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 Lykka Maibaum, Frank Sieste, Kristin Schnabel (v.l.) arbeiten in ihrer Freizeit ehrenamtlich für das Gemeinwohl: Maibaum als Sporttrainerin, Sieste für den Vogelschutz und Schnabel beim DRK.

© Gestaltung: Tagesspiegel | Fotos: Stephanie Steinkopf, NABU Berlin/Corinna Dollenmayer, Matthias Matern

Sportverein, Vogelschutz, Kleiderkammer: Drei Berliner Ehrenamtler berichten, was sie antreibt

28,8 Millionen Menschen in Deutschland setzen sich in ihrer Freizeit für das Gemeinwohl ein – Tendenz steigend. Warum sich so viele für einen guten Zweck engagieren.

Stand:

Ob Sportverein, Suppenküche oder Naturschutzverein – kaum ein organisiertes Engagement für das Gemeinwohl wäre denkbar ohne ehrenamtliche Helfer. 28,8 Millionen Menschen in Deutschland setzen sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums in ihrer Freizeit für das Gemeinwohl ein – das sind rund 40 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren. Insgesamt überwiegt dabei leicht der Anteil der Männer mit gut 40 Prozent. Gut 39 Prozent sind Frauen.

Wer sich ebenfalls ehrenamtlich engagieren will, sollte sich zunächst fragen, wofür er sich interessiert, ob er sich in einer Organisation oder eigenständig engagieren will und wie viel Zeit er aufwenden kann. Für den Erstkontakt empfiehlt das Ministerium die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE). Warum sie sich dafür entschieden haben, ihre kostbare Freizeit dem Gemeinwohl zu schenken, haben wir drei Berliner Ehrenamtler gefragt.


Frank Sieste pflegt ein Vogelschutzreservat

Frank Sieste bei der Verleihung des Berliner Naturschutzpreises

© Frank Sieste

Den meisten Berlinern dürfte der Flughafensee vor allem als Badegewässer bekannt sein. Doch jenseits des Strandes gibt es auch ein Vogelschutzreservat. Frank Sieste und seine Arbeitsgruppe im Naturschutzbund (Nabu) kümmern sich um den Erhalt dieses Biotops. „Es ist ein wunderbarer Ort“, erzählt der gebürtige Berliner, „dort gibt es Trockenrasen, Tümpel, Steilwände.“

Aus der Vielfalt an Lebensräumen resultiert eine große Artenvielfalt. Besonders gefreut hat Sieste, dass der Wiedehopf – Vogel des Jahres 2022 – dort wieder brütet, wie auch die Zwergdommel. Rohrsänger, Drossel und Eisvogel fühlen sich ebenfalls wohl am Flughafensee, der früher eine Kiesgrube war. „Würden wir das Gebiet sich selbst überlassen, wäre es innerhalb weniger Jahre ein Pappel- und Birkenwald. Auch schön, aber es gäbe nicht diese Artenvielfalt. Und die ist ja bekanntlich immer stärker bedroht“, sagt Sieste.

Mit einer Säge, die an einer Teleskopstange befestigt ist, entfernt Frank Sieste Äste, damit Besucher von außen Einblicke ins Vogelreservat am Flughafensee haben und es dadurch mehr wertschätzen.

© Frank Sieste

Also ziehen er und die 20 Freiwilligen seiner Arbeitsgruppe – der harte Kern besteht aus zehn Mitgliedern – los und entfernen Gehölze, seit einigen Jahren auch unterstützt von einer Schafherde, die Laub, Eicheln und einige Triebe verspeist. Mit einer Teleskopstange sägt er Äste ab, damit Besucher einen guten Blick von außen auf das Gebiet haben: „Wir wollen, dass die Menschen diesen Ort sehen können und dadurch auch wertschätzen“, sagt er.

Jetzt im Winter nimmt die Arbeit etwa zehn bis 15 Stunden die Woche in Anspruch, im Sommer können es bis zu 30 sein, „das wird dann schon ein richtiger Nebenjob“. Gut vereinbaren lässt sich das mit seiner Stelle in der Verwaltung von DHL. Frank Sieste, der kommendes Jahr seinen 60. Geburtstag feiert, stammt aus Wedding und hat sein ganzes Leben an verschiedenen Standorten in der Nähe des Flughafensees gewohnt, aktuell in Reinickendorf.

Engagiert – und natürlich auch Mitglied – beim Nabu ist er schon seit 1982. Damals dachte er sich: Es gibt so viele Lobbygruppen für alles Mögliche, nur die Natur hat keine richtige Lobby. Als er gefragt wurde, ob er in der Vogelschutzgruppe mitmachen will, sagt er gleich Ja – und blieb bis heute dabei, inzwischen als Leiter oder Sprecher der Gruppe.

Für seinen Einsatz wurde er im Juli dieses Jahres mit dem Berliner Naturschutzpreis der Stiftung Naturschutz ausgezeichnet, der Menschen ehrt, die mit Enthusiasmus am Werk sind und mehr tun, als sie müssten.


Lykka Maibaum trainiert junge Fußballerinnen

Lykka Maibaum wurde vom Landessportbund als Ehrenamtliche des Jahres im Berliner Sport ausgezeichnet.

