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Wirtschaft: „Beim Strom war von Künast nichts zu hören“

Edda Müller, Deutschlands oberste Verbraucherschützerin, zieht Bilanz: was Ministerin Künast gut und was sie schlecht gemacht hat

Auf den Wahlplakaten der Grünen steht: „Verbraucherschutz ist wählbar“. Hat es Verbraucherministerin Künast verdient, wieder gewählt zu werden?

Die Bundesregierung hat mit ihrer Entscheidung, dem Verbraucherschutz ein eigenes Ministerium zu geben, viel für die Profilierung der Verbraucherpolitik getan. Frau Künast hat in den Bereichen, für die sie federführend zuständig ist – also Ernährung und Landwirtschaft – viel erreicht. Nehmen Sie nur das BioSiegel oder die Kennzeichnung von Eiern nach Käfig-, Freiland- und Bodenhaltung. Diese Beispiele zeigen: Wenn man den Bürgern verlässliche Kennzeichnungen anbietet, dann kann man auch das Verhalten der Verbraucher beeinflussen.

Aber die Agrarwende hin zu mehr Bio hat bislang nicht geklappt.

Ich finde es gut, wenn sich die Politik klare Ziele setzt. Die Bio-Produkte haben sich in den vergangenen Jahren aus ihrem Nischendasein befreit. Das wäre ohne Frau Künast nicht passiert. Und ich finde auch die Haltung der Ministerin zur Gentechnik richtig. Die gesamtschuldnerische Haftung der Landwirte, bei der alle Bauern für einen möglichen Pollenflug von gentechnisch veränderten Pflanzen haften, ist die einzige Möglichkeit, sicherzustellen, dass die Verbraucher auch künftig eine echte Wahlfreiheit zwischen gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Produkten haben werden.

Union und Liberale wollen Gentechnik auf den Feldern erlauben. Könnten Sie das verhindern?

Es geht uns nicht um „verhindern“, sondern um Wahlfreiheit: Die Konsumenten müssen die Wahl haben, sich bewusst zwischen Gentechnik und gentechnikfreier Landwirtschaft zu entscheiden. Das muss auch für Fleisch gelten, für das gentechnisch veränderte Futtermittel eingesetzt werden. Union und FDP reden immer gern vom „mündigen Verbraucher“: Wenn nun aber die Gentechnik so toll ist, warum soll dann möglichst keiner wissen, wo Gentechnik eingesetzt wird?

Also hat Frau Künast alles richtig gemacht?

Ich finde es sehr schade, dass sie mit ihrem Verbraucherinformationsgesetz gescheitert ist. Dieses Gesetz sollte den Verbrauchern weit reichende Informationsansprüche geben. Am Ende ist daraus ein Mäuschen geworden, ein kleiner unbedeutender Zusatz im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz.

War das Ihre größte Enttäuschung?

Nein. Das ganz große Defizit liegt im Energiebereich. Bei der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes hätte sich Frau Künast viel deutlicher einmischen müssen. Wir gehören zu den Ländern Europas mit den höchsten Strom- und Energiepreisen. Trotzdem hat sich die Ministerin in dieser ganzen Debatte, die wir über die neue Regulierungsbehörde und die hohen Netzentgelte geführt haben, nicht einmal zu Wort gemeldet.

Was hätte sie sagen sollen?

Man hätte an dem Thema zeigen können, dass sich eine Verbraucherministerin nicht nur um Ernährung, Gesundheit und dicke Kinder kümmert. Dieses Verständnis von Verbraucherschutz hat sich überlebt. Man darf die Verbraucher nicht nur als schutzbedürftige Masse ansehen, sondern man muss sie auch als Wirtschaftsteilnehmer wahrnehmen, die mit ihrer Kaufentscheidung Einfluss auf die Wirtschaft nehmen.

Müsste sich die Ministerin auch zu den hohen Benzinpreisen äußern?

Ja, natürlich. Ich verstehe nicht, warum sie all diese energiebezogenen Themen – Verkehr, Energie, Heizkosten – nicht nutzt, um auf die Konsequenzen der Preiserhöhungen für die Verbraucher hinzuweisen.

Wer ist schuld an den hohen Ölpreisen?

Wir haben ein erstaunliches Phänomen: Kaum steigt an den Weltmärkten der Ölpreis, wird auch Benzin teurer. Dabei haben die Mineralölkonzerne große Reserven, die sie früher viel billiger eingekauft haben. Diese Gewinne werden jetzt abgeschöpft und mitgenommen. Es kann nicht sein, dass fallbeilartig die Benzinpreise steigen, wenn an der Börse das Öl teurer wird.

Und beim Strom?

Beim Strom wird mit der Dummheit der Leute argumentiert. Ein erhöhter Ölpreis kann nie und nimmer höhere Strompreise rechtfertigen. Seit den 70er Jahren setzen wir in Deutschland kein Öl mehr in der Stromproduktion ein.

Aber Gas!

Gas spielt mengenmäßig bei der Stromproduktion keine große Rolle. Wir nutzen vor allem Braun- und Steinkohle und Kernenergie. Die Strompreise zu erhöhen und sich dabei auf das teure Öl zu berufen, das ist schon eine sehr windige Geschichte. Hier müssen die Verbraucherpolitiker dranbleiben – und übrigens auch bei den zu hohen Müllgebühren.

Gibt es wirklich so große Unterschiede bei den Gebühren?

Ja. Wir haben dramatische Unterschiede bei den Müllgebühren. Bei Wasser ist das genauso. Da wird man doch wohl mal fragen dürfen, woran das liegt und wie die Unternehmen eigentlich kalkulieren. Frau Künast hat ein Programm aufgelegt, um den ländlichen Raum zu entwickeln. Aber gerade im ländlichen Raum explodieren diese Kosten, weil immer mehr Menschen wegziehen und die, die bleiben, für die viel zu großen Kläranlagen und Müllverbrennungsanlagen zahlen müssen. Man muss als Verbraucherministerin auf gleicher Augenhöhe mit der Wirtschaft argumentieren. Es ist sehr schade, dass Frau Künast das nicht gemacht hat.

Das Interview führte Heike Jahberg.

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