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Erbschaftssteuer: Oma ihr groß’ Häuschen

Die Politik hat sich auf eine Reform der Erbschaftsteuer geeinigt. Viele zahlen künftig mehr. Sie sollten jetzt schnell zum Notar gehen.

Die letzten Wochen des Jahres können hektisch werden. Denn nachdem sich die Politiker der großen Koalition auf den letzten Drücker nun doch noch auf eine Reform der Schenkung- und Erbschaftsteuer geeinigt haben, sind viele Menschen gut beraten, noch in diesem Jahr zum Notar zu gehen. Geschwistern und entfernteren Verwandten drohen nämlich im nächsten Jahr deutlich höhere Erbschaft- und Schenkungsteuern.

WER PROFITIERT?

Eine gute Nachricht für die engsten Angehörigen. Vom neuen Steuerrecht, das am 1. Januar 2009 in Kraft treten soll, profitieren Ehepartner, Kinder, Enkel und Urenkel. Sie erhalten künftig deutlich höhere Freibeträge als heute und können daher in aller Ruhe die Steuerreform abwarten (siehe Grafik).

WER VERLIERT?

Die Verlierer der Reform sind nach derzeitigem Stand Geschwister, Nichten, Neffen, Schwiegereltern, -kinder sowie Paare ohne Trauschein und Freunde, die den Steuerklassen II und III zugeordnet sind. Zwar sollen auch deren Freibeträge steigen, gleichzeitig klettern jedoch die Steuersätze empfindlich in die Höhe. Wer den Steuerklassen II und III angehört, zahlt künftig auf Ererbtes oder Geschenktes vom ersten Euro an mindestens 30 Prozent Steuern, das ist deutlich mehr als bislang (siehe Grafik). Für Erbschaften oder Schenkungen, deren Wert über 5,113 Millionen Euro liegt, müssen sie sogar die Hälfte an den Fiskus abführen.

Das hat Konsequenzen: Wer seinem Bruder, seiner Nichte oder seinem besten Freund größere Summen oder gar eine Immobilie zukommen lassen möchte, sollte das unbedingt noch in diesem Jahr erledigen.

Anders ist die Sache dagegen bei den eingetragenen Lebenspartnerschaften. Zwar steigt auch für sie der Steuersatz, im Gegenzug bekommen die Partner jedoch künftig einen hohen Freibetrag von 500 000 Euro (heute: 5200 Euro). In den meisten Fällen dürften die gleichgeschlechtlichen Paare daher besser fahren, wenn sie Schenkungen nach dem neuen Recht abwickeln.

WERDEN IMMOBILIEN TEURER?

Immobilien zu vererben wird grundsätzlich teurer. Das ist eine unmittelbare Folge des Verfassungsgerichtsurteils aus dem Jahr 2006, das der Grund für die Reform der Erbschaftsteuer war. Das Bundesverfassungsgericht hatte seinerzeit bemängelt, dass Immobilien bei der Berechnung der Steuer nicht mit ihrem Verkehrswert, sondern nur mit dem deutlich niedrigeren Einheitswert angesetzt werden. Der Einheitswert liegt nur bei rund 60 Prozent des Verkehrswertes. Wird eine Immobilie vererbt oder verschenkt, zahlt der Empfänger daher derzeit deutlich niedrigere Steuern als bei einer Übertragung von Aktien oder Bargeld gleichen Wertes. Und es gibt noch eine Besonderheit: Wird das Familienheim – egal ob Wohnung oder Haus – dem Ehepartner geschenkt, fällt überhaupt keine Schenkungsteuer an – egal, wie hoch der Wert der Immobilie ist.

HÄUSER JETZT VERSCHENKEN?

Um die Vererbung von Immobilien hatte es bis zuletzt Streit unter den Koalitionspartnern gegeben. Vor allem die CSU um Parteichef Horst Seehofer hatte darauf gedrängt, dass selbst genutzte Immobilien unter engen Verwandten übertragen werden, ohne dass Erbschaft- oder Schenkungsteuern anfallen.

Der Kompromiss sieht jetzt so aus: Eigenheime und -wohnungen sollen künftig steuerfrei an den Ehepartner und die Kinder vererbt werden, wenn diese die Immobilie mindestens zehn Jahre lang selbst bewohnen. Eine Vermietung oder Verpachtung während dieses Zeitraums ist ausgeschlossen, auch die Anmeldung eines zweiten Wohnsitzes reicht nicht. Bei Kindern kommt hinzu, dass nur Immobilien mit einer Größe von maximal 200 Quadratmetern steuerfrei vererbt werden können, für jeden Quadratmeter darüber fällt anteilig Erbschaftsteuer an.

