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Anti-ideologischer Furor: Harald Martenstein.

© picture alliance / dpa

Zeitung im Salon mit Harald Martenstein: In der Tabuzone

Für manche ist er eine Art Held, für andere ein Feindbild: Harald Martenstein stellt im Tagesspiegel-Salon seinen neuen Kolumnenband vor - und erklärt, warum er nicht nett sein will.

Es gibt sie tatsächlich, die Webseite „Cats that look like Hitler“. Irgendein Spaßvogel hat sie ins Netz gestellt und präsentiert darauf Fotos von Katzen, die mit schwarzen Schnauzbärtchen von fern an den deutschen Diktator erinnern. „Haben auch Sie eine Katze, die wie Adolf Hitler aussieht?“, fragt der Spaßvogel, „streckt Ihre Katze auch immer die rechte Pfote in die Luft und macht dabei ein Geräusch, das verdächtig nach ,Sieg Miao’ klingt?“ ,Kitler’ nennt er seine Lieblinge. Das finden manche Leute doof, wie die Kommentare zeigen. Aber die Seite hat auch viele Fans.

Harald Martenstein zum Beispiel. „Ich mag diesen bizarren Humor“, sagt er. Mehr als das: Er hat eine Kitler-Katze für das Cover seines neuesten Kolumnenbandes ausgewählt. Ihre Schnauze ist ein Schnauzer, sitzt schwarz mitten im weißen Katzengesicht, und sie guckt, Zitat aus der Webseite, „als würde sie gleich Polen überfallen“. Nett sieht sie jedenfalls nicht aus. Aber Nettsein, so lautet ja der Titel des Buchs, „ist auch keine Lösung“.

Von der Schwierigkeit, Nein zu sagen

Mehr als 60 „einfache Geschichten aus einem schwierigen Land“ hat Martenstein für das Buch zusammengestellt, Kolumnen, die im ZEIT Magazin oder im Tagesspiegel erschienen sind. Sie handeln teilweise von seinem persönlichen Leben, etwa von der Schwierigkeit, Nein zu sagen, im Frühjahr den Kleiderschrank auszumisten oder mit Hilfe von To-do-Listen Ordnung ins Chaos des Lebens zu bringen. Witzige Texte, in denen sich viele Menschen wiederfinden und die den allermeisten gefallen dürften.

Einige Kolumnen allerdings haben sehr kontroverse Reaktionen ausgelöst. Martenstein nimmt dazu auch explizit Stellung. Seit einigen Jahren, schreibt er im Vorwort, „bin ich für manche ein Feindbild geworden, für andere eine Art Held, seit ich mich zu Themen wie Gender, politische Korrektheit und Feminismus äußere und mich über einige Aspekte dieser Ideologien lustig mache.“ Anfangs habe er gar nicht gewusst, welche „Tabuzone“ er mit Spötteleien etwa zu Gleichstellungsbeauftragten  oder Transgender-Toiletten betrete. Seitdem müsse er jedenfalls mit dem Anwurf leben, er sei ein Rechter.

"Anti-ideologischer Furor"

Dabei sieht sich Martenstein selbst eher als Liberalen, als Aufklärer, der an allen vorgeblichen Wahrheiten zweifelt. Er spricht von seinem „anti-ideologischen Furor“, der sich gegen alle richte, die ihre eigenen Lebens- und Denkweisen für die einzig akzeptablen halten – Kennzeichen eines „neuen Spießertums“, wie er findet. „Wer Kritik und Spott nicht aushält, muss in einer offenen Gesellschaft dringend desensibilisiert werden“, schreibt Martenstein.

Was Leser über die Kolumnen aus ZEIT und Tagesspiegel denken, zeigt sich am deutlichsten in den Online-Kommentaren – normalerweise nur im Netz zu finden. Für das neue Buch greift Martenstein zu einem originellen Mittel, um einen Eindruck von den Debatten zu vermitteln: Unter vielen Kolumnen sind jeweils ein oder zwei Leserkommentare abgedruckt. Mal sind sie zustimmend, mal weiterführend, mal aber auch bitterböse: „Martenstein ist der Prototyp des privilegierten Ignoranten“, findet etwa Townsville. „Dem Hofnarren der Schnöselschicht Martenstein ist auch wirklich nichts zu blöd“, ereifert sich Sofnod. Und Schmoddermonster fragt sich und die Mitleser: „Irgendwie kommt mir der text bekannt vor, gabs den nicht schon vorn paar wochen mal?“ Aus der Kombination von Kolumnen und Kommentaren entsteht ein ganz eigener Witz.

Gereizte Reaktionen

Nicht nur auf politische Themen reagieren einige Leser gereizt, auch die Tatsache, dass Martenstein im fortgeschrittenen Alter noch einmal Vater geworden ist, glauben manche Menschen bewerten zu müssen. „Hach, wenn alle so narzisstisch wären wie Sie, wäre die Welt wirklich kaum zu ertragen“, schreibt cherrypicker. Aber Martenstein will sich über unfreundliche Reaktionen nicht beschweren. „Das wäre selbstmitleidig. Ich stehe nicht mehr unter Beschuss als andere Autoren, die auch mal gegen den Mainstream schreiben, etwa Broder oder Augstein. Damit kann ich umgehen.“  Mit dem Thema „politische Korrektheit“ werde er auch „irgendwann durch sein“. Um abzuwechseln. Nicht aus Nettigkeit! Das wäre ja keine Lösung.

Zeitung im Salon mit Harald Martenstein, Dienstag, 10. Mai 2016, Beginn 19 Uhr, zur Anmeldung.

BUCHVERLOSUNG

Wir verlosen Exemplare des Buchs. Mitmachen können Sie unter www.tagesspiegel.de/gewinnen, Stichwort „Salon“, oder Sie schreiben eine Postkarte an Der Tagesspiegel, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin, Stichwort Salon, bis zum 24.April.

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