), Rektor(in) und Vize-Präsident(in)), alle im Durchschnitt ungefähr sieben Jahre im Amt, sind für drei Aufgabentypen verantwortlich - wobei der Präsident/die Präsidentin die strategisch-politische Rolle innehat, bei dem/r Rektor(in) die Erstverantwortlichkeit für akademische und bei dem/r Vize-Präsident(in) die für die geschäftliche Angelegenheiten liegen.

Der starke Individualismus der Professoren ist ein Problem

Ein dritter Aspekt macht die Regierbarkeit der deutschen Hochschule ein wenig komplizierter: der sehr stark geprägte Individualismus der deutschen Professor(inn)en. Diese Beobachtung ist nicht (sozial-)psychologisch gemeint, sondern als ein Strukturmerkmal des deutschen Hochschulwesens. Der an sich ganz natürliche und positive Wert jedes einzelnen Mitglied der akademischen community wird etwas überbewertet, als ob der akademische Alleingang ganz normal wäre. Der ebenso große Wert der Zusammenarbeit in Teams kommt dadurch manchmal zu kurz.

Kurzum, die hochschulinterne Aufgabe eines deutschen Uni-Präsidenten ist im Vergleich mit den Niederlanden etwas schwieriger - aber zweifellos noch immer schaffbar.

- Prof. Dr. Sijbolt Noorda ist Präsident des „Observatory“ der Magna Charta Universitatum, eines Zusammenschlusses von weltweit 388 Universitäten. Noorda war Präsident der Universität Amsterdam und der niederländischen Rektorenkonferenz.

Sijbolt Noorda

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