zum Hauptinhalt
Dunstabzüge sind heute oft diskret integriert.

© AMK

Küchengestaltung: Hightech rund um den Herd

Bewegliche Arbeitsplatten, WLAN-fähige Kühlschränke und anderer Schnickschnack machen heutige Küchen zu technisierten Arbeitsplätzen.

„Mykie, welche Zutaten brauche ich für eine Crème brûlée?“ Innerhalb von Sekunden betet Mykie das gesamte Rezept für die Nachspeise herunter, ohne dass der Hausmann mit klebrigen Fingern im Kochbuch blättern oder auf dem Smartphone herumtippen muss.

Mykie ist der von der Homeconnect-Abteilung der Bosch Siemens Hausgeräte Gruppe (BSH) entwickelte Küchenassistent. Ähnlich wie Amazons Alexa oder Apples Siri reagiert er auf Sprachbefehle. Dank der eingebauten Kamera und dem Schwenkkopf eignet er sich auch für Videochats oder um Filme anzuschauen.

Bisher ist der smarte Küchenassistent nur ein Konzept. Doch er gibt einen Vorgeschmack darauf, wie wir in Zukunft kochen könnten. Kühlschränke mit eingebauter Kamera oder WLAN werden inzwischen bereits in Serie produziert.

In 20 Jahren sind ganz neue Konzepte vorstellbar

Volker Irle, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche e.V. (AMK), ist sich sicher, dass es in nächster Zeit weitere Entwicklungen in dieser Richtung geben wird. „In wenigen Jahren werden wir die vernetzten Geräte gar nicht mehr aus der Küche wegdenken können“, sagt er. „Diese Entwicklung nimmt in Windeseile ihren Lauf.“

Doch entscheidender als immer neue Gadgets zu entwickeln, deren Existenz sich heute noch nicht einmal erahnen lassen, sei es, die wahren Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und sie mit den modernsten technischen Möglichkeiten zu bedienen. „Aktuell schafft die Industrie viele neue Möglichkeiten, die im Nachgang möglicherweise auch von neuen Dienstleistern aufgegriffen werden und so zusätzlich den Nutzen für den Konsumenten signifikant erhöhen.“ Volker Irle ist davon überzeugt, dass es vor allem im Bereich der Küchengeräte noch mehr vernetzte Lösungen geben wird. Waschmaschine oder Geschirrspüler können bereits jetzt in ein Smart Home Netzwerk integriert und so über eine App gesteuert werden. Weitere Geräte werden folgen.

In 20 Jahren sind dann ganz neue Konzepte wie das automatische Auffüllen von Vorräten durch automatisierte Bestell- und Liefervorgänge vorstellbar. „Was bleiben wird, ist die Rolle der Küche. Sie wird der Ort bleiben, in dem Menschen für sich oder miteinander kochen. Das Kochen ist nämlich längst nicht mehr nur Mittel zum Zweck. Es hat vielmehr die Rolle als Event unter Freunden oder in der Familie eingenommen, bei dem gemeinsam etwas entsteht, was danach auch gemeinsam genossen werden kann.“

Bei der "+Venovo" von Poggenpohl muss man zwei Mal hinschauen, um die Küchenelemente in der Wohnung zu erkennen.
Bei der "+Venovo" von Poggenpohl muss man zwei Mal hinschauen, um die Küchenelemente in der Wohnung zu erkennen.

© Poggenpohl

Die meisten deutschen Konsumenten setzen auf deutsche Hersteller

Dem tragen auch die neuen Küchenentwürfe Rechnung, die in Mailand auf der Eurocucina 2018 vorgestellt wurden. Viel Beachtung fand der Entwurf des Designers Piero Lissoni für Boffi. Der Produzent italienischer Edelküchen experimentiert schon lange mit verschiedenen Materialien, die man nicht auf den ersten Blick mit Küche verbinden würde. So kommen zum Beispiel Mooreiche in Kombination mit Greystone Marmor zum Einsatz.

Pierro Lissonis Küche „Combine“ zeichnet sich durch ihre Modularität aus. Nach dem Konzept des Computerspiels Tetris können Arbeits- und Aufbewahrungsblöcke ineinander geschoben und ausgetauscht werden.

Die neuen Modelle von Poliform zielen in die gleiche Richtung. Ihr modulares System „Infinity“ ist durch LEDs illuminiert und enthält sogar eine Photovoltaikleuchte, zum Beispiel für die eigene Kräuterzucht.

