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Wirtschaft: "Die Beiträge könnten weiter steigen"

Johannes Vöcking, Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse, über die Kritik an der Reform und die langfristigen Folgen

Herr Vöcking, ist die Gesundheitsreform gut oder schlecht für die Versicherten?

Mit der Reform kommen Leistungsverbesserungen – etwa bei Mutter-Kind-Kuren, Impfungen oder der Versorgung Schwerkranker. Mit der Reform ist das Hauptanliegen, das System zukunftsfest zu machen, nicht gelöst. Die gesetzlichen Kassen sind nicht gewappnet gegen die demografischen Belastungen, die Finanzierung steht weiter auf wackeligen Beinen.

Sorgt die Reform für steigende Beiträge?

Das sehe ich weniger. Bei den Finanzen schadet die Reform nicht, sie hilft aber auch nicht. Wenn der Gesundheitsfonds kommt, werden die Versicherten zudem mehr Transparenz über das System und die Finanzierung bekommen.

Wie werden sich die Beiträge bis 2009 entwickeln?

Die Barmer Ersatzkasse musste jetzt den Satz erhöhen, von 13,8 auf 14,4 Prozent. Damit sind wir deutlich unter der Konkurrenz geblieben. Ich gehe davon aus, dass wir die Beiträge stabil halten. Bei mehreren anderen Kassen könnte es 2008 erneut einen Anstieg geben, so dass der durchschnittliche Satz von heute 14,82 Prozent um etwa 0,3 Punkte ansteigt.

Die Krankenkassenverbände sehen die Lage dramatischer.

Da ist vieles übertrieben, ich bin da zurückhaltend. Der Bundeszuschuss wird wieder leicht steigen. Höhere Beiträge wird es ohnehin nur geben, wenn sich bei den versicherungspflichtigen Beschäftigungen nichts tut. Nehmen sie angesichts der guten Konjunktur weiter zu, entspannt sich die Lage.

Sollte man vorher noch rasch zu einer günstigeren Kasse wechseln?

Das ist wenig sinnvoll. Ich empfehle den Versicherten abzuwarten. Klar ist: Wenn der Fonds kommt, wird es einen einheitlichen Beitrag für alle geben. Spannend wird es erst danach, wenn die Kassen Zusatzbeiträge erheben – hier wird es wieder große Unterschiede geben. Die Barmer wird keinen Zusatzbeitrag erheben.

Welche Kassen werden zusätzliches Geld benötigen?

Die, die eine ungünstigere, also kränkere Versichertenstruktur haben.

Verändert sich die Kassenlandschaft?

Ich gehe davon aus, dass es zu weiteren Fusionen kommen wird. Das wird aber kaum zu Einsparungen führen, sondern zu einer Angleichung der Beitragssätze. Für die Versicherten bedeutet das einerseits eine bessere Übersicht über den Markt. Des Weiteren werden die Versicherten profitieren, wenn die Kassen, auch wir, ab dem 1. April mehr Bonusprogramme anbieten. Zudem wird es mehr Wahltarife geben, Kostenerstattung oder Beitragsrückerstattung, und mehr Varianten bei der integrierten Versorgung.

Schon heute hat kaum jemand einen Überblick über die vielen Angebote.

Man will doch mehr Wahlfreiheit – das setzt einen mündigen Bürger voraus, der sich über die verschiedenen Tarife informiert. Die Angebote werden stärker zugeschnitten auf die Interessen der Versicherten. Schon heute hat die Barmer einen bundesweiten Hausarzttarif, mit dem haben wir gute Erfahrungen gemacht.

Kritiker warnen, die Kassen würden vor allem sparen, um die Gutverdiener nicht zu verlieren.

Das glaube ich nicht. Der Wettbewerb wird intensiver, und die Kassen werden sich intensiver bemühen um das einzelne Mitglied. Das heißt auch, dass es eine bessere Versorgung zu wirtschaftlicheren Konditionen geben wird – zum Wohle des Versicherten.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

Johannes Vöcking (57) ist seit 2006 Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse, der größten Einzelkasse der gesetzlichen Versicherung mit 7,2 Millionen Versicherten.

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