© Stephanie Steinkopf

Ihr Vorname kommt aus dem Schwedischen und bedeutet „Glück“. Genau das empfindet Lykka Maibaum auch, wenn sie auf dem Fußballplatz des FSV Hansa 07 im Kreuzberger Wrangelkiez steht und die Juniorinnen ihres Vereins trainiert. Es sind Mädchen zwischen elf und 13 Jahren, „und zu sehen, wie viel Freude und Spaß ihnen das macht, das ist schon großartig.“

Eine Gemeinschaft entstehe dabei, erklärt die 19-Jährige, und sie als Trainerin würde auch eine Vorbildfunktion ausüben: „Gesellschaftlich sind wir ja inzwischen an einem Punkt, an dem Frauenfußball selbstverständlich geworden ist, auch wenn man sich schon noch manchmal dumme Sprüche anhören muss.“ Aber Trainerinnen? Die seien immer noch eine Seltenheit.

Lykka Maibaum war selbst 13, als sie vor sieben Jahren gefragt wurde, ob sie ehrenamtlich als Trainierin arbeiten möchte. Und sie blieb dabei, verbringt jetzt drei Mal die Woche jeweils zwei Stunden auf dem Platz, auch an den Wochenenden, dazu kommt der organisatorische Aufwand – es ist eine Menge Zeit, die sie aufbringt.

Lykka Maibaum trainiert elf bis 13-jährige Mädchen beim Kreuzberger Fußballverein FSV Hansa 07.

© Bassel Khayat

Vom Landessportbund wurde sie im Oktober auf den ersten Platz der Ehrenamtlichen des Jahres im Berliner Sport gewählt, das Preisgeld beträgt 1500 Euro, die Zeremonie fand im Roten Rathaus statt. „Mit Herzblut und unermüdlichem Einsatz zeigt Lykka beispielhaft, wie bei Empowerment, Mädchen-Förderung, Kiez-Kickings und Feriencamps neue Wege beschritten werden können“, hieß es zur Begründung.

Lykka Maibaum ist in Kreuzberg geboren und aufgewachsen. In diesem Jahr hat sie ihr Abitur an der Refik-Veseli-Schule in der Skalitzer Straße gemacht. Der Namensträger hat während der deutschen Besatzung Albaniens zwei jüdische Familien versteckt und wird von Israel als Gerechter unter den Völkern anerkannt.

Zurzeit absolviert sie ein Freiwilliges Soziales Jahr bei Lernort Stadion e.V., einem Verein, der in Berliner Stadien an spielfreien Tagen Unterricht, Workshops und Projekttage für sozial benachteiligte Jugendliche organisiert. Später kann sie sich vorstellen, zu studieren. Oder will sie vielleicht hauptberuflich Trainerin werden? „Das weiß ich noch nicht, bisher war das für mich vor allem ein toller Ausgleich zur Schule.“


Kristin Schnabel arbeitet beim Deutschen Roten Kreuz

Seit dem Sommer arbeitet Kristin Schnabel nach ihrem Vollzeitjob auch noch ehrenamtlich im Charlottenburger Rotkreuz-Laden.

© Matthias Matern

Wenn Kristin Schnabels Frühschicht bei Edeka Dienstagmittag endet, ist ihr Arbeitstag aber längst nicht vorbei. Dann macht sich die 37-Jährige auf den Weg zur Gotzkowskybrücke. Neben ihrem Vollzeitjob an der Fleisch- und Wursttheke im Supermarkt arbeitet Schnabel rund sieben Stunden die Woche ehrenamtlich für das Deutsche Rote Kreuz (DRK).

Immer dienstags hilft die Ehrenamtlerin in der Kleiderkammer des DRK, sortiert neu abgegebene Jacken, Hosen und Pullover, prüft, was noch verwendbar ist. „Ich habe eine Arbeit, eine Wohnung, mir geht es gut. Ich möchte einfach Menschen etwas Gutes tun, die es nicht einfach haben“, sagt die Charlottenburgerin. Gerade in der Kleiderkammer spüre sie ganz besonders die Dankbarkeit der Menschen, die ja meist bedürftig sind. „Die sind oft mega happy.“

In der Kleiderkammer engagiert sich Schnabel seit rund zwei Jahren. Seit diesem Sommer arbeitet sie zusätzlich noch zumeist donnerstags im Rotkreuz-Laden am Klausenerplatz. Auch dort muss gespendete Wäsche sortiert, zusammengelegt und außerdem ausgepreist werden. Mit den Einnahmen aus dem Laden werden soziale Projekte des DRK und das Frühchen-Projekt der gemeinnützigen Organisation unterstützt.

Für ihr Engagement bekommt Schnabel eine Aufwandsentschädigung. „Vor allem für die Fahrkarten und so“, sagt sie. Ohnehin ist ihr die Wertschätzung der Kunden Belohnung genug für ihr Engagement. „Gerade im Rotkreuz-Laden haben wir auch einige Stammkunden. Oft unterhält man sich ein wenig, fragt, wie es demjenigen geht“, berichtet die Helferin.

Kristin Schnabel sortiert im Charlottenburger Rotkreuz-Laden neu eingetroffene Kleiderspenden.

© Matthias Matern

Obwohl Schnabel ledig und kinderlos ist, verlangt das ehrenamtliche Engagement ihr im Alltag auch einiges an organisatorischer Leistung ab. Für sie ist das aber kein Problem. „Man gewöhnt sich irgendwie daran, kann trotzdem noch zum Sport gehen. Und vielleicht nutzt man die Zeit dadurch sogar strukturierter.“

Auf der Arbeit gebe es großes Verständnis für ihr Engagement, berichtet die junge Frau. „Wir müssen uns ja absprechen, zum Beispiel, dass ich dienstags immer den Frühdienst mache.“ Und auch im Freundeskreis finden alle ihre Arbeit für das DRK gut. „Nachahmer gibt es aber leider noch nicht“, sagt sie mit einem Schmunzeln.

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