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Gestrickte Kreationen. Liset van der Scheer hat den Öko-Look vom Laufsteg nach Hause geholt – die Sitzhocker "Bonnet" sind mit Bezügen aus Merinowolle umhüllt.

© Casalis

Mode fürs Zuhause: Ton in Ton

Die Mode gibt zunehmend Trends vor, die die Inneneinrichter übernehmen. Mehr noch – die Modelabels vertrauen auf die Kraft der Marke und lancieren ihre eigene Home-Collection. Im Markenhotel trifft dann alles aufeinander.

In der Mode ist es klar, wofür eine Jeans steht: Sein Träger ist frei, ein bisschen unkonventionell und hat dank des Kleidungsstücks eine sexy geformte Silhouette. Wäre diese eine Jeans eine Lampe, wie würde sie dann aussehen? Die Antwort hat Diesel-Chef Renzo Rosso vor drei Jahren in Mailand gegeben. Während der dortigen Möbel- und Designmesse stellte er die erste Home-Kollektion des italienischen Modekonzerns vor. Zusammen mit Moroso, bekannt als Hersteller von Sofas und Sesseln von Designern wie Patricia Urquiola oder Ron Arad, und dem Leuchtenhersteller Foscarini stellte er die Wohnlandschaft zur Hose vor: Bettwäsche mit Jeansprint, eine ironische Neuinterpretation des Chesterfieldsofas mit seitlich überhängendem Stoffbezug, Kissen mit Nietenmuster, Tische und Stühle mit Bluejeans-Waschung und Leuchten im Industrielook.

In Sachen Home-Kollektion folgt Diesel anderen großen Modemarken: Sowohl im günstigen Segment bei Zara und H&M als auch in hochpreisigen Sphären von Hermès und Versace gibt es inzwischen die Möbel und Wohnaccessoires passend zur Kleidung. Als Grund für diesen Boom sieht Trendforscher Peter Wippermann vom Trendbüro Hamburg dem Umstand, dass die Interiorwelt insgesamt modischer geworden sei. „Die Mode gibt Trends vor, die dann nach und nach auch ins Interiordesign durchsickern“, sagt er.

Ablesbar sei das zum Beispiel an dem Stil-Wandel Ende der Neunziger, beziehungsweise Anfang der Nullerjahre gewesen. „Damals war sowohl die Mode als auch das Interieur sehr puristisch. Gerade Formen, viel Weiß und andere klare Töne bestimmten die Kollektionen. Als sich die Mode wieder verspielter wurde, setzte sich das auch im Möbeldesign durch. Plötzlich sah man überall Ornamente“, sagt er. Zudem strahlt der Glanz der Modemarken auf die Home-Kollektionen ab. „Das Markenbewusstsein in der Mode ist größer als im Interior“, sagt Peter Wippermann. „Davon profitieren die Home-Kollektionen.“

Wie man sich kleidet, so schläft man. Hier eine Variante passend zu der Jeans – das Cloudscape Platform Bett von Diesel.
Wie man sich kleidet, so schläft man. Hier eine Variante passend zu der Jeans – das Cloudscape Platform Bett von Diesel.

© Moroso

Die Mode ist schnelllebiger als die Möbelindustrie. Während auf den Laufstegen jedes Jahr mindestens eine Winter- und eine Sommerkollektion gezeigt werden, bringen selbst die großen Möbelfirmen zu den wichtigen Messen in Köln und Mailand meist nicht mehr als ein Dutzend neuer Stücke auf den Markt. Viele davon sind Prototypen, die je nachdem wie die Resonanz der Fachbesucher ist, in Produktion gehen oder auch nicht.

Weniger aufwendig als der Entwurf und die Herstellung eines Sofas oder Betts ist die Produktion von Wohnaccessoires. „Kerzen sind ein guter Indikator dafür, wo die Reise im Interiordesign hingeht“, sagt Peter Wippermann. Ihre Farben und Muster findet man später auf Sofabezügen und Kissen. Für ihn als Trendforscher habe die Mode eine Vorreiterrolle, aber auch Subkulturen wie die Grafitti-Szene seien Indikatoren für neue Farbtrends.

Modisch vom Teppich bis zur Tapete

Schwarz-weiß kariert. In Tizzy N.Y. Bar & Grill in Mailand bringt die Inneneinrichtung aus der Diesel-Kollektion ein Hauch zeitloser Coolness an die Ufer des Naviglio.
Schwarz-weiß kariert. In Tizzy N.Y. Bar & Grill in Mailand bringt die Inneneinrichtung aus der Diesel-Kollektion ein Hauch zeitloser Coolness an die Ufer des Naviglio.

© Moroso

Inzwischen ist auch personell die Grenze zwischen Mode- und Möbelszene fließend. Der belgische Künstler, Designer und Architekt Arne Quinze, aus der Klatschpresse bekannt durch seine Liaison mit Boris Beckers Ex-Frau Barbara, betreibt das Möbellabel Quinze & Milan, das Möbel aus Hartschaumstoff in der Form von Bauklötzen herstellt. Doch das ist längst nicht der einzige Job des umtriebigen Künstlers: Neben riesigen Installationen entwarf er auch Turnschuhe für die japanische Marke Onitsuka Tiger.

