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Stephan Bert Antczack ist als Weihnachtsmann unterwegs.

© Christian Rudolph

Antifaschistischer Weihnachtsmann: Niemand erlebt mehr Berliner Feiern als er

Seit über 20 Jahren ist Stephan Bert Antczack als Knecht Ruprecht unterwegs. An diesem Wochenende singt er außerdem auf dem Weihnachtsmarkt in Rixdorf ungewöhnliche Lieder.

Stand:

Der Weihnachtsmann ist rot, von außen und von innen. Im Herzen sei er Kommunist, sagt Stephan Bert Antczack. Und da ist es für ihn Ehrensache, antifaschistische Weihnachtslieder zu singen, zum Beispiel auf dem Rixdorfer Weihnachtsmarkt an diesem Wochenende.

Antczack nimmt sein goldenes Buch zur Hand, eines von geschätzt 10.000 Büchern in seiner Kreuzberger Erdgeschosswohnung, und hebt an: „Alle Jahre wieder / greifen die Nazis an / brennen alles nieder / in ihrem Rassen-Wahn. / Aber wir sind viele / und leisten Widerstand. Für demokratische Ziele / reichen wir uns die Hand“, so und ähnlich wird das am 6. und 7. Dezember am Stand des Bündnisses Neukölln zu hören sein, eines überparteilichen, multikulturellen Zusammenschlusses für Neukölln.

Im goldenen Buch: Lieder für den Rixdorfer Weihnachtsmarkt.

© privat

„Santa Stippi“, so sein Künstlername, lässt das Buch auf die Knie sinken und lacht, dass die Barthaare zittern – sein Bart, der jedes Jahr ab Juli wachsen darf und im Januar geschoren wird, hat schon wieder stattliche Ausmaße angenommen. Bis Weihnachten wird der haarige Bewuchs, dann weiß gefärbt, dem Vorbild in nichts nachstehen.

Das goldene Buch ist immer dabei: Stephan Bert Antczack in seiner Kreuzberger Wohnung.

© Dorothee Nolte

Dann wird der 59-Jährige, mit roter Jacke und breitem Ledergürtel über dem imposanten Bauch, wieder zehn bis zwölf Familien besuchen, seine Glocke läuten, „Hohoho!“ rufen und den Sack mit den Geschenken vom Rücken auf den Teppich wuchten.

Er wird das Buch mit dem goldenen Ledereinband öffnen und darin, neben Weihnachtsgeschichten und -liedern, die Notizen finden, die ihm die Eltern vorab zugesteckt haben: dass etwa die fünfjährige Christina „gerne mit Möbeln rückt“ und ihre Freundin Karla am liebsten blaue Vögel malt, dass die zehnjährige Lia eine Schildkröte hat und der 16-jährige Matthias einen „hohen Stromverbrauch“.

Er wird alle zum Lachen bringen und mit Großen und Kleinen Weihnachtslieder, wohlgemerkt in der klassischen Version, singen. Und nachdem er Dutzende bunt verpackte Gaben, jeweils mit launigem Kommentar zum Empfänger, ausgegeben hat, wird er ohne viel Gedöns verschwinden – „denn dann ist die Aufmerksamkeit nur noch bei den Geschenken“.

Kaum jemand in Berlin dürfte so viele private Weihnachtsfeiern miterlebt haben wie Stephan Bert Antczack: Seit über 20 Jahren ist der gebürtige Berliner als Knecht Ruprecht unterwegs, einige Jahre lang war er sogar „Oberweihnachtsmann“ und bildete die studentischen Heinzelmännchen-Weihnachtsmänner aus, die vom Studierendenwerk vermittelt wurden.

Überproportional vertreten waren und sind unter Weihnachtsmännern übrigens „Muslime und trockene Alkoholiker“, verrät er, also Menschen, die nicht den Drang haben, am 24./25. Dezember mit der Familie und mit Alkohol zu feiern.

Schnee bringt Stephan Bert Antczack nur noch sehr selten mit.

© privat

So viele Wohnungen hat Antczack schon gesehen, nicht nur als Weihnachtsmann, sondern auch in seinem Hauptberuf als „sozialpsychiatrische Krisen- und Bezugsbegleitung“ – er arbeitet für ein ambulantes Betreuungszentrum mit Psychiatriepatienten.

Aber keine Wohnung dürfte interessanter sein als seine eigene, die voll ist mit Büchern, Bildern, Tennis-Borussia-Wimpeln, Asterix- und Obelix-Puppen und Schlümpfen. Ein Zimmer dient als Atelier, denn Antczack hat, nach seiner Ausbildung als Krankenpfleger, Kunst studiert; ein anderes Zimmer hat er als kleines Theater hergerichtet, mit rotem Vorhang und schwarzem Sessel, seine Kostüme hängen an einer Stange von der Decke herab.

Der Weihnachtsmann ist nämlich nicht seine einzige Rolle: Antczack hat das „Theater der Verrückten“ gegründet, eine Spielgemeinschaft mit „krisenerfahrenen Menschen“, die sich gegen Diskriminierung einsetzen. Machtverhältnisse, Gerechtigkeit, Unterdrückung – das sind seine Themen. Denn er ist rot, der Weihnachtsmann, von innen wie von außen.

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