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In die Ferne versetzt. Im hohen Alter saß Alexander von Humboldt in Berlin, nicht vor Bergen – aber der Maler hat ihn publikumswirksam so platziert.

© Juan Trujillo

Zeitung im Salon am 12. April: Ein freier Radikaler

Von Tegel in die neue Welt und zurück: Alexander von Humboldt hatte ein "vielbewegtes Leben". Rüdiger Schaper, Feuilleton-Chef des Tagesspiegels, stellt seine neue Biografie vor.

Das Glück wohnt in der Staatsbibliothek, und es ist ein Stück Papier, fest und eng beschrieben: die amerikanischen Reisetagebücher Alexander von Humboldts. Diese Blätter, die der Naturforscher am Ufer des Orinoco und im Hochland der Anden mit Notizen, Skizzen, Zeichnungen gefüllt hat, die Ozeane überquert haben und durch den Dschungel geschleppt wurden, sie lagern in der Berliner Staatsbibliothek, neun Bände, 4000 Seiten, in Leder gebunden. Und diese wertvollen, unersetzlichen Papiere darf man in die Hand nehmen?

"Frisch geblieben mit 200 Jahren"

Rüdiger Schaper, Tagesspiegel-Feuilletonchef und Autor einer neuen Biografie Humboldts, durfte es, zum Abschluss seiner mehrjährigen Recherche über den berühmten „Preußen und die neuen Welten“, wie es im Untertitel seines Buchs heißt. Und es war ein Glücksgefühl, „ein Erlebnis wie der erste Flug oder der Anblick des Taj Mahal“. Humboldt hat mehrsprachig geschrieben, deutsch, französisch, englisch, spanisch, er hat später noch Zettel eingeklebt, verbessert, ergänzt. „Diese Blätter haben heroischen Charakter, sie haben Augen“, schreibt Schaper. „Frisch sehen sie aus, jung geblieben, unternehmungslustig mit ihren über zweihundert Jahren.“

Frisch geblieben sind auch die Ideen ihres Autors, dessen 250. Geburtstag im September 2019 gefeiert werden wird. Rüdiger Schaper jedenfalls sieht ihn als „frühen Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts“, er wirke wie ein „freies radikales Element“, ein „Abgesandter der Zukunft“. In seinem Drang, Daten zu sammeln, global zu vergleichen, Natur und Kultur zusammenzudenken, die Welt in allen ihren Erscheinungen zu erforschen und dieses Wissen zu popularisieren, erscheint Humboldt modern. Wie sehr, darüber wird Rüdiger Schaper im Tagesspiegel-Salon am 12. April diskutieren, zusammen mit Barbara Schneider-Kempf, der Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin und somit Verantwortlichen für die kostbaren Tagebuch-Bände, und mit Gereon Sievernich, früher Leiter des Martin-Gropius-Baus und künftig Kurator des Hauptstadtkulturfonds. Die Moderation des Abends übernimmt Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff.

So viel Poesie, so viel sprachliche Schönheit

Die Humboldt-Biografie ist nicht Schapers erstes Buch, er hat unter anderem eine Biografie Karl Mays und eine Geschichte des Theaters geschrieben. Aber bei diesem Buch habe er am meisten gelernt. „Es war wie ein zweites Studium“, sagt er. Und eine persönliche Bereicherung: „Auch mir haben Bücher als Kind den Weg in die Welt gezeigt.“ Für Naturwissenschaft habe er sich damals zwar kaum interessiert. „Aber wenn man Alexander liest, sieht man, dass Geistes- und Naturwissenschaft kein Widerspruch sein müssen. Er schreibt mit so viel Poesie, so viel sprachlicher Schönheit über die Natur, dass er sehr viele Menschen anspricht.“ Es sei eine Verkürzung, wenn Daniel Kehlmann in seinem Roman „Die Vermessung der Welt“ Humboldt als reinen Mess-Freak darstelle. Der von Zeitgenossen als sehr eloquent und gewinnend beschriebene Humboldt habe stets einen ganzheitlichen Zugang zur Natur gepflegt: „Er kultiviert die berechnende Bewunderung und die bewundernde Berechnung.“

Es gibt bereits viele Biografien Humboldts, teils nicht mehr lieferbar, teils neu wie der Bestseller von Andrea Wulf „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“. Aber Schaper hat naturgemäß seinen ganz eigenen Blick und eine eigene Gewichtung. Er gibt etwa der Beschreibung von Humboldts Alter in der ungeliebten Heimatstadt Berlin – der Gelehrte überlebte seinen Bruder Wilhelm um fast ein Vierteljahrhundert, er starb 1859 mit fast 90 Jahren – viel Raum, erzählt ausführlich von Alexanders Aufenthalt in den USA mit Präsident Thomas Jefferson und widmet dem sonst häufig ausgesparten Thema seines Privatlebens ein eigenes Kapitel. Humboldt blieb lebenslang unverheiratet, hatte aber enge Beziehungen zu Männern.

Sein – unvollendetes – Hauptwerk sind die fünf Bände des „Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“, die ab 1845 erschienen. Schaper hat antiquarisch Originalausgaben erworben. Sie sind weitaus kleiner als der kiloschwere Nachdruck aus der „Anderen Bibliothek“ von 2004. Um diese Bände haben sich die Leser damals „wahre Schlachten“ geliefert. „Wenn man die Originale in den Händen hält, versteht man, warum er so populär war“, sagt Schaper. Noch so ein Glücksgefühl.

BUCHVERLOSUNG

Wir verlosen Exemplare des Buchs. Mitmachen können Sie bis zum 26. März hier, Stichwort Salon.

Zeitung im Salon mit Rüdiger Schaper, G. Sievernich, Barbara Schneider-Kempf und Stephan-Andreas Casdorff. 12. April, 19 Uhr, Eintritt 18 Euro inkl. Sekt und Snack, zur Anmeldung.

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