Die meisten deutschen Konsumenten setzen allerdings auf Küchen „Made in Germany“, beobachtet die AMK. „Eine Importquote von weniger als vier Prozent im Bereich der Küchenmöbel zeigt hier deutlich die hohe Zufriedenheit der Kunden über alle Marktsegmente hinweg", sagt Volker Irle.

Sie müssen sich in Sachen Ästhetik und Innovationskraft nicht hinter der internationalen Konkurrenz verstecken. Der deutsche Hersteller Poggenpohl präsentierte in Mailand das System +VENOVO, das eine Verbindung zwischen Küche und Wohnen auflösen soll. Dem trägt es zum einen mit wohnlichen Materialien Rechnung, zum anderen löst es die Idee der Einbauküche auf und ermöglicht die flexible Anordnung der Elemente im Raum.

Seit den 70er Jahren entwickelt sich die Küche zum Stilort

„+Venovo“ (Poggenpohl) fügt sich nahtlos auch in andere Wohnstile ein.
„+Venovo“ (Poggenpohl) fügt sich nahtlos auch in andere Wohnstile ein.

© Poggenpohl

Das sonst eher klobige Erscheinungsbild von Küchenblöcken lösen die Designer durch Bügel auf, die der Küche einen schwebenden Look verleihen. Technische Details wurden clever integriert, vom Schneidebrett unter der Arbeitsplatte bis hin zum eingelassenen Dunstabzug. Für ordentlich organisierten Stauraum sorgen die Schubladen mit übersichtlichen Besteck- oder Gewürzkästen.

In den meisten Mietwohnungen sind die Möglichkeiten, eine Küche frei anzuordnen, allerdings begrenzt. Gerade in Altbauten lassen schlauchartige Grundrisse wenig Spielraum. „Bei kleineren Küchen kommt es sehr auf die professionelle Küchenplanung an. Von Seiten der Industrie erleben wir hier zum Beispiel Innovationen der Beschlaghersteller, die mit raffinierten Auszugsmöglichkeiten den begrenzten Platz in der Küche optimal ausnutzen“, sagt Volker Irle. „Ein weiterer wichtiger Punkt sind Kombigeräte die es erlauben, auch in kleinsten Küchen alle modernen Geräte und Funktionen unterzubringen.“

Bis in die 60er Jahre war die Verbindung zwischen Kochen und Wohnen eher etwas Ungewöhnliches. Ihre „Frankfurter Küche“ entwarf die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky im Zeitgeist des sachlichen Bauhauses 1926 in Frankfurt am Main im Stil eines industriellen Arbeitsplatzes, an dem auf kleinstem Raum alle Handgriffe schnell und gut organisiert erledigt werden konnten. Sie gilt als Prototyp der Einbauküche. Kochen wurde zur zentralen Aufgabe der nicht berufstätigen Hausfrau, der man bei der Arbeit nicht zusehen wollte.

Mit vielen Raffinessen werden Küchen immer technischer

Erst die neuen Grundrisse in den 70er Jahren sahen Essecken und separate Speisezimmer fürs Sonntagsessen oder das Zusammensein mit Freunden vor. In dieser Zeit entwickelte sich die Küche auch vom reinen Nutzraum zum Designobjekt. Farbige Fronten in Grün oder Orange peppten Ober- und Unterschränke im Stil der Zeit auf. Accessoire-Hersteller wie Alessi aus Italien kooperierten mit namhaften Architekten und Designern, die aus Alltagsgegenständen wie Zitronenpressen wahre Kunstwerke machten.

Der Trend zur bewussten Ernährung und zum geselligen Kochen mit Freunden als Thema macht Wohnküchen heute zu Statussymbolen, die es preislich mit Luxuskarossen aufnehmen können. Viele Küchenhersteller bieten ihren Kunden inzwischen eigene Planungstools an, mit denen sie ihre Traumküche am eigenen PC zusammenstellen können.

Mit vielen neuen Raffinessen werden Küchen immer technischer. So stellte der italienische Hersteller Valcucine auf der Fachmesse EuroCucina 2018 in Mailand das Modell Logica Celata, das auf Wunsch die Beleuchtungsfarbe wechselt und die Küche auf diese Weise in eine andere Stimmung taucht. Außerdem erweiterte Valcunine seine Auswahl an Materialien und lässt Wohntrends wie gebürsteten Kupfer nun auch in den einstigen Funktionsraum Küche einziehen. Das neue Küchenzeitalter hat also längst begonnen.

Weitere Artikel rund um die Themen Design, Wohnen und Einrichtung finden Sie auf unserer Themenseite.

Zur Startseite