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Wirtschaft: Heimweh

Wie finde ich ein gutes Heim? Wann sollte ich misstrauisch werden? Was Pflegebedürftige und Angehörige wissen müssen

Manchmal reicht ein Sturz mit einem komplizierten Schenkelhalsbruch, oft ist es ein schleichender körperlicher Verfall oder eine fortschreitende Demenz – plötzlich wird ein Mensch zum Pflegefall. Was dann? Rund 96 000 Menschen sind in Berlin pflegebedürftig. Davon werden 46 000 zu Hause von ihren Angehörigen versorgt. Bei weiteren 23 000 Betroffenen übernehmen dies ambulante Dienste in den eigenen vier Wänden. 27 000 Pflegebedürftige sind in Heimen untergebracht.

Das Angebot an solchen Dienstleistern in Berlin ist unübersichtlich groß: Über 400 ambulante Pflegedienste und rund 300 Pflegeheime mit rund 28 000 Plätzen bieten ihre Hilfe an. Und das offenbar in höchst unterschiedlicher Qualität, wie der Ende August vorgelegte bundesweite Bericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen belegt.

WIE FINDE ICH EIN GUTES PFLEGEHEIM?

Nähe. Als ersten Schritt sollte man eine Vorauswahl von Heimen treffen, die man genauer unter die Lupe nehmen möchte. Die meisten Menschen gehen dabei nach lokalen Gesichtspunkten vor. Sie suchen die Nähe zum eigenen Kiez, um die sozialen Kontakte nicht zu verlieren, oder aber die Nachbarschaft zu Verwandten, um Besuche zu erleichtern.

Ausstattung. „Manchmal aber ist die Ausstattung des Heims das entscheidendere Kriterium, wenn es um bestimmte Pflegebedürftige wie Demenzerkrankte oder um Wachkomapatienten geht“, sagt Gabriele Tammen-Parr von der Berliner Beratungsstelle „Pflege in Not“. Eine erste grobe Orientierung bietet zum Beispiel die Pflegeheimliste der Senatssozialverwaltung (www.berlin.de/sen/soziales/pflege/angebot/langzeitpflege.html).

Besuch. Als zweiter Schritt führe an einem persönlichen Besuch in den ausgewählten Pflegeheimen kein Weg vorbei, sagt Martina Wilcke-Kros vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) Berlin-Brandenburg, der unter anderem für die Kontrolle der Heime zuständig ist. „Vor der Entscheidung sollte die sinnliche Erfahrung stehen.“ Das gelte zum Beispiel für den Geruch. Riecht es nach Urin, könne das ein Hinweis auf Qualitätsmängel sein, zum Beispiel, weil die Bewohner die Windeln zu lange am Körper tragen müssen oder aber die Toiletten nicht ausreichend gereinigt werden.

Natürlich hänge beim ersten Eindruck auch viel vom persönlichen Geschmack ab: „Manch einer bevorzugt ein architektonisch modernes Haus, andere wollen es altmodisch gediegen und gemütlich“, sagt Wilcke-Kros.

WELCHE FRAGEN SOLLTE MAN VOR DER ENDGÜLTIGEN ENTSCHEIDUNG STELLEN?

Gespräch. Haben Sie keine Hemmung, ausführliche Beratungsgespräche zu fordern: Es gibt in Berlin mehr Heimplätze als Pflegebedürftige. Die Heime konkurrieren untereinander und werden sich um neue Bewohner bemühen. Schon das ist ein Qualitätshinweis: Drückt mir nur irgendjemand zwischen Tür und Angel einen Prospekt in die Hand, oder nimmt man sich Zeit für ein ausführliches Gespräch und zeigt bereitwillig das Haus? Noch besser sei es, wenn das Heim eine Referenzperson für Auskünfte stellen könne, der kein eigenes Interesse daran habe, einen Platz zu belegen, sagt Wilcke-Kros – entweder einen Bewohner oder einen ehrenamtlichen Mitarbeiter. Richtiger Ansprechpartner. „Interessenten sollten bei den Informationsbesuchen darauf bestehen, mit der Pflegedienstleitung sprechen zu können und nicht mit irgendeinem Marketingmanager“, rät Tammen-Parr.

Bezugsperson. Wichtig auch: Gibt es in dem Heim eine Bezugspflege? Wird jedem Bewohner also eine Pflegekraft zugeteilt, die sich regelmäßig um ihn kümmert, Probleme löst und für Beschwerden ansprechbar ist – und zwar namentlich? „Es genügt nicht, die Frage nur zu bejahen“, sagt Wilcke-Kros.

Gerade bei Demenzerkrankten sollte man genau nachfragen, welches Angebot das Heim zur Verfügung stellt – und zwar möglichst konkret. „Es muss nachvollziehbar erklären, wie genau es Demenzerkrankte betreut“, sagt Wilcke-Kros.

Kündigungsfristen. Lesen Sie den Heimvertrag genau, zum Beispiel die Kündigungsfristen, rät Wolfgang Bauer, Pflegeexperte der AOK Berlin. „Die Fristen sollten möglichst kurz sein.“ Das ist wichtig, um etwa bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes schnell in ein Spezialheim wechseln zu können. Kurzfristig, das heißt, maximal eine Woche.

Wartelisten. Gleichzeitig gibt es aber auch Heime mit Wartelisten. „Dies kann ein starker Hinweis auf eine gute Qualität in dem Heim sein, die sich herumgesprochen hat“, sagt Tammen-Parr. Die Dauer der Wartezeiten sei schwer vorhersehbar: „Wenn ein Heim voll belegt ist, dann kann da eigentlich nur ein Platz frei werden, wenn jemand stirbt.“

TEUER GLEICH GUT?

Trotz der Leistungen der Pflegeversicherung bleibt gerade in Pflegeheimen noch ein erheblicher Eigenanteil, den die Bewohner aufbringen müssen – und wenn sie dies nicht können, dann die Angehörigen oder die Sozialhilfe. Im Schnitt kostete ein Pflegeheimplatz der Pflegestufe III im Jahr 2005 in Berlin 2220 Euro im Monat – die Pflegekasse zahlt davon aber nur 1432 Euro. Die Zuzahlungsspanne kann dabei erheblich größer sein, denn je nach Ausstattung verlangen Heime 3000 Euro und mehr im Monat. Doch teuer gleich gut, diese Rechnung geht nicht auf, heißt es übereinstimmend beim MDK und der Beratungsstelle „Pflege in Not“. Die Qualitätsunterschiede seien zum Teil enorm – unabhängig vom Preis.

WER HILFT WEITER?

Die Datenbank der Berliner Koordinierungsstellen „Rund ums Alter“ hilft bei der Suche nach einem geeigneten Pflegedienstleister: Telefon 0180/595 00 59 (Montag bis Freitag 9–18 Uhr; zwölf Cent/ Minute) oder im Internet www.hilfelotse-berlin.de. Auch die AOK hat eine Pflegeheimdatenbank ins Internet gestellt: www.aok-pflegeheimnavigator.de. Das Beratungs- und Beschwerdetelefon „Pflege in Not“ berät Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegepersonal bei Problemen in der privaten Pflege zu Hause oder im Zusammenspiel mit Pflegediensten oder -heimen, Telefon: 030/6959 8898 (Montag bis Freitag 10–12 Uhr). Zur Meldung vermuteter gravierender Mängel ist die Berliner Heimaufsicht unter Telefon 030/90120 erreichbar.

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