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Wirtschaft: Doppeltes Risiko

Wie sich das gleichzeitige Rekordhoch am Aktien- und Rentenmarkt erklärt – und was Anleger davon haben

Partystimmung an den Finanzmärkten: Der Dax steigt und steigt und steht so hoch wie zuletzt vor drei Jahren. Gleichzeitig klettern auch am Rentenmarkt die Kurse in luftige Höhen. Die doppelte Hausse gibt selbst Experten Rätsel auf. Obwohl die Leitzinsen in den USA bereits stark angehoben wurden, fallen am Rentenmarkt die Renditen auf den tiefsten Stand seit 50 Jahren.

Das Interesse der Anleger an Rentenpapieren scheint trotzdem ungebrochen. Nach Berechnungen des Bundesverbandes Investment und Asset Management (BVI) investierten sie allein im Mai in Deutschland 2,7 Milliarden Euro in Rentenfonds. Die Folge: Die Kurse für Anleihen steigen – die Rendite sinkt. Steigt zum Beispiel der Kurs einer Anleihe zum Nennwert von 100 Euro und einem nominalen Zins von vier Prozent auf 105 Euro, so sinkt die Rendite von vier auf 3,8 Prozent.

„Die Verluste vieler Anleger während der dreijährigen Aktienbaisse wirken da nach“, erklärt Kornelius Purps, Rentenstratege bei der Hypo-Vereinsbank, die ungebrochene Kauflust der Renten-Anleger. Die Investoren seien bescheiden geworden, geben sich mit Mini-Renditen zufrieden, die Sicherheit bieten. Gerade mal 3,1 Prozent Rendite etwa wirft eine 10-jährige Bundesanleihe aktuell ab. Vor einem Jahr waren es noch über vier, vor fünf Jahren deutlich über fünf Prozent.

Nicht vergessen darf man dabei jedoch, dass die Inflation einen großen Teil der Rendite auffrisst: Nach Abzug der Teuerungsrate von 1,7 Prozent bleiben aktuell nur noch 1,5 Prozent – Steuern auf die gezahlten Zinsen und Depotkosten noch nicht mitgerechnet.

Der Kursanstieg der vergangenen fünf Jahre hat jedoch vielen Anlegern satte Gewinne beschert: Eine im Juli 2004 zum Nennwert von 100 Euro emittierte 10-jährige Bundesanleihe ist an der Stuttgarter Börse auf gut 108 Euro geklettert, hat dem Erstkäufer also zusätzlich zum Zinskupon von 4,25 Prozent einen schönen Gewinn beschert. Wer nun noch kauft, muss sich jedoch mit gut drei Prozent Rendite brutto zufrieden geben. Für 30-jährige deutsche Staatsanleihen müssen Investoren sogar 140 Euro hinblättern, was die Rendite bei einem jährlichen Festzins von 6,25 Prozent auf 3,5 Prozent schmälert.

„Größere Kursgewinne“, warnt Purps, „darf man auf diesem Niveau nicht mehr erwarten.“ Der Rentenexperte sieht umgekehrt aber auch nicht die Gefahr eines stärkeren Kurseinbruchs. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen könne vielleicht noch auf drei Prozent fallen, mittelfristig seien aber nicht mehr als vier Prozent zu erwarten. „Wachstum, Inflation und Zinsen werden auf Sicht von fünf Jahren eher moderat bleiben“, glaubt Purps.

Niedrige Zinsen wiederum reduzieren die Investitionskosten. Damit steigen die Gewinnmargen der Unternehmen, deren Aktien dann mehr Kurspotenzial haben. So erklärt sich das scheinbar paradoxe Doppelhoch bei Renten und Aktien: Während am Anleihemarkt eher auf volkswirtschaftliche Daten spekuliert wird – im Moment auf weiter sinkende Zinsen im Euroraum –, zählen an der Börse die besseren Ertragsaussichten der Unternehmen. Rentenexperte Purps sieht die Doppelhausse schlicht als Folge der hohen Liquidität im Markt. Pensionsfonds, Versicherungen oder Anleger, die privat fürs Alter vorsorgen, suchten sichere Anlagemöglichkeiten für hohe Milliardenbeträge.

Sicher ist, dass Renten erheblich höher bewertet sind als Aktien. Würde man ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für zehnjährige Staatsanleihen errechnen, so läge es weit über 30, während der Dax bei einem KGV von etwa 12 notiert. Der langjährige Schnitt liegt bei 15. Für deutsche Standardwerte wird also ein hoher Risikoaufschlag verlangt. Die meisten Banken sehen deshalb auch weiter steigende Aktienkurse. Die DZ Bank glaubt an 5100 Dax-Punkte bis Jahresende, die Deutsche Bank erwartet 4800 bis 5000 Zähler. Rückschläge seien aber möglich.

Für Anleger gilt es also abzuwägen, auf welchen Märkten die größeren Verlustrisiken drohen. Besitzer von Renten sollten sich nach Meinung einiger Experten auf Kursrückgänge einstellen. Wer keinen Wertverlust erleiden will, müsste seine Anleihe also bis zum Ende der Laufzeit behalten. Hypo-Experte Purps rät Anlegern generell, bei der Auswahl der Laufzeit den persönlichen Zeithorizont zu berücksichtigen. 10-jährige Anleihen solle also nur kaufen, wer tatsächlich auch zehn Jahre auf das Geld verzichten könne. Claus Meyer-Cording, Leiter der Rentenabteilung beim Fondsanbieter DWS, rät konservativen Anlegern trotz der Anleihe-Hausse, etwa 50 Prozent des Geldes in Renten anzulegen. Um die Renditen zu erhöhen, könnten höher verzinste Anleihen aus Russland oder Mexiko, aber auch Unternehmensanleihen dem Depot beigemischt werden. So bietet eine Mexiko-Anleihe, die bis Februar 2020 läuft, aktuell eine Rendite von 4,96 Prozent. Auch Dollar-Anleihen böten einen knappen Prozentpunkt mehr Rendite, wobei zusätzlich ein Währungsrisiko bestehe, das den Zinsvorteil leicht aufzehren könne.

„Je nach Risiko-Appetit sollten nicht mehr als zehn Prozent in höher verzinste Anleihen fließen“, sagt Meyer-Cording. Wer sich die Mischung des Depots selbst nicht zutraue, greife am besten zu einem Rentenfonds. Im Schnitt haben deutsche Euro-Rentenfonds mit plus 6,8 Prozent jährlich seit Ende Mai 1985 auch beachtliche Renditen erwirtschaftet. Aktienfonds allerdings schafften im Schnitt 7,4 Prozent – trotz der dreijährigen Baisse.

Veronika Csizi

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