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Anlageoptionen: Zertifikate sind die Krisenverlierer

Der Ruf der Zertifikate ist beschädigt. Viele Verbraucher haben ihre Spareinlagen in unterschiedlichen Anlageformaten für sich arbeiten lassen. Bis die Finanzkrise kam. Worauf die Anleger in Zukunft achten sollten, lesen sie hier.

Noch zwei Jahre hat Inge P. bis zur Pensionierung. 20.000 Euro hatte sie für den Moment gespart, wenn es so weit ist. Bis Anfang dieses Jahres ruhte das Geld bei der Citibank in Hamburg,festverzinst bis 2010. Mitte Februar kam der Anruf ihres Bankberaters. Er hatte ein neues Angebot: Ein sogenanntes Twin-Win-Zertifikat auf den Ölpreis, das sowohl von steigenden als auch von fallenden Kursen profitiert.

"Das sei besser und sicherer, so hat man mir das verkauft“, erinnert sich Inge P.. In Öl zu investieren schien ihr sinnvoll. Sie willigte ein. Ansonsten habe sie nicht viel von dem verstanden, was der Berater der Citibank sagte. "Ich wusste gar nicht, dass ich ein Zertifikat gekauft hatte“, sagt sie heute. Emittent des Zertifikate war die US-Investmentbank Lehman Brothers. Die ist seit dem 15. November insolvent – und das Geld von Inge P. ist weg.

Dresdener Bank: "Wir wußten, dass 2008 ein schweres Jahr werden würde"

So wie ihr ging es tausenden anderer Anleger. Die Lehman-Pleite hat dem Image der Zertifikate einen weiteren schweren Schlag versetzt. Jahrelang galten die Finanzderivate als eine Art Lieblingsprodukt der Deutschen. Doch schon im vergangenen Jahr erschwerte der Gesetzgeber das Geschäft: Im Zusammenhang mit der Einführung der Abgeltungsteuer im Januar 2009 wurden Zertifikate gegenüber anderen Anlageformen benachteiligt.

Während etwa Aktien und Fonds, die bis Jahresende gekauft werden, nach einer Haltezeit von einem Jahr steuerfrei verkauft werden können, gilt dies bei Zertifikaten nur für Produkte, die vor dem 15. März 2007 gekauft wurden oder bis 30. Juni 2009 wieder verkauft werden. Diese Sonderregelungen hätten die Lust der Deutschen auf Zertifikate gedämpft, sagt Nicolai Tietze, Zertifikate-Spezialist bei der Deutschen Bank, dem größten Emittenten in Deutschland. Hinzu kamen die Kursverluste im Zuge der Finanzkrise. "Wir wussten, dass 2008 für Zertifikate ein schweres Jahr werden würde“, sagt Tietze. Dennoch ärgert er sich darüber, dass in der Diskussion um die Finanzkrise "oft alle Produkte über einen Kamm geschert werden“. Dabei gibt es durchaus Unterschiede.

Garantiezertifikate

Garantiezertifikate machen den größten Teil des Marktes in Deutschland aus. Sie sind durch die Lehman-Pleite aber auch besonders in Misskredit gekommen. Garantiezertifikate sichern den Käufern eine Rückzahlung der investierten Summe zu. Der Anleger profitiert zwar von Kursgewinnen des zu Grunde liegenden Basiswerts, also zum Beispiel einer Aktie oder eines Indizes, ist aber vor Kursverlusten geschützt, wenn er das Papier bis zum Ende der Laufzeit hält. Dass diese Garantie nicht so sicher ist wie sie scheint, mussten die Käufer von Lehman-Garantiezertifikaten erfahren. Denn wenn der Emittent eines Zertifikats pleitegeht, nützt auch die schönste Garantie nichts. Rechtlich sind Zertifikate nämlich ganz normale Inhaberschuldverschreibungen der emittierenden Bank.

