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Wirtschaft: Auf Spurensuche

Kundenkarte, Handy, Sozialamt, Bank – wo wir an einem ganz normalen Tag Daten hinterlassen

Es sind Spuren, die wir nicht sehen. Daten, die jeder Bürger hinterlässt, oft ohne es zu wissen. Namen, Zahlen, Wohnort, das Geburtsdatum – täglich werden in Deutschland Millionen von Daten gesammelt. „Nicht der Missbrauch ist das Problem, sondern der ganz legale Gebrauch der Daten“, sagt Rena Tangens vom Bielefelder Datenschützer-Verein FoeBuD (Förderung des öffentlich bewegten und unbewegten Datenverkehrs). Doch Verbrauchern bleibt oft verborgen, was sie an einem ganz normalen Tag von sich preisgeben und was mit ihren Daten passiert.

Das Handy. Der datenfreie Tag hat um 6.23 Uhr ein Ende. Um diese Zeit steht der durchschnittliche Deutsche auf und schaltet sein Handy ein. Ein Handy arbeitet wie ein Radio, das ständig mit festen Sendemasten in Verbindung steht. „Auf dem Land können wir ein Handy auf etwa 300 Meter genau lokalisieren, in den Städten noch präziser“, sagt Bettina Donges vom Mobilfunkbetreiber Vodafone. Die Standort-Daten dürfen aber nur an Polizei und Geheimdienste weitergegeben werden.

Die Adressen. Wer eine Waschmaschine kauft und später eine persönlich adressierte Werbung für neues Waschpulver zugeschickt bekommt, muss sich nicht wundern. 175 Millionen Euro wurden 2003 mit dem Handel von Adressen umgesetzt, berichtet Klaus Arnold, Vorstand des Deutschen Direktmarketingverbands (DDV). Gesammelt werden die Daten bei Gewinnspielen und Umfragen – und zwar ganz legal, denn im Kleingedruckten ist die Einwilligung zur Weitergabe versteckt. Eine Adresse kostet zwischen zwölf und 25 Cent. Das Unternehmen Schober in Ditzingen bei Stuttgart hat eine Milliarde Adressen im Angebot. Der Verlag Hoppenstedt hat 500000 Namen aus dem Top- und mittleren Management gespeichert.

Der Tipp der Verbraucherschützer lautet: bei Preisausschreiben nicht mitmachen und Unbekannten keine Daten verraten. Egal ob Briefe, SMS oder E-Mails: Wer keine Werbung wünscht, kann sich unter www.robinsonlist.de kostenlos in eine Liste eintragen. Die Adresse wird dann aus den Datenbanken von bundesweit 260 Unternehmen gestrichen. „270000 Verbraucher haben sich bereits registriert, monatlich kommen ein paar Tausend dazu“, sagt Jochen Diebel vom Interessenverband Deutsches Internet, dem Betreiber der Robinson-Liste.

Die Call-Center. Unerwünschte Werbung ist verboten. „Das Problem ist der Vollzug des Gesetzes, nur wenige Verbraucher klagen“, sagt Patrick von Braunmühl vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Das wissen auch viele Call-Center. Sie rufen bevorzugt abends an und wollen etwas verkaufen. „Den Namen und die Anschrift des Unternehmens notieren und an uns melden“, sagt Gabriele Francke von der Verbraucherzentrale in Berlin.

Auf keinen Fall sollte man persönliche Daten am Telefon oder im Internet weitergeben. Beispiel: Hat jemand Ihre Bankverbindung, kann er seine Bank beauftragen, Geld von Ihrem Konto einzuziehen. „Dann bleiben nur noch sechs Wochen, um Widerspruch einzulegen“, sagt Verbraucherschützerin Francke.