Rolf Rahm, Fachanwalt für Erbrecht im Berliner Büro der Ecovis-Gruppe, rät Ehepaaren, wegen der geplanten Auflagen darüber nachzudenken, das Familienheim noch in diesem Jahr per Schenkung einem Eheteil zu übertragen. Das kann etwa bei einem großen Altersunterschied der Partner sinnvoll sein. Allerdings sollte eine solche Schenkung niemals ohne Sicherungen erfolgen, warnt Rahm: „Der Schenker sollte sich auf jeden Fall beim Notar ein dingliches Wohnrecht eintragen lassen.“

WO IST EILE GEBOTEN?

Besonders problematisch wird es künftig dann, wenn eine Immobilie an ein Mitglied der Steuerklasse II oder III vererbt werden soll. „Wenn eine Nichte vom Onkel ein Haus im Wert von 600000 Euro erbt, werden künftig 174000 Euro Erbschaftsteuer fällig“, warnt Klaus Michael Groll vom Deutschen Forum für Erbrecht in München. Der Grund: Die Nichte hat nur einen niedrigen Freibetrag von 20 000 Euro, und sie muss vom nächsten Jahr an bereits ab dem ersten Euro 30 Prozent Erbschaftsteuer zahlen. Hinzu kommt noch, dass der Wert der Immobilie im Vergleich zur aktuellen Regelung ab dem kommenden Jahr um rund 40 Prozent höher angesetzt wird. Konsequenz: Wer darüber nachdenkt, seinen Geschwistern, entfernteren Verwandten oder seinem unverheirateten Lebenspartner eine Immobilie zu schenken, sollte noch in diesem Jahr zum Notar gehen.

REICHT DAS VERSPRECHEN?

Für die Frage, ob altes oder neues Steuerrecht gilt, ist das Timing entscheidend. Beim Verschenken oder Vererben von Geld kommt es darauf an, dass das Geld auf dem Konto des Empfängers eingegangen ist. „Das reine Schenkungsversprechen reicht nicht“, warnt Wolfgang Wawro, Präsident des Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg. Beim Übertragen einer Immobilie muss der notarielle Vertrag noch in diesem Jahr geschlossen werden.

SOLLTE MAN HEIRATEN?

Das neue Recht privilegiert Verheiratete gegenüber Paaren ohne Trauschein: Neben dem neuen persönlichen Freibetrag von 500 000 Euro, den niedrigeren Steuersätzen und dem steuerfreien Erbe von Immobilien gibt es für Verheiratete auch noch einen hohen Versorgungsfreibetrag von 256 000 Euro. Eine Heirat könnte sich daher nach dem neuen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht durchaus lohnen. Außerdem können Ehepaare vom Ehegattensplitting profitieren. Ob steuerliche Gründe jedoch eine gute Voraussetzung für eine glückliche Ehe sind, steht auf einem anderen Blatt.

WAS IST MIT FIRMEN?

Firmenerben werden bereits heute steuerlich bevorzugt behandelt. Künftig sollen sie in die Lage versetzt werden, den Betrieb sogar komplett steuerfrei zu übernehmen. Allerdings ist das daran geknüpft, dass der Betrieb mindestens zehn Jahre lang weitergeführt wird und in diesen Jahren die Lohnsumme konstant bei 1000 Prozent bleibt. Das heißt: Ein Stellenabbau ist im Prinzip ausgeschlossen. Verstößt der Erbe gegen diese Regel, muss er Steuern nachzahlen. Wer dieses Risiko nicht eingehen will, kann sich für eine zweite Variante entscheiden. Bei dieser führt der Nachfolger die Firma sieben Jahre lang fort und zahlt dann anschließend 15 Prozent Steuern auf das Betriebsvermögen. Die Lohnsumme muss hier – verglichen mit dem Zeitpunkt der Übernahme – bei mindestens 650 Prozent liegen und muss nicht 700 Prozent betragen. Ein geringer Stellenabbau wäre bei dieser Variante also möglich. Welche der beiden Alternativen gelten soll, muss der Erbe am Anfang bestimmen – und ist dann unwiderruflich darauf festgelegt.

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