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Trägt keine Uhr. Autor und Ex-Tagesspiegel-Redakteur Thomas de Padova.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wissenschaftssalon: Die Erfindung der Zeit

Was ist das, die Zeit? Und warum haben wir immer das Gefühl, wir hätten keine? Thomas de Padova stellt am 17. Februar im Tagesspiegel-Wissenschaftssalon sein Buch über „Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit“ vor.

Wissenschaftssalon mit Thomas de Padova am 17. Februar

„Mein Gott, seht her, wie albern und kindisch ich bin!“ Samuel Pepys, Marinebeamter im London des 17. Jahrhunderts, vertraute seinem Tagebuch alles an. Auch seine jüngste Marotte: „Ich kann es mir nicht verkneifen, meine neue Uhr den ganzen Nachmittag in der Kutsche in meiner Hand zu halten und hundertmal nachzuschauen, wie spät es ist!“

Seine gerade gekaufte Uhr ist viel genauer als alle Zeitmessgeräte, die er vorher kannte: Sie misst nicht nur Stunden oder Viertelstunden, sondern hat einen eigenen Zeiger für die Minuten. Und sie ist tragbar! Pepys muss nun nicht mehr zur Kirchturmuhr hochblicken, auf den Glockenschlag lauschen, eine Sonnenuhr oder eine der seltenen Standuhren aufsuchen: Die Uhr ist immer bei ihm. Und wie heutige Smartphone-Nutzer, die den Blick nicht mehr vom Bildschirm wenden können, kommt der Londoner Beamte 1665 zu dem Schluss: „Ich bin geneigt zu sagen: Wie konnte ich nur so lange ohne sie auskommen!“

Heute sind wir so sehr an die Omnipräsenz von präzise arbeitenden Uhren gewöhnt, dass wir uns eine Welt, eine Zeit ohne sie gar nicht mehr vorstellen können. „Wenn man Menschen fragt, was die Zeit ist, deuten sie auf ihre Uhr“, sagt Thomas de Padova, langjähriger Wissenschaftsredakteur des Tagesspiegels und Sachbuchautor. „Für uns ist es selbstverständlich, die Zeit in Sekunden, Minuten, Stunden zu messen.“

Früher war das Zeitempfinden vom Sonnenstand geprägt

Dass man früher in ganz anderen Zeitkategorien dachte – „Morgengrauen“, „Dämmerung“, „Kerzenanzünden“ – , dass man die Zeit im Schlagen der Kirchturmglocken eher hörte als sah, ist den wenigsten bewusst. Wir haben uns sehr weit entfernt vom Zeitempfinden früherer Epochen, das vom Sonnenstand und der Abfolge der Jahreszeiten geprägt war, von natürlichen, sinnlich erfahrbaren, wechselnden Rhythmen statt vom immergleichen Ticken der Uhr.

Was ist das also, die Zeit? In seinem neuen Buch „Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit“ (Piper Verlag, 326 Seiten, 22,99 Euro), das er am 17. Februar im Tagesspiegel-Salon vorstellen wird, nähert sich Thomas de Padova dem Phänomen „Zeit“ aus vielen Blickwinkeln. Er verwebt die Geschichte der Zeitmessung mit den Biografien zweier herausragender Denker: Sowohl der englische Physiker und Mathematiker Isaac Newton (1642-1727) als auch der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) beschäftigten sich intensiv mit Fragen der Zeit, praktisch, mathematisch, astronomisch und philosophisch.

Die Lebenszeit von Newton und Leibniz war die Epoche, in der die Zeitmessung in den Alltag der Menschen eindrang, das 17. Jahrhundert war im Wortsinne der Beginn der „Neu-Zeit“, einer beschleunigten Moderne. Der Wandel vollzieht sich zuerst in London, Paris und Amsterdam, den großen Handelsmetropolen. Hier arbeiten Wissenschaftler mit Uhrmachern zusammen, um immer bessere Geräte zu entwickeln und damit das Ineinandergreifen der frühkapitalistischen Arbeitsabläufe zu optimieren.

„Wissenschaft gründet auf Alltagskultur und wirkt auf sie zurück“, sagt der studierte Physiker Thomas de Padova, der bereits ein Buch über Johannes Kepler und Galileo Galilei („Das Weltgeheimnis“, Piper) und mehrere populärwissenschaftliche Werke geschrieben hat. „Gerade bei der Zeitmessung zeigt sich, wie sich das tägliche Leben durch wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Neuerungen verändert.“

Plötzlich konnten Arbeitszeiten genau bestimmt werden; Sportler konnten „gegen die Zeit“ laufen und Rekorde aufstellen, während sie vorher nur gegen konkrete Konkurrenten gewinnen konnten; und in Universitäten und Kirchen wurde die Dauer des Unterrichts oder der Predigt nicht mehr mit der Sanduhr begrenzt, sondern mit dem Blick aufs Ziffernblatt.

Zwei bahnbrechende Erfindungen fielen in diese Jahre: Der Niederländer und Naturforscher Christiaan Huygens erfand 1657 zuerst die Pendeluhr, die die Zeitmessung um das Zehn- bis Hundertfache genauer machte, und wenig später auch die „Unruhspirale“, das Herzstück aller mechanischen Taschenuhren, die es ermöglichte, Uhren herumzutragen.

In seinem faszinierenden Buch schlägt Thomas de Padova einen großen Bogen von der Alltags- und Technikgeschichte über das Denken Newtons und Leibniz' bis hin zu Einsteins Relativitätstheorie. Während Newton von einer „absoluten, wahren und mathematischen“ Zeit ausging, hielt Leibniz – ähnlich wie später Einstein – die Zeit für „etwas rein Relatives“, für ein Bewusstseinsphänomen.

Dem normalen „Zeit“genossen ist ein anderes Problem womöglich wichtiger: dass er immer zu wenig oder keine Zeit hat. Auch dieser Eindruck hängt mit der perfektionierten Zeitmessung zusammen: Je genauer wir unsere Zeit takten, desto mehr Ereignisse packen wir in sie hinein. „Wir haben das Gefühl, dass ,die Zeit' rennt. Dabei sind es nur die Zeiger unserer Uhr, die rennen“, sagt Thomas de Padova. Selbst trägt er übrigens keine Uhr – und ist trotzdem meistens pünktlich. Wie das geht? De Padova lacht. „Ich habe ein gutes Zeitgefühl.“

BUCHVERLOSUNG

Wir verlosen Bücher: Schicken Sie bis zum 24.1. eine Mail an veranstaltungen@tagesspiegel.de oder eine Karte an Der Tagesspiegel, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin, Stichwort: Zeit.

Zeitung im Salon mit Thomas de Padova, Montag, 17. Februar, Beginn 19 Uhr, Askanischer Platz 3. Eintritt inklusive Sekt und Snack 15 Euro, Anmeldung unter Tel. 29021-520 oder hier.

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