"Wir gehen davon aus, dass Anlegern beim Kauf von Garantie-Zertifikaten in der Regel nicht bewusst war, dass diese Garantie nur dann greift, wenn auch die Bonität des Emittenten stimmt“, sagt Dorothea Mohn, Referentin für Geldanlage und Altersvorsorge beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Auch Deutsche-Bank-Experte Tietze meint: "Die meisten Marktteilnehmer haben das Emittentenrisiko unterschätzt.“

Zertifikate fallen nicht unter das Einlagensicherungssystem der privaten deutschen Banken. Auch die Garantie der Bundesregierung gilt nicht für Zertifikate. Bei Landesbanken springt hingegen der Haftungsverbund der Sparkassenfinanzgruppe ein. Anleger sollten auf die Bonität des Emittenten achten. Als Hilfestellung dienen die Noten der Ratingagenturen. Doch die waren auch bei Lehman erstklassig. Als weiteres Indiz gelten die sogenannten Credit Spreads. Sie bezeichnen die Zinsdifferenz zwischen Staatsanleihen und Unternehmensanleihen, oder anders gesagt: den Risikoaufschlag, den die Banken ihren Gläubigern zahlen müssen. Je höher der Aufschlag, desto schlechter bewertet der Markt die Bonität der Bank. Anleger können die Credit Spreads auf der Internetseite des Deutschen Derivate-Verbandes einsehen (www.deutscher-derivate-verband.de). Darüber hinaus gilt die Anlageregel, niemals alles auf eine Karte zu setzen, sondern die Risiken auf verschiedene Emittenten zu verteilen.

Bonuszertifikate

Bonuszertifikate haben im Zuge der Finanzkrise besonders stark gelitten. Die hohen Schwankungen an den Märkten haben die Kurswetten, die Anleger mit solchen Papieren eingehen, oft zunichte gemacht. Bonuszertifikate sind dazu gedacht, den Anlegern auch bei seitwärts laufenden oder leicht fallenden Märkten Renditechancen zu bieten. Sie enthalten deshalb einen Risikopuffer.

Wenn der Kurs des zugrunde liegenden Aktienwertes oder Index’ nicht unter eine bestimmte Schwelle fällt, erhält der Anleger eine Art Garantieverzinsung. Wegen der starken Kursverluste der vergangenen Monate haben viele Bonuszertifikate jedoch ihre Schwellen gerissen und bringen den Anlegern Kursverluste. Experte Tietze betrachtet die Lage für diese Produkte deshalb weiter als schwierig. "Selbst ein Sicherheitspuffer von 30 Prozent kann derzeit schnell weg sein.“

Discountzertifikate

Bessere Chancen sieht Deutsche-Bank-Experte Tietze in der aktuellen Börsenphase für Discountzertifikate. Bei diesen Produkten kauft der Anleger den Basiswert mit einem Rabatt gegenüber dem aktuellen Börsenkurs. Das bietet einen zusätzlichen Puffer. "Das klassische Discountzertifikat wird auch von den Kunden derzeit am stärksten nachgefragt“, sagt Tietze. Vor allem bei Standardwerten, deren Kurse ohnehin historisch niedrig notierten, seien derzeit große Abschläge drin.

Mangelnde Transparenz

Darüber hinaus werden Zertifikate in vielen verschiedenen Varianten angeboten. So lässt sich statt auf einzelne Aktien oder Indizes auch auf zusammengestellte Aktienkörbe wetten. Doch Verbraucherschützer raten Anlegern zur Vorsicht. „Je komplizierter die Produkte gestrickt sind, desto schwerer ist es für den Anleger nachzuvollziehen, ob alles richtig berechnet wurde“, sagt Expertin Dorothea Mohn. Generell gebe es bei Zertifikaten das Problem der Intransparenz. „Der Anleger kann nicht erkennen, ob der Preis für ein Produkt angemessen ist oder nicht.“ Wegen der unterschiedlichen Konstruktionen könne man einzelne Zertifikate auch kaum miteinander vergleichen.

Stefan Kaiser

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