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Schöne Kanten. Der Stuhl "Diago" ist Tabandas Kultprodukt.

© Tabanda

Polnisches Design: Natürlich aus Danzig

Drei junge Architekturstudenten verlieben sich in Sperrholz. Und gründen das Möbellabel Tabanda – die Bande. Der Rest ist eine irre Erfolgsgeschichte.

Von Aleksandra Lebedowicz

Angehende Designer träumen groß. Ganz am Anfang ihrer gemeinsamen Karriere schwebte auch Megi Malinowska, Filip Ludka und Tomek Kempa Großes vor: Sie wollten unbedingt eine CNC-Fräse haben.

Noch vor zehn Jahren waren diese Maschinen rar in Polen. „In Danzig gab es damals vielleicht zwei Exemplare“, sagt Malinowska. Eines gehörte glücklicherweise einem entfernten Verwandten von ihr. Dort machte sich das Trio mit den technischen Möglichkeiten vertraut. Schnell wurde klar: „Hätten wir so ein Ding, könnten wir viele coole Sachen produzieren“, erzählt sie.

Bloß: Wie treiben frisch gebackene Architekturabsolventen das nötige Geld auf? Ein Förderprogramm für kreative Start-ups bot sich an. Malinowska, Ludka und Kempa bewarben sich und bekamen den Zuschlag. Wenig später stand die ersehnte Fräse in der Werkstatt. „Mit ihr fing das Herz von Tabanda an zu schlagen“, sagt Malinowska.

Im Dezember 2009 feierte das Label eine „bescheidene, vorweihnachtliche Premiere“. Freunde und Familie wurden geladen, um die ersten Produkte zu sehen. Vieles davon habe die Zeit auf Probe zwar nicht überstanden. Ein Möbel blieb aber bis heute im Sortiment: der Hocker „Falon“. Seine organische Form, die aus mehreren hintereinander angeordneten Einzelrahmen entsteht, erinnert an ein Akkordeon oder eine Welle – besonders, wenn man mehrere Teile zu einer Bank kombiniert. „Ein bisschen Möbel, ein bisschen Skulptur“, sagt Malinowska. Und eine kleine Demonstration solider handwerklicher Arbeit. Gebaut wird das gute Stück, wie auch Ess- und Couchtische von Tabanda, aus Birkensperrholz. „Ein angenehmes Material mit tollen Eigenschaften.“ Es verziehe sich nicht und lasse sich leicht verarbeiten.

Drehen und wenden statt verschwenden

Vor allem sei der Werkstoff aber ökologisch unbedenklich. Nachhaltige Entwicklung ist ein wichtiges Thema für das Designertrio. Die Möbel werden ausschließlich mit natürlichen Ölen behandelt. Auch Produktionsabfälle finden eine sinnvolle Wiederverwertung. Das Motto dabei: Drehen und wenden statt verschwenden. Ein Beispiel ist der Weinständer „Winio“, hergestellt aus Resten, die bei der Produktion des Hockers „Falon“ anfallen. Acht kleine Elemente mit jeweils drei runden Öffnungen bieten ineinandergesteckt Platz für sechs Flaschen. Genial.

Doch was wäre ein Möbellabel ohne einen Stuhl im Sortiment? Er gehört einfach dazu. „Irgendwann hing dieser ,Fluch’ auch über uns“, sagt Malinowska augenzwinkernd. 2012 war es dann soweit: „Diago“ kam auf den Markt. Und avancierte prompt zum Wiedererkennungsprodukt von Tabanda. „Dieser Erfolg hat uns unglaublich viel Selbstbewusstsein gegeben“, sagt die Designerin.

Die Esstische von Tabanda werden aus Birkensperrholz gefertigt.
Die Esstische von Tabanda werden aus Birkensperrholz gefertigt.

© Tabanda

Wobei die Entwicklung ein ziemlich langwieriger und mühsamer Prozess gewesen sei. Sechs Monate und unzählige Prototypen habe es gebraucht, bis die Danziger die komplizierte Technologie dahinter ausgeklügelt haben. Heute kann der Kunde zwischen vielen „Diago“-Varianten wählen. Sitz und Lehne, die mit ihrer markanten Silhouette Origami-Faltungen ähneln, sind aus Aluminium gefertigt und in zehn Farben lieferbar. Bei Bedarf werden sie mit Filz oder Ökoleder bezogen. Der Stuhl hat zwei weitere Objekte nach sich gezogen: einen Bar- und einen etwas niedrigeren Küchenhocker.

„Die Auslandsaufenthalte haben uns den Kopf geöffnet“

„Designen ist für uns immer eine Belohnung“, sagt Malinowska. Zumal jetzt, wo sich Tabanda von einer „Mikroidee“ zum prosperierenden Unternehmen entwickelte und die Aufgaben mehr wurden. Doch die Rollen sind fair verteilt: Megi Malinowska kümmert sich um PR, Marketing und Verkauf. Filip Ludka, mit seinem unersetzlichen Talent, Fördermittel zu beschaffen, waltet über die Finanzen. Und Tomek Kempa ist verantwortlich für „den Ort, an dem die Magie passiert“ – er überwacht die Produktion.

Verdreht. Couchtisch "Mobiush" wurde von dem berühmten Möbiusband inspiriert.
Verdreht. Couchtisch "Mobiush" wurde von dem berühmten Möbiusband inspiriert.

