
© Stadtmuseum Berlin
Weihnachten im Biedermeier: Wie Berlin vor 200 Jahren feierte
Es ist das einzige originale Bürgerhaus im Nikolaiviertel: Das Museum Knoblauchhaus schmückt sich in der Adventszeit festlich – und zeigt, wie nachhaltig die Berliner früher das Fest begingen.
Stand:
Dunkel, sehr dunkel waren die Berliner Dezemberabende vor 200 Jahren. Keine Scheinwerfer, keine blinkenden Reklametafeln, kaum Gaslaternen in den Straßen, keine elektrischen Lampen in den Häusern. Stattdessen flackerte Kerzenlicht hinter den Fenstern, sparsam dosiert, Energieverbrauch niedrig. Mit welcher Sehnsucht wurde Weihnachten da erwartet: das Fest des Lichts!
Einen Eindruck, wie die Weihnachtszeit in der Biedermeierzeit erlebt wurde, vermittelt jedes Jahr das Knoblauchhaus im Nikolaiviertel: Das um 1760 erbaute und original erhaltene Bürgerhaus, ein Standort des Stadtmuseums, wird festlich geschmückt und zeigt auf drei Etagen biedermeierzeitliches Adventsdekor, ganz so, wie es ausgesehen haben könnte, als die Erbauerfamilie Knoblauch dort noch wohnte.

© Oliver Ziebe
In diesem Jahr gibt es einen besonderen Schwerpunkt: Nachhaltigkeit. Denn die war, obwohl als Begriff nicht geläufig, im Bürgertum ein stetes Thema. „Das ganze Jahr über galt Einfachheit und Maßhalten als oberste Priorität des bürgerlichen Alltags“, sagt Kurator Jan Mende. Was heute in die Formel mit drei R gekleidet wird – reduce, reuse, recycle –, wurde damals im Alltag ganz selbstverständlich praktiziert.
Nicht so jedoch, wenn Weihnachten nahte: „An den Festtagen wurde an nichts gespart, weder beim exklusiven Festmahl noch bei der weihnachtlichen Ausgestaltung und Beleuchtung der Wohnräume.“
Die Zimmer, aber auch die Haus- und Wohnungseingänge und die Treppenhäuser, mitunter sogar die Fassaden auf der Höhe der „bel etage“, wurden mit Tannenzweigen, Papiergirlanden und bunten Bändern dekoriert. Und das Essen an den Feiertagen sollte exquisit sein: Es gab Gänsebraten, Wild oder Fisch, vor allem Karpfen, aber auch Kaviar und Austern, nachmittags gefolgt von Stollen, Pfefferkuchen, Königsberger Marzipan, Berliner Mohnpielen – süße Mohnklöße – und Baumkuchen.
„Aber auch in diesem Überfluss versuchten die Menschen, nichts unnütz zu verschwenden“, erzählt Jan Mende. „Geschenkpapier wurde wiederverwendet, altes Spielzeug repariert und wieder verschenkt.“ Man schenkte auch gerne Selbstgebasteltes, -gemaltes und Handarbeiten: Mützen oder Bucheinbände für die Erwachsenen, selbst gemachte oder neu eingekleidete Puppen und Hampelmänner für die Kinder, neben Obst, Nüssen, Naschwerk.
Vor allem aber wurde die traditionelle Berliner Weihnachtspyramide aus dem Lager geholt: ein Lattengerüst, etwa einen Meter hoch, ummantelt mit künstlichen Tannenzweigen aus gefärbtem Papier, geschmückt mit selbst gebasteltem Dekor aus Stroh, Papier und Draht. Eine solche Pyramide ist auch im Knoblauchhaus zu sehen: Sie war deutlich billiger – und nachhaltiger! – als ein eigener Tannenbaum: wiederverwendbar eben.

© Stadtmuseum Berlin
Tannenbäume wurden, so Mende, erst um 1850 zum Massenphänomen in Berliner Haushalten. Die Eisenbahn machte es möglich: Sie brachte die Bäumchen aus der Lausitz und dem Harz in die preußische Hauptstadt. Von da an konnten sich auch ärmere Familien einen Baum leisten, den sie mit vergoldeten Nüssen und Äpfeln, Lebkuchen und Papierbasteleien schmückten.
Die meisten Weihnachtsbräuche, die heute noch praktiziert werden, haben sich vor 200 Jahren herausgebildet, sagt Mende. Denn ursprünglich war Weihnachten ein religiöses Fest, an dem man vor allem den Gottesdienst besuchte. Erst ab 1790 begannen die Menschen – das Bürgertum war hier Vorreiter – an den Festtagen mit der Familie und Freunden zusammenzukommen und einander zu beschenken, mit den Kindern im Mittelpunkt. „Rückblickend verdanken wir dem Biedermeier das besinnliche Fest als Familienfeier.“
Am ersten und zweiten Weihnachtstag kamen oft Freunde und Nachbarn, um die Geschenke zu bewundern, die an Heiligabend im festlich geschmückten Weihnachtszimmer verteilt worden waren. Der Weihnachtsmann kam in Berlin erst gegen 1850 in Mode. Bis dahin hatten Eltern ihren Kindern gesagt, das Christkind bringe die Geschenke.

© Stadtmuseum Berlin
Ganz in der Nähe des Knoblauchhauses, in der Breiten Straße, gab es einen Christmarkt mit über hundert Verkaufsbuden: Hier flanierten die Berliner, hier wurde Zucker- und Marzipangebäck verkauft, Kupferstiche, Winterschuhe, Körbe, Pantoffeln, Küchengeräte, Pelzwaren und, wie der Schriftsteller Ludwig Tieck schwärmte, „tausendfaches Spielzeug aus Holz in allen Größen gebildet“. Holz, wohlgemerkt, kein Plastik.
Erleuchtet wurde der Markt mit unzähligen Öllampen und Kerzen: „So wandeln denn Tausende, scherzend, erzählend, lachend, schreiend, an den süßduftenden mannigfaltigen Zucker- und Marzipan-Gebäcken vorüber, wo Figuren aller Art, Thiere und Menschen, alles in hellen Farben strahlend, die Lüsternen anlacht“, schrieb Tieck: An diesem fröhlichen Ort waren die Berliner Dezemberabende vor 200 Jahren gar nicht dunkel.
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