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Wirtschaft: Die Lockvögel lassen nicht locker

Die Billigflieger werben aggressiver denn je – obwohl die Gerichte ihnen Irreführung verbieten

Berlin - Neben der Kleinstadt Weeze, auf einer Wiese am Niederrhein, sind die Flugzeuge gelandet, auch aus Berlin. Mit etwas Glück hat der Flug nur 58 Euro gekostet. Ein typischer Billigflieger, die Linie „V-Bird“. Vor zwei Wochen ist die Fluggesellschaft Pleite gegangen. Die Passagiere haben Pech gehabt. Wer sein Ticket schon gekauft hat, muss damit rechnen, dass er das Geld nie wiedersieht. Die Verbraucherzentralen können den geprellten Passagieren nur einen Rat geben. „Wenden Sie sich an den Insolvenzverwalter.“

Das Gleiche würde gelten, wenn eine traditionelle Fluggesellschaft Pleite ginge – nur, dass das eben seltener passiert. Denn im Markt für Billigflieger bewegt sich viel, man kann schnell starten, aber auch schnell abstürzen mit dem Geschäftsmodell, vor allem, wenn man nicht besonders groß ist. Klar ist aber grundsätzlich: „Nur weil man weniger zahlt, hat man nicht weniger Rechte“, sagt Beate Wagner von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Für die Billigflieger gelten die gleichen Regeln wie für die traditionellen Linien.

Seit Juni sind die Rechte gestärkt. Seitdem gilt das sogenannte Abkommen von Montreal auch in Deutschland, und auch für die Billigflieger: Wenn Kunden wegen verpasster Flüge oder Verspätungen Folgeschäden entstehen, haben sie Anspruch auf Entschädigung von bis zu 5100 Euro. Auch für verloren gegangene Koffer gibt es klare Regeln: Der Entschädigungsbetrag liegt jetzt bei bis zu 1200 Euro. Allerdings muss klar sein: Auch Fluggesellschaften haben Rechte, und wenn sie nicht schuld sind, bei Streik oder Unwetter etwa, müssen sie auch nicht zahlen.

Im Februar nächsten Jahres tritt die nächste Regel in Kraft: eine neue EU-Richtlinie, die die Rechte der Fluggäste weiter stärkt. Sie gilt für alle Fluggesellschaften, die aus der EU starten oder auf dem Gebiet der EU ihren Sitz haben. Je nach Länge der Strecke stehen Passagieren bei Überbuchung, Verspätung und Flugausfall Entschädigungen in Höhe von bis zu 600 Euro zu. Bei weniger als 1500 Kilometern sind es immer noch 250 Euro. Bislang liegen die Summen zwischen 75 und 350 Euro.

Gerade bei Billigfliegern mussten die Verbraucher vor allem lernen, mit deren Werbung richtig umzugehen. Oft merkt man erst kurz vor dem Buchen, dass die „Null-Euro-Tickets“ in Wirklichkeit mindestens 20 Euro kosten, weil Steuern und Gebühren hinzukommen. Jetzt müssen die Billigflieger – wenn auch klein gedruckt – darauf hinweisen.Und: Heute fügen die Unternehmen das Wort „Ab“ vor den Euro-Betrag.

Sehr häufig kommt auch vor, dass es gar keine Tickets mehr zu dem Preis gibt, mit dem geworben wird. Im vergangenen Jahr hat die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Verfahren gegen Billigflieger wegen „irreführender Werbung“ eingereicht. Der vzbv sprach von „Lockvogelangeboten“. Bei Hapag Lloyd etwa gab es von den beworbenen Tickets für 19,99 Euro nur neun von 144 pro Flugzeug. Nach diversen Unterlassungserklärungen geben jetzt alle Billigflieger an, mindestens zehn Prozent der Tickets zum beworbenen Preis zu verkaufen. Nachprüfbar ist das allerdings nicht.

Die verärgerten Kunden am Flughafen Weeze jedenfalls können nur darauf hoffen, dass V-Bird doch noch irgendwie wieder auf die Beine kommt, damit sie entschädigt werden. Verhandlungen mit einem Investor laufen jedenfalls.

André Görke

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