© Tabanda

Das Designen selbst bleibt aber ein kreatives Chaos, an dem sich natürlich alle beteiligen. „Wir arbeiten gern als Gruppe zusammen“, sagt Malinowska. Eine eingespielte Bande eben. Das erklärt auch den Namen des Labels: „ta banda“ heißt auf Deutsch „die Bande“. Das Geheimnis dahinter: Sie sind nicht nur Geschäftspartner, sondern auch gute Freunde. Schon an der Uni in Danzig – alle drei haben dort Architektur und Urbanistik studiert – hatten sie einen guten Draht zueinander und teilten dieselben Leidenschaften: die Lust am Werkeln und den Sport. Das Kitesurfen und die Ausflüge in die Berge zum Skifahren und Snowboarden schweißten sie zusammen. Während des Studiums gab es auch Stationen im Ausland. Ludka studierte für ein Jahr in Grenoble. Kempa und Malinowska an der Westminster School of Architecture in London. „Wir wollten schauen, was im Ausland los ist und Neues lernen“, sagt Malinowska. „Die Auslandsaufenthalte haben uns den Kopf geöffnet“.

Polnisches Design boomt

Formschön. Die Gefäße aus der Keramikserie „Birds“ sind in sanften Naturtönen gehalten.
Formschön. Die Gefäße aus der Keramikserie „Birds“ sind in sanften Naturtönen gehalten.

© Tabanda

Kurz vorm Ende der Studienzeit, als die Frage „Was kommt danach?“ immer dringlicher wurde, entschieden sie sich, Architektur zugunsten von Gestaltung zu tauschen. Gebäude zu entwerfen sei eine langfristige Angelegenheit. „Da stand uns unsere Ungeduld im Weg“, sagt Malinowska. Also doch lieber Möbel entwickeln, dachten sich die passionierten Tüftler. So weit sei das ja nicht voneinander entfernt. Ob man ein Haus plant, oder einen Hocker: „Die Herangehensweise an den Entwicklungsprozess ist im Prinzip ähnlich“, erzählt sie.

Was Tabanda dabei antreibt, ist die Neugier. Sie experimentieren gern mit neuen Materialien und lassen sich von der Natur inspirieren. Ein Beispiel ist die Keramikserie „Birds“. Die Farben und Formen der Becher, Schalen und Eierbecher wurden in Zusammenarbeit mit dem Warschauer August Design Studio entfaltet. Auch das war kein Zufall. „Es ist für uns enorm wichtig, dass unsere Ideen lokal und regional umgesetzt werden“, sagt Megi Malinowska.

„Wir leben an einem strategischen Ort“

Dabei kann sich Tabanda durchaus glücklich schätzen. „Wir leben an einem strategischen Ort was die Möbelherstellung angeht“, findet die Danzigerin. In ganz Polen gebe es massenweise Fabriken, die das Know-how haben und tolle Arbeit in top Qualität abliefern. Das Land ist laut Statistiken der größte Möbelproduzent in Europa, und einer der „Big Players“ in der Welt. „Das wird leider oft verschleiert, denn viele Firmen produzieren nicht unter eigenem Namen, sondern für ausländische Brands“, sagt Malinowska. Auch polnische Designer blieben lange im Hintergrund. Nun ändert sich das.

Eckig. Die Leuchte "Lampania" aus zwei Aluminiumschirmen kann hängen oder liegen.
Eckig. Die Leuchte "Lampania" aus zwei Aluminiumschirmen kann hängen oder liegen.

© Tabanda

„Gerade gibt es in Polen einen regelrechten Boom auf Designs der Fünfziger- und Sechzigerjahre“, sagt Malinowska. Alles begann 2011 mit der Ausstellung „Wir wollen modern sein“ im Nationalmuseum Warschau. Gezeigt wurden Möbel, Keramikobjekte, Beleuchtung. „Das hat uns umgehauen“, erinnert sich Malinowska. „Trotz gigantischer Schwierigkeiten – es fehlte an Geld, Material, Technologie und Verständnis – haben die Designer damals unfassbare Dinge geschaffen.“

Ein Faible für clevere Konstruktionslösungen

„Napka“ sei ein Möbel quasi aus dieser Zeit. Es kann als Sitzgelegenheit im Flur stehen oder in ein Bett umfunktioniert werden: Die Lehne aus Stahlröhrchen raus, Kissen auf die Holzablage rauf, fertig. Und wieder kam ein neuer Werkstoff zum Einsatz: Massivholz.

Abgerundet. "Napka" macht sich als Sitzmöbel oder als Bett nützlich. An der Wand das Regal "Dynks"
Abgerundet. "Napka" macht sich als Sitzmöbel oder als Bett nützlich. An der Wand das Regal "Dynks"

© Tabanda

Überhaupt haben die Danziger ein Faible für Material-Mix. Wie bei der Leuchte „Lampania“. Hier kombinierten sie einen schlichten Aluminiumschirm mit Details aus Sperrholz. „Seit Kurzem erforschen wir die Rohrbiegtechnik“, sagt Malinowska. Eine tolle Möglichkeit für einfache Konstruktionslösungen. Ein cleveres Möbel ist auch „Dynks“, ein Regal zum Selberbauen. Der Trick: Die Module kann man dank kleiner Verbindungselemente beliebig zusammenstecken. Wie nennt man sie? Einfach „Dings“ oder „dynks“, wie die Danziger sagen.

Aktuell geht es in der Werkstatt von Tabanda wuselig zu. Das Trio bereitet sich vor für die Messe imm cologne 2019. Dort rücken sie mit einer ganzen Palette neuer Produkte an. Wer nicht so lange warten will, findet die Tabanda-Möbel auch im Berliner Concept Store „ No Wódka“.

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