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Für ihre eigene Dachwohnung in Prenzlauer Berg entwarf die gebürtige Israelin viele Möbel selbst.

© Stephan Pramme

Architektin Ester Bruzkus: „Ich hatte das Privileg, Berlin mitzugestalten“

Als Innenarchitektin war Ester Bruzkus am richtigen Ort zur richtigen Zeit. In ihren zahlreichen Projekten spiegelt sich die Entwicklung der Hauptstadt wider.

Skizzen und Materialproben liegen auf dem Tisch im lichtdurchfluteten Konferenzraum in Ester Bruzkus' Architekturbüro in Prenzlauer Berg. Sie geben einen Vorgeschmack auf das Restaurant im neuen Gebäude des Suhrkamp Verlags, eines von mehreren Projekten, an denen die Berliner Architektin momentan arbeitet.

Seit 2002 ist Ester Bruzkus selbstständig. Dabei standen ihre Chancen auf Aufträge anfangs nicht gut. Ein Jahr nach 9/11 hielt sie zwar ihr Diplom in der Hand, doch in der Baubranche herrschte Stillstand.

Doch Ester Bruzkus wollte bauen, egal ob innen oder außen, „Hauptsache ich arbeite, Hauptsache ich lerne etwas“. Zugleich bekam sie die Skepsis zu spüren, mit der Auftraggeber der jungen Frau begegneten. „Frau Bruzkus, ich sehe Sie nicht in Gummistiefeln über die Baustelle stapfen“, warf ihr mal ein Bauherr an den Kopf.

Doch die in Israel geborene Tochter russischer Migranten ließ sich nicht entmutigen. Die ersten Aufträge als selbstständige Architektin setzte sie für Freunde um. Ein Brillenladen in der Axel-Springer-Passage existiert heute noch fast so, wie sie ihn damals entworfen hatte. Sie schrieb Bauanträge und eignete sich damit das rechtliche Wissen an, das sie für ihren Job brauchte. Durch Zufall lernte Ester Bruzkus Sternekoch Tim Raue kennen und richtete seine Restaurants in Berlin ein. Damit nahm ihre Karriere Fahrt auf. Es folgten weitere Restaurants und internationale Hotels.

Nach der Planung kommt das Design ins Spiel

Die Begeisterung für die Gastronomie kommt bei Ester Bruzkus nicht von ungefähr: Nach dem Abi arbeitete sie als deutsche Kulturrepräsentantin in Disneyworld in Florida und lernte dort viel über Gastfreundschaft. Kurz überlegte sie, in die Hotelbranche zu gehen, entschied sich dann aber doch für die Architektur – mit dem Ziel, Hotels und Restaurants zu bauen.

Eine Lobby oder ein Hotelzimmer einzurichten, fiel ihr nicht von Anfang an leicht. „Es hat mich einige Jahre Arbeit gekostet zu lernen, wie man Innenarchitektur eigentlich macht. Schließlich lernt man das nicht im Architektur-Studium“, gibt Ester Bruzkus zu.

Das Restaurant L.A. Poke in Berlin
Das Restaurant L.A. Poke in Berlin

© Jens Bösenberg

In Deutschland machte sie oft die Erfahrung, dass Innenarchitektur abgewertet wird. Deshalb stellt sie immer klar, dass sie Architektin ist und keine Dekorateurin oder „Kissenknautscherin“. Auch wer einen Innenarchitekten beauftragt, muss mit Vorurteilen kämpfen, weiß Ester Bruzkus: „Manche meiner Bauherrn wurden gefragt, ob sie nicht genug eigenen Geschmack hätten. Dabei gehört sehr viel Know-how dazu, um etwas gut zu planen. Details wie Sockelleisten oder Schattenfugen machen einen großen Unterschied.“

Gemeinsam mit ihrem Lebens- und Büropartner Peter Greenberg, der ebenfalls auf Innenarchitektur spezialisiert ist, stellt sie erst einmal den Grundriss in Frage. Erst nachdem die Planung fertig ist, kommt das Design ins Spiel, also die Farben, Materialien und Oberflächen, zum Beispiel von maßgefertigten Einbauten, ganz zum Schluss Stoffe für Vorhänge oder Polstermöbel.

Am richtigen Ort zur richtigen Zeit

„Das ist ein Extra, das das Ganze wohnlich macht und unsere Arbeit von der eines Hochbauarchitekten unterscheidet, aber keineswegs ihre Essenz, wie viele denken“, betont Ester Bruzkus. Mittlerweile liebt sie die Innenarchitektur, denn sie gebe Menschen die Möglichkeit, einen harmonischen Raum zu spüren.

Was so eine Gestaltung bewirken kann, zeigt die von Ester Bruzkus geplante Amano-Bar im gleichnamigen Hotel, die vor zehn Jahren Eröffnung feierte. „Jeder hat mir damals gesagt: Ester, mach dir nicht so eine Arbeit. Hotelbars sind sowieso immer leer“, erinnert sich die Architektin. „Ab Tag eins haben im Amano alle auf dem Tresen getanzt. Das war plötzlich – im Gegensatz zu den inoffiziellen Kellerclubs – eine erwachsene Bar, die die Gegend total geprägt hat.“

Die Büroräume der Berliner IT-Firma Futurice haben verschiedene Farben. Hier ein Zimmer ganz in Grün.
Die Büroräume der Berliner IT-Firma Futurice haben verschiedene Farben. Hier ein Zimmer ganz in Grün.

© Marcus Wend

Auch wenn es nach dem Studium erst einmal nicht so aussah: In Berlin war Ester Bruzkus am richtigen Ort zur richtigen Zeit. „Ich hatte das Privileg, die Stadt mitzugestalten“, stellt sie sachlich fest. Vom eleganten Kino Delphi Lux über das preisgekrönte Generator Hostel an der Oranienburger Straße bis hin zum tausendfach auf Instagram geteilten Hipster-Restaurant L.A. Poke an der Schönhauser Allee spiegelt sich in Ester Bruzkus' Projekten die Entwicklung Berlins wider. Gerade verpasste sie den Büroräumen des Softwareentwicklers Futurice in Kreuzberg ein farbenfrohes Makeover, eines von vielen jungen Unternehmen der wachsenden Berliner Digitalbranche.

Lichtspiele. Im Delphi Lux Kino in Charlottenburg ist jeder Saal anders.
Lichtspiele. Im Delphi Lux Kino in Charlottenburg ist jeder Saal anders.

© Marcus Wend

Ihr Appartement dient vielen Bauherren als Inspirationsquelle

In ihrer Dachgeschosswohnung in Prenzlauer Berg, die bereits in verschiedenen internationalen Magazinen erschien, treibt Ester Bruzkus ihre Gestaltungsprinzipien auf die Spitze: Zum Fußboden und der Decke aus Beton kombinierte sie orientalische Teppiche, ein breites, selbst entworfenes Samtsofa und andere farbige Möbel. Trotz der Kontraste wirkt die Wohnung wie aus einem Guss.

Auch wenn ihr Appartement vielen Bauherren als Inspirationsquelle dient, hat Ester Bruzkus keine „one fits all“-Lösungen parat. Bei jedem Projekt setzt sie sich neu mit dem Raum und seiner Nutzung auseinander. Gerade das macht für sie den Reiz ihrer Arbeit aus.

Ende September eröffnet Tim Raues Villa Kellermann in Potsdam. Außerdem plant Ester Bruzkus zwei Townhouses in Kreuzberg. „Spannend fände ich, mal ein Museum zu entwerfen“, sinniert Ester Bruzkus. In Berlin wäre sie damit am richtigen Ort.

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