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Krebs macht Angst. Eine Versicherung gegen die Krankheit gibt es nicht, nur eine Absicherung der finanziellen Risiken.

© imago/Science Photo Library

„Geschäft mit der Angst“: Verbraucherschützer sind empört über Krebsversicherung

Das Berliner Start-up Getsurance bietet eine Versicherung an, die bei Krebserkrankungen zahlt. Was taugt die Police?

Regentropfen laufen an der Scheibe herunter, eine Frau schaut in die Ferne. Sie sieht traurig aus. Genauso wie das kleine Mädchen, das auf dem Arm der Mutter sitzt. „Bei Krebs droht Geldnot“, mahnen die Anzeigen im Internet. Zum Glück weiß die Werbung gleich die passende Antwort: „Sorge rechtzeitig vor.“

Gemeint ist nicht etwa die regelmäßige Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen, sondern der Abschluss einer Krebsversicherung. Eine solche Police bietet das Berliner Start-up Getsurance an, das hinter den Anzeigen steckt. Sie soll die finanziellen Folgen einer Krebserkrankung mildern.

Bis zu 100 000 Euro zahlt die Krebsversicherung, wenn man selbst oder eines der Kinder die Krebsdiagnose bekommt. Ältere können maximal 50 000 Euro absichern.

Viele Fälle sind nicht versichert, kritisieren Verbraucherschützer

Verbraucherschützer sind empört. „Das ist ein Geschäft mit der Angst“, sagt Michael Wortberg von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Die Krebsversicherung hält er für „reine Geldmacherei“. In vielen Fällen würde die Versicherung nicht zahlen, weil etwa gutartige Tumore oder Vorstufen von Krebs nicht abgedeckt sind. Zudem gibt es eine Wartezeit von sechs Monaten.

Der Bund der Versicherten teilt die Kritik. „Die Einmalzahlung taugt nicht als Absicherung gegen einen Verdienstausfall“, gibt Kim Paulsen zu bedenken. Zudem sei es unsinnig, eine Versicherung abzuschließen, die nur eine bestimmte Krankheit erfasst. „Krebs ist nur in 15 Prozent der Fälle Grund für eine Berufsunfähigkeit“, berichtet der Verbraucherschützer. „Die anderen 85 Prozent sind nicht abgesichert“.

Paulsen und Wortberg empfehlen, statt der Krebsversicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Diese zahlt, wenn man aufgrund einer Krankheit nicht mehr arbeiten kann – egal, woran man leidet. „Eine Berufsunfähigkeitsversicherung bietet einen viel umfassenderen Schutz“, sagt Paulsen.

Diagnose Lungenkrebs. Experten rechnen damit, dass die Zahl der Krebserkrankungen zunimmt. Die gute Nachricht: Die Heilungschancen steigen.
Diagnose Lungenkrebs. Experten rechnen damit, dass die Zahl der Krebserkrankungen zunimmt. Die gute Nachricht: Die Heilungschancen steigen.

© picture alliance / dpa

Getsurance-Gründer und Geschäftsführer Johannes Becher weist die Kritik zurück. Viele Menschen könnten sich eine solche Berufsunfähigkeitsversicherung nicht leisten, weil sie Vorerkrankungen haben oder in einem Job arbeiten – etwa als Dachdecker –, der als riskant gilt. „Es ist doch besser, man hat etwas Absicherung als gar keine“, meint Becher. Krebs sei immerhin eine der häufigsten Erkrankungen.

Das stimmt. Für dieses Jahr sagen Fachleute voraus, dass rund 500 000 Menschen neu an Krebs erkranken werden. Ältere sind sehr viel häufiger betroffen als junge Leute. Die Krebsdiagnose löst zwar Angst aus, ist aber nicht zwangsläufig ein Todesurteil. Denn die Lebenserwartung Krebskranker steigt. Starben 1980 noch mehr als zwei Drittel der Krebspatienten an ihrer Krebserkrankung, kann heute mehr als die Hälfte auf dauerhafte Heilung hoffen, weiß das Deutsche Krebsforschungszentrum.

Getsurance verspricht unbürokratische Hilfe

Getsurance verspricht Betroffenen schnelle Hilfe. Man zahle, sobald das Attest des Facharztes vorliegt und eine Bescheinigung der Krankenkasse, welche Behandlungen man in den vergangenen 18 Monaten hatte, versichert Becher. Das soll sicherstellen, dass Kunden nicht schon bei Versicherungsabschluss eine Krebsdiagnose hatten.

