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Restaurierung einer antiken goldenen Engelsstatue.

© Getty Images

Über den Tod hinaus: Wie man mit dem Nachlass dem Denkmalschutz hilft

Das Lebensende naht, es gibt keine Erben – manche Menschen vermachen ihr Vermögen dann testamentarisch der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Die kann damit viel Gutes bewirken.

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Schon Martin Luther war hier: Das Spalatinhaus in Torgau fungierte einst als Treffpunkt deutscher Humanisten und gilt als Keimzelle der Reformation in Sachsen. Erbaut wurde es 1492, dem Jahr der ersten Amerikareise von Columbus. Ab 1532 wohnte hier Georg Spalatin, ein aus der Nürnberger Gegend stammender Reformator und Historiker. In tiefsattem Blau leuchtet die Fachwerkfassade – wieder.

Denn gerettet und restauriert wurde das Haus, in dem sich heute eine Ausstellung dem Zusammenklang von Musik und Reformation widmet, erst vor einigen Jahren mit Mitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD), konkret: mit Mitteln aus dem Nachlass von Manfred Brüning. So erzählt es eine Broschüre der Stiftung.

Erstrahlt in frischen Farben: das Spalatin-Hauses in Torgau.

© Anette Mittring

Ja, das gibt es: Menschen, die sich dem Ende ihres Lebens nähern, können für den Denkmalschutz in Deutschland Gutes bewirken und testamentarisch verfügen, dass ihr Geld zur Restaurierung etwa von Häusern, Kirchen, Schlössern oder Industriedenkmälern eingesetzt wird.

Erbschaftssteuer entfällt

Eine sogenannte Testamentsspende kann gemeinnützigen Organisationen wie der DSD zugutekommen. Was bedeutet: In diesem Fall wird keine Erbschaftssteuer fällig, das Vermögen kommt ohne Abzüge dem gewidmeten Zweck zugute. Besitzer oder Träger von Denkmälern können dann bei der Stiftung Förderanträge stellen.

Dass ein Verstorbener verfügt, direkt ein bestimmtes Denkmal zu unterstützen, ist eher die Ausnahme. „Viel häufiger werden uns Mittel vermacht mit der Auflage, sie generell für Denkmäler in einem bestimmten Bundesland oder einer Stadt einzusetzen oder für eine Gattung von Gebäuden, etwa Barockkirchen in Bayern oder Dorfkirchen in Brandenburg“, erklärt Florian Klinkow, Leiter der Abteilung Förderer-Service bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Bonn.

Die Stiftung hat auch eine Niederlassung im Nicolaihaus in der Berliner Brüderstraße – das ebenfalls mit Mitteln aus Nachlässen restauriert worden ist.

Das Nicolaihaus (hier der Innenhof) in der Brüderstraße in Berlin-Mitte ist eines der letzten noch erhaltenen barocken Bürgerhäuser Berlins.

© Roland Rossner

Das Vorgehen ist sinnvoll, denn nicht immer kann man zu Lebzeiten absehen, ob ein bestimmtes Denkmal zum Zeitpunkt des eigenen Todes noch der Unterstützung bedarf. Außerdem ergibt sich mit dem Wegfall einer Zweckbindung die Möglichkeit, viel flexibler agieren zu können, etwa bei plötzlichen Ereignissen wie Flutschäden oder Bränden.

Die Aufgabe des fünfköpfigen Teams von Florian Klinkow besteht darin, den Kontakt zu möglichen Nachlassgebern zu pflegen. Dieser ist umfassend, sehr persönlich und auf lange Zeit angelegt. Das Ganze hat einen tief menschlichen Charakter.

Wir begleiten, aber beraten nicht oder üben gar Einflussnahme aus.

Florian Klinkow, Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Denn die Idee, das eigene Vermögen dem Denkmalschutz zu überlassen, kommt bei den meisten nicht plötzlich und aus dem Nichts. Viele der Nachlassgeber sind der Deutschen Stiftung Denkmalschutz über Jahre oder Jahrzehnte verbunden und empfinden sich, obwohl die Stiftung keine Mitgliedschaften anbietet, oft selbst als Mitglieder.

Florian Klinkow und sein Team des Testament-Service begleiten und betreuen diese Menschen langfristig und unterstützen sie in manchen Fällen auch bei alltäglichen Herausforderungen. Dabei spielen Diskretion, Rücksichtnahme und Fingerspitzengefühl eine große Rolle.

Florian Klinkow leitet die Abteilung Förderer-Service bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

© Deutsche Stiftung Denkmalschutz

„Wir begleiten, aber wir beraten nicht oder üben gar Einflussnahme aus“, sagt Florian Klinkow. Auf diese Weise kann ein tiefgründiges Vertrauen entstehen. „Wir sprechen mit den Menschen über das, was ihnen am Herzen liegt, und begreifen uns als Lösungsfinder.“

Von 10.000 Euro bis zu einer Million

Rund 30 Mal im Jahr kommt es vor, dass der Stiftung ein Nachlass vermacht wird. Dabei variieren die Beträge stark, es können 10.000 Euro sein, aber auch eine Million. Wenn jemand etwas gibt, hängt das nicht unbedingt von der Höhe des Vermögens ab, das er oder sie zu hinterlassen hat. Ausschlaggebend ist eher die persönliche Situation: Existieren Familie, Kinder, Erben – oder eben nicht?

