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Einzelhandel: Gute Zeiten für Schnäppchenjäger

Der Handel gibt das Jahr 2009 noch nicht verloren. Mit Rabatten und Sonderaktionen ködern Geschäfte zögernde Kunden.

Die Krise macht erfinderisch. Um den schleppenden Autoabsatz anzukurbeln, hat sich der belgische Kfz-Händler Cardoen ein besonderes Angebot einfallen lassen: „Kauf ein Auto und Du bekommst ein zweites gratis dazu.“ Auf seiner Website wirbt er zum Beispiel mit einem Hyundai Van H200 für 22 800 Euro. Wer den erwirbt, kann gleich auch noch einen Skoda Roomster Family mitnehmen. Deutsche Händler gehen nicht ganz so weit, aber auch hier gibt es Rabatte auf Rekordniveau. Einer aktuellen Studie zufolge gibt es beim Autokauf derzeit durchschnittlich 16,5 Prozent Abschlag. Rechne man die staatliche Abwrackprämie hinzu, summiere sich der Preisvorteil auf den historischen Höchststand von mehr als 20 Prozent, hat der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer ermittelt.

In der Wirtschaftskrise können die Verbraucher auch anderswo mit Vergünstigungen rechnen. „Schlechte Zeiten sind immer gute Zeiten für den Konsumenten, der noch etwas Geld in der Tasche hat“, sagt Wolfgang Twardawa. Der Handelsexperte der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat schon viele Krisen kommen und gehen sehen. Aus seiner Erfahrung schließt er für 2009: Die Händler liefern sich Rabattschlachten, viele Preise gehen runter, und so lange die Wirtschaftskrise nicht massiv auf den Arbeitsmarkt durchschlägt, werden viele Verbraucher die Gelegenheit nutzen, um Schnäppchen zu machen.

Obwohl für die Wirtschaft insgesamt die härteste Rezession seit dem Krieg heraufzieht, sind die Forscher der GfK für den Konsum verhalten optimistisch: Trotz Krise sei ein halbes Prozent Wachstum drin. Auch der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE), dem die Umsätze seit Jahren wenig Freude bescheren, sieht für das Krisenjahr nicht ganz so schwarz, wie man erwarten könnte. Das Ergebnis werde sich 2009 „in einem Korridor von null bis minus ein Prozent bewegen“ und sich damit positiv vom erwarteten Rückgang des Bruttoinlandsproduktes abheben, teilte der Verband mit. Experten rechnen für die deutsche Wirtschaft mit einem Minus von zwei bis drei Prozent.

Da steht die härteste Rezession seit dem Krieg an und ausgerechnet der Einzelhandel erwartet ein passables Geschäft? Grundlage für den relativ positiven Ausblick sind mehrere Faktoren: 2008 war ein Jahr mit extremen Preisanstiegen. Bis zum Sommer lag die Teuerungsrate bei Lebensmitteln ständig über sieben Prozent. Auch die Energie- und Benzinpreise legten bis zur Jahresmitte kräftig zu. Jetzt gehen sie in den Keller und das merken die Verbraucher sofort in ihrem Portemonnaie. Zudem gab es 2008 erstmals seit langem reale Lohnzuwächse und die Arbeitslosigkeit ging bis zum Winter weiter zurück.

Mehr Geld in der Tasche – schön und gut. Aber werden es die Verbraucher angesichts der Rezession nicht als Reserve in den Sparstrumpf stopfen statt sich neue Schuhe zu kaufen? 

Der Inflationsexperte Hans Wolfgang Brachinger glaubt das nicht. „Entscheidend für die Konsumneigung ist die Teuerung bei kaufhäufigen Produkten. Das sind Waren wie Lebensmittel oder Benzin, für die man fast täglich ins Portemonnaie greifen muss“, erklärt Brachinger, der Statistik an der Universität Fribourg lehrt. „Werden diese Güter teurer, sinkt die Konsumneigung, die Verbraucher legen ein Inflationspolster an.“ Doch seit Ende 2008 sind gerade viele dieser kaufhäufigen Güter billiger geworden oder zumindest kaum noch teurer, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen (siehe Grafik). „Dadurch sehen viele Verbraucher Spielraum für zusätzliche Konsumausgaben“, sagt Brachinger. „2009 könnte ein gutes Jahr für den Einzelhandel werden.“ Voraussetzung für ein Umsatzwachstum sei allerdings weitere Preisstabilität und kein schneller Anstieg der Arbeitslosenzahlen.

Bis jetzt sei die Krise bei den Konsumenten noch nicht angekommen, sagt Markus Preißner vom Kölner Institut für Handelsforschung. Die Händler würden jetzt versuchen, zögernde Kunden durch besondere Anreize zu ködern. „Angesichts der Krise herrscht Kaufzurückhaltung bei Produkten, deren Anschaffung sich aufschieben lässt“ sagt Preißner. Die werde etwa durch Rabatte, aber auch durch günstige Finanzierungsmodelle überwunden. „Durch Ratenkauf wird ein Teil der Bezahlung in die Zukunft verlagert, das macht es psychologisch leichter, sich für einen Kauf zu entscheiden.“

Auch Klaus Radtke, Geschäftsführer der Elektrokette Innova, lässt sich einiges einfallen, damit die Konsumenten ihr Geld in seinen sieben Berliner Fachmärkten ausgeben. Er bietet zum Beispiel „Konsumgutscheine“ von 500 Euro gegen die Krise, die es beim Kauf einer Küche ab 3000 Euro gibt. Wer sich einen großen Flachbildschirm anschaffen will, kann ihn über 72 Monate in kleinen Raten bei Null-Prozent-Finanzierung abzahlen. „Wir haben es gelernt, mit kleinen Margen zu leben“, sagt Radtke, der angibt, er verkaufe zurzeit auch nicht schlechter als vor einem Jahr. Es könnte aber noch besser laufen: „Schade, dass es keine Abwrackprämien für alte Waschmaschinen und Kühlschränke gibt.“

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