Weitere Einschränkungen: Wer in den letzten zehn Jahren einen Tumor hatte, wird nicht versichert – auch dann nicht, wenn es sich um einen alltäglichen Hautkrebs wie ein Basaliom handelt. Bei schwarzem Hautkrebs springt die Versicherung erst ein, wenn die operierte Stelle größer als zwei Millimeter ist. Leukämie ist nur dann ein Versicherungsfall, wenn die Blutarmut zu Krankheitssymptomen führt.

Was die Police kostet

Getsurance wirbt damit, dass es den Versicherungsschutz schon ab 9,95 Euro im Monat gibt. Üblich seien aber Prämien zwischen 15 und 20 Euro im Monat, räumt Becher ein.

Beispielrechnungen zeigen: Knapp 28 Euro zahlt ein 24-Jähriger, wenn er 100 000 Euro versichern will. Wer als 58-Jähriger eine Police über 50 000 Euro abschließt, gibt deutlich mehr aus: 40,99 Euro im Monat.

Verbraucherschützer raten Kunden jedoch, die Flinte nicht zu schnell ins Korn zu werfen. Wer Probleme habe, eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu finden, solle sich an spezialisierte Makler etwa an das „BUForum 24“ wenden, rät Michael Wortberg. Sollte auch das nicht klappen, sei eine Dread-Disease-Police, die mehrere schwere Erkrankungen und nicht nur Krebs abdeckt, die bessere Wahl.

Welchen Alternativen es gibt

Solche Policen gibt es in verschiedenen Ausführungen. Cosmos Direkt zahlt in den teureren Risikolebensversicherungsvarianten „Comfort-Schutz“ und „Comfort-Plus-Schutz“ die vereinbarte Versicherungssumme aus, wenn Kunden an einer unheilbaren, tödlichen Krankheit leiden und wahrscheinlich nur noch maximal ein Jahr zu leben haben. Bei der Dialog Lebensversicherung ist der Dread-Disease-Schutz eine Option in der klassischen Berufsunfähigkeitsversicherung. Bei bestimmten schweren Erkrankungen – darunter Schlaganfall, Krebs, chronisches Nierenversagen – bekommen Kunden die vereinbarte Einmalzahlung unabhängig davon, ob eine Berufsunfähigkeit besteht oder nicht.

Viele Versicherungen decken nicht nur Krebs, sondern auch weitere schwere Erkrankungen ab. Verbraucherschützer halten das für sinnvoller.
Viele Versicherungen decken nicht nur Krebs, sondern auch weitere schwere Erkrankungen ab. Verbraucherschützer halten das für sinnvoller.

© dpa

Marktführerin Allianz hat eine sogenannte Körperschutzpolice im Angebot. Sie zahlt eine monatliche Rente, wenn unfall- oder krankheitsbedingt bestimmte Tätigkeiten wie Gehen, Heben, Sitzen, Schreiben, Sehen oder Hören verloren gehen. Wer an Krebs, Multipler Sklerose oder Querschnittslähmung erkrankt, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleidet oder ins Koma fällt, bekommt eine Einmalzahlung von bis zu 60 000 Euro.

Ein 35-Jähriger, der eine Rente von 1000 Euro plus eine Kapitalzahlung in Höhe einer Jahresrente versichert, muss dafür gut 51 Euro im Monat ausgeben. Allerdings zahlt die Versicherung erst nach 28 Tagen. Stirbt der Patient vorher, ist der Versicherer frei.

Berliner Ideal-Versicherung hat auf die Kritik reagiert

Bei der Berliner Ideal-Versicherung ist das anders. Die Versicherungssumme wird auch dann fällig, wenn der Versicherte frühzeitig stirbt. Auch die Ideal hatte früher eine reine Krebsversicherung angeboten, musste sich für ihren „Krebs-Airbag“ jedoch heftige Kritik von Verbraucherschützern anhören.

Seit März vergangenen Jahres gibt es diese Police nicht mehr. Sie ist abgelöst worden von der Dread-Disease-Police „Total Protect“. Die neue Versicherung sichert nicht einen bestimmten Katalog ab, sondern alle dauerhaften schweren Erkrankungen. Das heißt: Es sind auch Krankheiten versichert, „die noch nicht bekannt sind beziehungsweise die derzeit noch zu keinen Einschränkungen führen“, heißt es bei der Ideal.

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