Die Abteilung Förderer-Service bei der DSD wurde im Jahr 2000 eingerichtet, und zwar reaktiv: weil es Anfragen gab, weil ein Bedürfnis nach dem Thema vorhanden war. Viele von denen, die ihren Nachlass regeln wollen, erfahren heute von der Möglichkeit der Testamentsspende aus dem DSD-Stiftungsmagazin „Monumente“. Oder sie sind eben jahrelang an der Seite der Stiftung und wissen ohnehin, dass es diese Option gibt.

Viele Dorfkirchen profitieren

Ein bedeutendes Projekt der Stiftung, in das auch viele Gelder aus Nachlässen fließen, ist der Stiftungsfonds Dorfkirchen. 1993 wurde er eingerichtet, inzwischen beträgt der Kapitalstock 15 Millionen Euro, an Zinsen wurden im Laufe der Zeit 1,8 Millionen Euro erwirtschaftet. Über 100 Dorfkirchen in Ostdeutschland sind damit gefördert und restauriert worden. 2024 standen dafür rund 270.000 Euro zur Verfügung.

So konnte etwa in Brandenburg die Restaurierung der Dorfkirchen von Dargersdorf in der Uckermark (25.000 Euro) und Dannenwalde in Oberhavel (6000 Euro) unterstützt werden. Den Chor der Kirche von Riedebeck (Dahme-Spreewald) schmücken um 1480 entstandene Wandmalereien, die den auferstandenen Christus zeigen und zu den bedeutendsten in Brandenburg gehören. Sie lösen sich vom Mauerwerk, eine Spende zu ihrer Rettung liegt vor, die verbleibende Finanzierungslücke wird jetzt mithilfe des Dorfkirchenfonds geschlossen.

Die Restaurierung der Dorfkirche von Dargersdorf wurde mit Mitteln aus dem Dorfkirchenfonds unterstützt.

© Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Für die Identität eines Ortes spielen Dorfkirchen eine wichtige Rolle, selbst dann, wenn nicht mehr viele Gläubige dort leben. Denn die Kirchen ziehen auch Kulturinteressierte an. Zu DDR-Zeiten war es häufig schwierig, das nötige Baumaterial für den Unterhalt zu beschaffen, und wirklich geändert hat sich an dieser Situation auch 30 Jahre nach der Wende finanziell nichts.

In der Regel werden mit den Mitteln aus dem Stiftungsfonds die Außenmauern und Dächer restauriert, seltener die Ausstattung einer Kirche, also Kunstwerke, Bänke, Altäre. Denn wenn die bauliche Hülle bröckelt oder feucht ist, bringt auch die Wiederherstellung der Inneneinrichtung nichts.

Ein Beispiel zeigt, in welchem Spannungsfeld die Denkmalschützer operieren. Vor einigen Jahren warb die DSD mit einem Plakat, das ein Motiv aus der Ende des 16. Jahrhunderts errichteten Kirche von Klein Werther im thüringischen Landkreis Nordhausen zeigte: Ein steinerner Moses im biblischen Alter trägt die Kanzel auf seinem Rücken, links und rechts unterstützt von zwei Stahlträgern, die wie Gesellen neben ihm aufragen. Dazu der Spruch „Machen Sie’s dem Alten leichter“.

Mit diesem Plakatmotiv warb die Deutsche Stiftung Denkmalschutz um Unterstützung.

© DSD

Inzwischen ist der Moses dank des Dorfkirchenfonds restauriert und benötigt keine Unterstützung mehr. Doch Feuchtigkeit und Sulfate steigen nach wie vor aus dem Fundament auf und bedrohen unter anderem ein wertvolles Epitaph des Kirchenstifters Philipp von Werthern und seiner Frau Anna. Das Fundament muss dringend saniert und abgedichtet werden.

Wie jede Organisation benötigt auch der Denkmalschutz Nachwuchs. Und so fließen viele Nachlässe nicht nur in die Restaurierung von Objekten, sondern auch in die 16 Jugendbauhütten der DSD. Nach dem Vorbild mittelalterlicher (Dom-)Bauhütten können Jugendliche zwischen 16 und 26 Jahren hier ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren.

Dabei erlernen sie traditionelle Handwerkstechniken und spüren mit eigenen Händen, was es bedeutet, ein Mauerstück oder eine Fensterlaibung zu errichten oder eine Parkanlage zum Blühen zu bringen. Wo kann man schon einen Stuhl restaurieren, auf dem einmal Goethe gesessen hat?

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