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Wirtschaft: In die Höhe

Ab Freitag können Aktien von Air Berlin gekauft werden / Vom Börsengang profitieren die Altaktionäre

Vom 28. April an können Anleger Aktien von Air Berlin zeichnen. Am 5. Mai beginnt dann der Handel mit den Papieren an der Börse in Frankfurt. Die auf günstige Urlaubs- und Geschäftsreisen spezialisierte Fluglinie wird nach Einschätzung von Analysten mit dem Börsengang voraussichtlich zwischen 600 und 800 Millionen Euro einnehmen. Knapp 60 Prozent der Aktien sollen aus einer Kapitalerhöhung kommen, die restlichen 40 Prozent aus Aktienverkäufen der Altaktionäre. Von den erwarteten 350 Millionen Euro durch die Kapitalerhöhung fließen abzüglich der Kosten für den Börsengang dem Unternehmen schätzungsweise 290 Millionen Euro direkt zu.

Stefan Schmielewski vom Düsseldorfer Brokerhaus Lang und Schwarz sieht Air Berlin für den Börsengang gut aufgestellt: „Das Unternehmen hat sich auf Urlaubsflüge spezialisiert und verfügt über ein erprobtes Geschäftsmodell. Außerdem beteiligt es sich nicht unbedingt an teuren Preiskämpfen.“ Das Chemieunternehmen Wacker habe mit seinem Börsengang am 10. April eine gute Vorlage geliefert. Air Berlin treffe auf dem Markt eine gute Stimmung an. Davon profitiere das Unternehmen, obwohl es in einem schwierigen Bereich unterwegs sei. „Die Luftfahrt ist wegen des steigenden Ölpreises und der Gefahr von terroristischen Anschlägen bei Anlegern nicht unbedingt die gefragteste Branche“, sagt Schmielewski.

An dem Börsengang werden die Altaktionäre kräftig mitverdienen. Sie verkaufen die Hälfte ihrer Aktien. Die andere Hälfte wollen sie für sechs Monate halten. Konzernchef Joachim Hunold, dem fünf Prozent an Air Berlin gehören, will seine Aktien nach dem Börsengang sogar 18 Monate behalten. Dies könnte ein Zeichen des Vertrauens in die Stärken des Unternehmens sein, was aber von Aktionärsschützern bezweifelt wird. „Meiner Ansicht nach ist das ein Marketinggag“, sagt Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. „Kein Anleger kann sich darauf verlassen, dass solche Zusagen auch eingehalten werden.“ Denn wenn die Konsortialbanken zustimmten, könnten die Aktien trotzdem vor dem versprochenen Zeitpunkt verkauft werden.

Air Berlin wird etwa die Hälfte des Aktienerlöses in den Kauf 60 neuer Airbus-Jets vom Typ A320 investieren. Ein weiterer Teil fließt in die Ausweitung des Streckennetzes, zehn Prozent dienen der Tilgung von Schulden. Noch 2005 machte Air Berlin einen Verlust von 115 Millionen Euro, was der Konzern vor allem mit einem Wechsel in der Bilanzierung und dem gestiegenen Ölpreis begründet. Die beiden Konsortialbanken Commerzbank und Morgan Stanley erwarten für das laufende Jahr einen Gewinn von 50 Millionen Euro, für 2007 sind 80 Millionen Euro angepeilt. „Diese Aussagen sind mit Vorsicht zu genießen, weil die Banken ein Interesse daran haben, dass der von ihnen betreute Börsengang erfolgreich wird“, sagt Aktionärsschützer Kunert. Deshalb fordert er von Air Berlin selbst Aussagen zu Umsatz und Gewinn, zumindest für das erste Quartal 2006. Bei aller Kritik begrüßt Kunert allerdings den Börsengang: „Er kann ein weiteres Zeichen für die Belebung des Marktes sein.“ Langfristig erwartet er, dass das Air Berlin-Papier im M-Dax gelistet wird.

Nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes 2001 traute sich kaum noch ein Unternehmen an die Börse. Im Rekordjahr 1999 zählte das Deutsche Aktieninstitut 175 Börsengänge, 2002 waren es nur noch sieben. Doch seit 2005 gibt es wieder mehr Neuemissionen: 53 Unternehmen gingen im vergangenen Jahr an die Börse. „Fast alle Werte haben sich erfreulich entwickelt“, sagt Eberhard Dilger, Leiter des Aktienemissionsgeschäfts der Commerzbank. Wegen der freundlichen Märkte erwartet er auch in diesem Jahr eine ähnliche Zahl von Neuemissionen. Von Seiten institutioneller Anleger werde ein deutliches Interesse bekundet. Schon der erste Börsengang des Jahres sorgte für Furore: Die Aktie des Nanotechnikunternehmens Neosino kletterte seit dem ersten Handelstag am 4. Januar von 55,55 Euro auf derzeit 112 Euro. Allerdings werden Neosino-Aktien als so genannter Entry Standard am offenen Markt gehandelt. Größere Kursschwankungen sind hier die Regel. Anleger sollten sich deshalb darüber informieren, in welchem Marktsegment die Aktie des Unternehmens geführt wird, in das sie beim Börsengang investieren wollen.

„Nur als Prime Standard kann das Unternehmen auch in einem der großen Indizes gelistet werden“, sagt Roland Aulitzky von der Stiftung Warentest. Erst dann werde eine Aktie auch für institutionelle Anleger attraktiv. Mit deren Einstieg verringere sich die Volatilität der Papiere und damit auch das Risiko. Außerdem verpflichte die Notierung als Prime Standard das Unternehmen zu einer größeren Transparenz. Weiterer Tipp von Aulitzky: Anleger sollten das Unternehmen mit Konkurrenten vergleichen, die bereits am Markt sind und die womöglich bessere Chancen für Kurssteigerungen bieten.

Henning Zander

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