Die Kundenkarten. Bis zu 70 Millionen Kundenkarten wie etwa Payback oder „Miles and More“ stecken in den deutschen Geldbörsen. Mit dem Ausfüllen des Kartenantrags erklärt sich der Kunde einverstanden, dass seine Daten gespeichert und ausgewertet werden. So wird nicht nur der Umsatz notiert, sondern auch jeder Fernseher, jede Banane, jeder Flug. Dann werden Persönlichkeitsprofile erstellt. „Das geht nur, weil schon beim Antrag mehr Daten aufgenommen werden als nötig“, kritisiert Thilo Weichert, Landesbeauftragter für Datenschutz in Schleswig-Holstein.

Die Schufa. Rund 62 Millionen Bürger haben sie unterschrieben, die Schufa-Klausel. So viele Verbraucher hat die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung in ihrer Datenbank. Das Unternehmen sammelt Daten über die Zahlungsfähigkeit der Verbraucher. Eingetragen werden etwa bestehende Girokonten, Kreditkarten sowie laufende Kredit- oder Leasingverträge. Zugriff auf die Daten haben neben den Kreditinstituten auch Handelsunternehmen und Mobilfunkanbieter. Falsche oder zu spät gelöschte Einträge können dazu führen, dass Privatleute keine neuen Kredite mehr kriegen. „Verbraucher haben ein Recht auf die Löschung fehlerhafter Daten“, sagt VZ-Geschäftsführerin Francke. Doch dies setzt voraus, dass man seinen Datensatz bei der Schufa kennt. Für 7,60 Euro kann sich jeder über seine Schufa-Einträge informieren. Die Daten werden zu einem Score-Wert verdichtet. Score ist das englische Wort für Punktzahl. Der Schufa-Computer sucht sich Personen mit gleichen Merkmalen, wertet deren Daten aus und verdichtet sie zu einer Zahl, dem Score. Von diesem Wert hängt es oft ab, ob der Mobilfunk-Vertrag unterschrieben oder der Kredit abgelehnt wird.

Die Behörden. Doch auch viele Behörden und Finanzämter haben Zugriff auf persönliche Daten. Besonders das „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ ruft Datenschützer auf den Plan (siehe Interview) . Ab April nächsten Jahres steht allen öffentlichen Stellen, die mit Begriffen des Einkommensteuergesetzes zu tun haben, ein automatisiertes Kontenabfragesystem zur Verfügung. Darunter fallen die Bundesagentur für Arbeit, Sozialämter und BaföG-Stellen. Ursprünglich war das umstrittene Abfragesystem zur Terrorbekämpfung eingeführt worden, um internationale Finanzströme zu verfolgen. Seither können Ermittler über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) prüfen, wer in Deutschland ein Konto oder ein Wertpapierdepot hat. Diese Abfragen durch die Behörden müssen unbemerkt möglich sein – der Verbraucher bekommt nichts mit. Die Dateien geben nur Auskunft über die so genannten Stammdaten – also den Namen des Kontoinhabers, sein Geburtsdatum und die Art seiner Konten. Einzelne Geldbewegungen und der Kontostand lassen sich dagegen auf diese Weise nicht feststellen.

Nach dem Bundesdatenschutzgesetz muss ein Unternehmen dem Verbraucher sagen, welche Daten über ihn gespeichert sind. Die Auskunft kostet nichts. Wer keine Werbung möchte, kann auf Verträge diese Formulierung schreiben: „Ich widerspreche der Datenweitergabe zu Zwecken der Werbung und Marktforschung.“

Wer Arbeitslosengeld II beantragt, wird überprüft: Die Arbeitsagentur tauscht Informationen mit Sozialversicherungsträgern, Sozialämtern, Arbeitgebern, Banken und Versicherungen aus. Die personenbezogenen Daten unterliegen dem strengen Sozialgeheimnis, vergleichbar der ärztlichen Schweigepflicht.

Bei Kauf, Zulassung und Betrieb eines Autos werden viele Daten gespeichert. Der Hersteller kann vom Kraftfahrt-Bundesamt für Rückrufaktionen Namen und Anschrift der Halter erhalten. Aber auch die Sozialämter können sich erkundigen. gd

Gerald Drissner

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