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Wirtschaft: Daten ohne Schutz

Finanzbeamte forschen nach Sparern und Rentnern, Vermieter nach säumigen Mietern und die GEZ nach Schwarzsehern. Zu Recht?

Ist denn nichts mehr geheim? Schon bald werden die Finanzämter leichter als bisher die Kontoverbindungen der Steuerzahler ausspionieren können (siehe unten) . Die Rentenversicherer werden die Finanzämter im kommenden Jahr automatisch über alle ausgezahlten Renten informieren – rückwirkend für 2005. Im Herbst will die Bundesregierung die ersten biometrischen Reisepässe herausgeben, auf denen nicht nur das Gesicht, sondern auch der Fingerabdruck verewigt werden. Und selbst die FußballWeltmeisterschaft ist keine Privatsache: Bei welchem Spiel Sie auf welchem Platz sitzen, wird das WM-Organisationskomitee (OK) im Sommer 2006 genau beantworten können. Kein Wunder, dass vielen Menschen langsam unbehaglich wird. Datenschutzbelange, lange Zeit ein Hobby für Insider, „interessieren eine immer breitere Öffentlichkeit“, weiß Thilo Weichert, Landesbeauftragter für den Datenschutz in Kiel.

Die Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht in seinem legendären Volkszählungsurteil aufgestellt hatte, geraten ins Wanken. Zum Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“ gehöre es, dass jeder selbst entscheiden könne, welche Daten er wem gegenüber preisgeben will, hatten die Richter im Jahr 1983 entschieden. Doch heute werden Daten so fleißig gesammelt wie nie zuvor. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Gesundheitskarte: Ab dem nächsten Jahr wird die elektronische Gesundheitskarte die bisherige Krankenversichertenkarte ablösen. Auf der Karte speichert der Arzt künftig das elektronische Rezept, das der Apotheker dann abruft. Ob medizinische Daten wie eingenommene Arzneimittel, die Blutgruppe oder Allergien ebenfalls elektronisch vermerkt werden, kann der Versicherte selbst bestimmen. Lesen können die Gesundheitskarte allerdings nur Personen, die einen Heilberufsausweis haben, und das auch nur dann, wenn der Versicherte es diesen erlaubt. Darüber hinaus ist die Karte parzelliert. So kann ein Krankengymnast zwar das elektronische Rezept lesen, nicht aber die medizinischen Daten. Diese bleiben den Ärzten vorbehalten. Unbefugte dürfen vom Versicherten keinen Zugriff verlangen. So soll verhindert werden, dass etwa der Personalchef Einblick in die medizinischen Daten nimmt.

Biometrischer EU-Reisepass: Anders als bei der elektronischen Gesundheitskarte ist beim EU-Reisepass noch vieles im Unklaren. Eine entsprechende EU-Verordnung soll dennoch bis Mitte des Jahres in deutsches Recht umgesetzt werden, heißt es im Bundesinnenministerium. Diesen engen Zeitrahmen halten Datenschützer wie Thilo Weichert für „fahrlässig und völlig irreal“. Gegenüber den herkömmlichen Lichtbildern und Fingerabdrücken in Tinte werden die neuen biometrischen Daten auf einem Chip gespeichert, der bei Grenzkontrollen gelesen wird. Um den Datenschutz beim Auslesen des Chips zu garantieren, hat das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine spezielle Verschlüsselungstechnik entwickelt. Eine bundes- oder gar EU-weite zentrale Datenbank mit den biometrischen Merkmalen aller Bürger soll es nicht geben.

Rentenmitteilung: Nach dem neuen Alterseinkünftegesetz, das seit Jahresanfang in Kraft ist, sammelt die Zentrale Zulagenstelle der Rentenversicherer ab diesem Jahr alle Daten über ausgezahlte Renten. Das betrifft nicht nur die gesetzlichen Renten, sondern auch Betriebs- und private Rentenversicherungen. Im nächsten Jahr werden diese Informationen dann automatisch an die Finanzämter geschickt. Das schafft den „gläsernen Bürger“, warnt Ulrich Strack vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Schufa: Zu den fleißigsten Datensammlern gehört die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa), eine Gemeinschaftseinrichtung der kreditgebenden Wirtschaft. Aber auch Versender und große Wohnungsbaugesellschaften können bei der Schufa Daten abgreifen. Das ist mit dem Datenschutzgesetz grundsätzlich vereinbar, weil diese Unternehmen ein berechtigtes Interesse an der Kreditwürdigkeit ihrer Kunden haben. Für die Kunden kann die Auskunft jedoch bittere Konsequenzen haben – indem sie keinen Kredit bekommen, keine Wohnung oder keine Ware aus dem Versandhaus. Die Kreditinstitute melden und erfahren bei der Schufa, ob Sie Kredite haben und welche. Kreditkarten und Handyverträge bleiben den Geldhäusern ebenfalls nicht verborgen. Telekommunikationsanbieter, Versandhäuser sowie Wohnungsbaugesellschaften bekommen dagegen nur Informationen, wenn Zahlungsstörungen vorliegen; wenn also zum Beispiel ein Kredit nicht zurückgezahlt wurde oder eine Versandhausrechnung geplatzt ist. Ein solcher Negativ-Eintrag wird erst nach drei Jahren wieder gelöscht, heißt es bei der Schufa. Verbraucher können für 7,60 Euro eine schriftliche Selbstauskunft beantragen. Eine mündliche Auskunft in einer Schufa-Geschäftsstelle – in Berlin etwa am Mariendorfer Damm 1-3 – ist dagegen kostenlos.

GEZ: Die Gebühreneinzugszentrale zieht die Gebühren für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein. Wichtige Informationsquellen für die Fahndung nach Schwarzsehern sind die Einwohnermeldeämter, die der GEZ Namen, Anschrift und Geburtsdaten von Neu- oder Abgemeldeten mitteilen. Des Weiteren mietet die GEZ Adressen für sechs Monaten von privaten Adresshändlern. Im Jahr 2003 wurden so 3,2 Millionen Adressen akquiriert. Die Tatsache, dass die GEZ als öffentliche Stelle sowohl öffentliche als auch private Quellen nutzen kann, kritisieren Datenschützer heftig. Sie befürchten, dass die GEZ selbst zum Adressenhändler wird. Zudem würden Beschwerden nur sehr langsam oder gar nicht von der GEZ bearbeitet. Datenschützer raten deshalb, sich bei Verstößen direkt an die Datenschutzbeauftragten der Landesrundfunkanstalten – in Berlin an den RBB – zu wenden. Übrigens: Hoheitliche Befugnisse hat die GEZ nicht. Steht der GEZ-Fahnder vor der Tür, müssen Sie ihn nicht hereinlassen.

Behörden: Bei Behörden lagern hochsensible Daten. So kennt das Sozialamt nicht nur Ihr Einkommen, sondern sammelt auch Scheidungsurteile und ärztliche Atteste. Behörden dürfen Daten aber grundsätzlich nur übermitteln, wenn der Betroffene vorher ausdrücklich eingewilligt hat. Zudem dürfen die Ämter nicht selbst tätig werden, ohne Sie vorher um Erlaubnis gefragt zu haben. Den Vermieter ohne Ihre Zustimmung nach der Höhe der Miete oder eine Versicherung nach einer Police zu fragen, ist verboten.

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