2010 kooperierte er mit der Rucksackfirma Eastpak und stellte mit ihr unter dem Motto „Built To Resi(s)t“ ein extrem strapazierfähiges Sofa mit vielen praktischen Taschen her. Daran lassen sich zum Beispiel Bücher, Magazine, Fernbedienungen, der Laptop oder iPod verstauen. An der Spezial-Edition arbeiteten die Kreativ-Teams beider Firmen zusammen und vereinten ihr fachliches Knowhow und ihre gestalterischen Erfahrungen.

Auch Design-Ikone Philippe Starck tobte sich modisch aus, obwohl er einmal schwor: „Ich werde nie idiotisch genug sein, um Mode zu machen“.  Sein Kunstoffstuhl „Mademoiselle“ aus dem Jahr 2004 von Kartell wird abwechselnd in neue Kleider gesteckt, sprich mit neuen Stoffen bezogen, seien es in bunte Blumenprints und Zeichnungen von Franco Moschino oder psychodelische Hippie-Muster von Missoni. Ebenso gradlinig wie seine Möbel ist auch seine „für intelligente Menschen gemachte“ Kollektion „Starck With Ballantyne“ aus ökologischer Kashmere-Wolle. Die hält der Designer allerdings für ebenso zeitlos wie seine Möbel – und damit ganz und gar nicht für modisch. Offenbar ist ihm der schnelllebige Fashion-Zirkus zuwider. Auch für Puma hat der Designer Schuhe entworfen. Der Name Starck ist eben eine Marke, mit der sich vieles verkaufen lässt.

Auch anders herum probieren sich alte Mode-Hasen gerne mal an Interior aus. Jean Paul Gaultier hat sich nach dem Ende seiner Arbeit als Chefdesigner für Hermès nach neuen Ufern umgesehen. Für die französische Marke Roche Bobois entwarf er einen Sessel auf Rollen, ein maritim gestreiftes oder mit bunten Prints versehenes Sofa und Kofferschränke. Seit wenigen Wochen sind sie in den Läden. Gegenüber der New York Post sagte der Erfinder von Madonnas provokanten Bühnenoutfits: „Für mich geht es im Leben immer darum, sich auszudrücken, sei es am Körper oder im Haus.“ Als nächstes steht Unterwäsche für La Perla auf Gaultiers Arbeitsplan.

Das Modehaus Maison Martin Margiela ließ die Besucher auf der Mailänder Messe etwas ratlos mit seinen schneeweißen Raum-Interpretationen. Sie glichen eher einer Kunst-Installation. Konkret gestaltete das Label des belgischen Designers zusammen mit Cerruti Baleri einen thronartigen Sessel und ein Sofa, eingehüllt in weißen Canvas.

Deutlich bodenständiger sind die Interior-Lösungen von Esprit. Seit Jahren erweitert die Firma ständig ihr Bad-Programm, hat aber auch Bettwäsche, Vasen oder Teppiche im Portfolio. Dabei wird nicht mit Farben gespart: Bordeauxrote Rollcontainer treffen auf grüne Wandschränke, wenn der Verbraucher es so möchte. Auch der Stil-Mix ist eine Sache, die sich das Interiordesign von der Mode abgeguckt hat. „Selbst im Bad-Design werden die Kollektionen objekthafter“, meint Trendforscher Peter Wippermann. Das bedeutet: Einzelne Elemente lassen sich frei kombinieren und müssen nicht mehr als Set gekauft werden. Beflügelt von dem steten Erfolg seiner Badserien möchte Esprit im November eine eigene Küche loungen.

Das Bad en vogue. Zartes Weiß und tiefe Aqua-Töne sind nicht nur in der Mode schwer angesagt: Esprit kombiniert beide Farben in der neuen Badmöbelkollektion für Puris.
Das Bad en vogue. Zartes Weiß und tiefe Aqua-Töne sind nicht nur in der Mode schwer angesagt: Esprit kombiniert beide Farben in der neuen Badmöbelkollektion für Puris.

© Esprit

Der Trend zur Nachhaltigkeit, die Wiederentdeckung von Holz und rohen, kaum bearbeiteten Materialien, die sich in den letzten Jahren vollzieht, verläuft parallel auch in der Mode ab. Dort drückt sich der Wunsch nach Imperfektion und Selbermachen in kuscheligem Strick und groben Texturen aus. Die belgische Firma Casalis hat diese Stoffe in ihre Kollektion geholt und bezieht ihre Möbel wie das Sitzkissen „Bonnet“ mit gestrickten Hüllen. Sie strahlen dank des flauschigen Bezugs die Gemütlichkeit eines Abends auf dem Sofa in warmen Wollsocken aus.

Wie weit der Feldzug der Modemarken geht, zeigt die Eröffnung von Hotels, die Versace oder Armani in allen Ecken der Welt eröffnen. Dort schlafen die Gäste in von den Modedesignern gestalteten Zimmern und speisen in von ihnen designten Restaurants. Vom Teppich bis zur Tapete spiegeln die Räume die Markenphilosophie wieder. Auch Diesel hat bereits eigene Häuser, zum Beispiel das coole Pelican Hotel in Miami Beach - das passende Hotel zur Hose.

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