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Vorbei. Über Verstorbene nachdenken, heißt auch: über sich nachdenken.

© Doris Klaas

Zeitung im Salon am 28. April: Zehn Fragen auf Leben und Tod

Wie kurz das Leben ist, merken die meisten Menschen erst, wenn es zu spät ist. Was bleibt? Die Nachruf-Autoren Gregor Eisenhauer, Tatjana Wulfert und Thomas Loy beantworten im Salon die Frage, worauf es wirklich ankommt.

Was für ein Job: Nachrufe-Schreiber. Das Leben von Verstorbenen in Texten würdigen – wie macht man das, was lernt man dabei? Nein, es geht hier nicht um berühmte Tote, um Politiker, Sänger, Nobelpreisträger, deren Nachrufe überall in den Medien zu lesen sind. Es geht um Nachrufe auf normale Menschen: Die gibt es in Deutschland nur im Tagesspiegel. Jeden Freitag erscheinen zwei bis drei Porträts von kürzlich Verstorbenen auf der Nachrufe-Seite. Berliner, die mit 96 oder schon mit 18 gestorben sind, die Bombenhagel oder nicht einmal den Mauerfall erlebt haben, die in Steglitz, Danzig oder Anatolien geboren wurden. Leben, zusammengefasst in 150 Zeilen.

Wen haben Sie heute glücklich gemacht?

Nachrufe-Schreiber: Das ist ein Job, der zum Nachdenken über Leben und Tod anregt, ein Job, der den Autor, die Autorin selbst verändern kann. Der Schriftsteller Gregor Eisenhauer hat vor 13 Jahren mit den Nachrufen angefangen, auf Anregung von Tagesspiegel-Redakteur David Ensikat, der die Seite betreut. Durch die bisher rund 250 Gespräche, die Eisenhauer mit Hinterbliebenen geführt hat, hat er so viel gelernt, so viel nachgedacht, dass er ein ganzes Buch darüber schreiben konnte: „Die zehn wichtigsten Fragen des Lebens, in aller Kürze beantwortet“ (Dumont Verlag, 254 Seiten, 18 Euro).

Darin reflektiert der studierte Philosoph auf leicht lesbare Weise über das, was uns im Leben wichtig sein sollte, er flaniert durch die Stadt und sein eigenes Denken, webt Ausschnitte aus Nachrufen ein und stellt dem Leser viele Fragen: Mit wem möchten Sie die letzte Stunde Ihres Lebens verbringen? Welche Erinnerungen sollen Ihre Liebsten von Ihnen bewahren? Wen haben Sie heute glücklich gemacht? Denn was ein Nachrufe-Autor täglich erfährt, das verdrängen die meisten anderen Menschen: „Wie kurz das Leben ist, fällt den meisten erst viel zu spät auf“, schreibt Eisenhauer. Und manchem fällt auch erst nach dem Tod eines Familienmitglieds oder Ehemanns auf, wie wenig sie eigentlich über ihn wissen.

Die Nachrufe-Autoren machen in ihren Gesprächen mit den Hinterbliebenen ganz unterschiedliche Erfahrungen. Gregor Eisenhauer etwa findet erstaunlich, dass dabei „selten geweint“ wird. Tatjana Wulfert dagegen, ebenfalls seit vielen Jahren Nachrufe-Autorin, erzählt: „Wenn ich mit den Hinterbliebenen spreche, wird oft geweint.“ Nachrufe schreiben ist eben sehr individuell, von der Gesprächsführung bis hin zum fertigen Text. Jeder Autor gibt seinem Text einen eigenen Ton. „Da ist eine eigene literarische Gattung entstanden“, findet Eisenhauer.

"Das größte Tabu ist Alkoholismus"

Meistens, aber nicht immer gefällt den Hinterbliebenen, was Gregor Eisenhauer, Tatjana Wulfert oder andere Autoren über ihre Liebsten schreiben. Grundsätzlich bekommen die Angehörigen den Text vor der Veröffentlichung zur Autorisierung vorgelegt. Und es gibt Fälle, in denen etwa eine Mutter enttäuscht ist, dass ihr Kind nicht so strahlend, begabt, schön dargestellt wurde wie sie es selbst in Erinnerung hat. Über die „Wahrheit“ kann man da nicht streiten. „Es ist auch nicht unser Anspruch, den Wahrheitsgehalt der Aussagen von Angehörigen zu überprüfen“, sagt Eisenhauer. Die Autoren halten sich daran, wenn Angehörige bitten, etwa die Todesursache nicht zu erwähnen. „Das größte Tabu ist der Alkoholismus“, hat Tatjana Wulfert festgestellt.

Im Tagesspiegel-Salon am 28. April wird Gregor Eisenhauer aus seinem Buch lesen und mit Tatjana Wulfert und Thomas Loy, Tagesspiegel-Redakteur und ebenfalls Nachrufe-Autor, über all die Sinn- und Lebensfragen sprechen, die aus der häufigen Konfrontation mit dem Tod und der Trauer erwachsen. Im besten Falle ergibt sich aus dieser Konfrontation ein gereifter, dankbarer Blick auf das Leben.

Eisenhauer empfiehlt übrigens seinen Lesern, auch einen Nachruf zu schreiben: auf sich selbst. Drei Seiten. Was soll von Ihnen bleiben? Eine Frage, die nur Sie selbst beantworten können.

BUCHVERLOSUNG

Wir verlosen Exemplare des Buchs. Teilnahme unter www.tagesspiegel.de/gewinnen mit dem Stichwort „Salon“ oder per Postkarte an Der Tagesspiegel, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin, bis zum 22. März.

Zeitung im Salon mit Gregor Eisenhauer, Thomas Loy und Tatjana Wulfert. Dienstag, 28. April, 19.30 Uhr, Askanischer Platz 3, Eintritt inkl. Sekt und Snack 16 Euro, zur Anmeldung.

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