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© T. Rückeis

Interview: "Ich schau’ immer drauf, was drin ist"

Die Verbraucher sind nach Ansicht von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) mitschuldig daran, dass ihnen falscher Käse oder Schinken verkauft wird. Die Ministerin über die Verantwortung der Kunden beim Einkauf.

Frau Aigner, wie lange brauchen Sie für einen durchschnittlichen Lebensmittel-Einkauf?



Eine Viertelstunde – wenn ich mir vorher einen Zettel schreibe und nicht ins Ratschen komme.

Reicht die Zeit, um die Angaben auf den Packungen zu lesen?

Selbstverständlich. Ich schau’ immer drauf, was drin ist. Ich finde, das ist eine Entscheidungshilfe.

Wirklich? Die Nährwertangaben beziehen sich doch oft nur auf Miniportionen.

Deshalb haben wir mehrfach an die Lebensmittelwirtschaft appelliert, für realistische Portionsgrößen zu sorgen.

Bisher sind alle Angaben freiwillig, künftig sollen sie verpflichtend sein.

Ja, künftig sollen die Hersteller auf allen Packungen den Gehalt an Kalorien, Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker, Salz und Kohlehydraten angeben müssen. Ich finde das gut. In der EU wird eine entsprechende Verordnung gegenwärtig beraten.

Wäre eine Lebensmittelampel nicht viel einfacher als solche Zahlenkolonnen?

Eine Ampel wäre zu simpel und keine wirkliche Information für die Verbraucher. Welchen Nährwert ein Lebensmittel hat, ist doch auch eine Frage der Menge. Nüsse zum Beispiel sind Bestandteil einer guten Ernährung, aber nicht kiloweise. Apfelsaft enthält Fruchtzucker, ist aber trotzdem gesünder als manches Null-Kalorien-Getränk.

Wird die neue EU-Verordnung den Herstellern zumindest vorschreiben, die Portionsgrößen lebensnah anzugeben?

Ich würde das begrüßen. Wenn die halbe Pizza bereits als Portion bezeichnet wird, ist das nicht sehr lebensnah. In den Beratungen in Brüssel sucht man nach einer praxisnahen Lösung.

Verbraucherschützer sagen, die Lebensmittelhersteller hätten eine zu starke Lobby, und das Ministerium knicke regelmäßig vor ihnen ein. Bei der Ampel, aber auch beim Ruf nach schärferen Gesetzen gegen Lebensmittelimitate.

Diese Kritik ist abwegig. Bei der Nährwertkennzeichnung haben wir meiner Meinung nach einen guten Weg gefunden. Unser Modell ist ein wesentlicher Gewinn für die Verbraucher, das belegen auch die Umfragen.

Warum dürfen Hersteller Erdbeeren auf dem Jogurtbecher zeigen, obwohl nur Erdbeeraroma drin ist?


Klar ist: Die Verbraucher dürfen nicht getäuscht werden. Aber was empfinden Kunden als Täuschung? Hier gibt es eine Grauzone, die wir besser ausleuchten wollen, indem wir die Verbraucher selbst zu Wort kommen lassen – im Internet, aber auch durch Umfragen.

Und was geschieht, wenn sich herausstellt, dass der Kunde von einem Erdbeerjogurt auch Erdbeeren erwartet?


Wir werden im Lebensmittelbuch die Abbildungen auf Verpackungen besser regeln. Das ist wichtig, damit die zuständigen Länderbehörden Rechtssicherheit bei der Durchsetzung des Täuschungsschutzes haben.

Ein anderes Problem sind Imitate – etwa Analog-Käse. Warum verbieten Sie Imitate nicht im Alleingang?

Das Lebensmittelrecht ist europäisch. Und das ist auch richtig so. Es würde nichts bringen, deutschen Herstellern etwas vorzuschreiben, was für Importlebensmittel nicht verpflichtend wäre. Aber ich finde, auch die Verbraucher tragen eine gewisse Verantwortung. Wenn für den Kunden immer nur der Preis entscheidend ist, wird die Wirtschaft immer versuchen, diesen Preis zu drücken. Notfalls auch mit Imitaten.

Sind Lebensmittel bei uns zu billig?

Für jemanden, der jeden Cent umdrehen muss, sicher nicht. Aber viele Bürger hätten durchaus die Möglichkeit, andere Prioritäten zu setzen.

Treiben die Discounter die Preise zu sehr nach unten?

Die Discounter liefern sich einen gnadenlosen Preiskampf untereinander. Davon profitieren die Kunden, nicht aber die Erzeuger. Ich spreche daher mit der betroffenen Wirtschaft und dem Handel, wie faire Preise in der Lebensmittelkette erreicht werden können.

Werden die Lebensmittel schlechter, weil die Preise sinken?

Deutsche Lebensmittel zählen zu den sichersten und qualitativ hochwertigsten der Welt – niemand muss sich Sorgen machen. Aber es geht um die weitere Entwicklung. Wenn langfristig immer nur der niedrigste Preis regiert, kann das irgendwann zulasten der Qualität gehen. Das will ich frühzeitig verhindern.

Wollen Sie ein bestimmtes Preisniveau vorschreiben?

Nein, das können und das wollen wir nicht. Wir müssen aber versuchen, bei den Verbrauchern ein neues Bewusstsein zu schaffen. Bisher ist es doch so: Was ich anhabe, welches Auto ich fahre, wohin ich in Urlaub fahre – das sind Prestigefragen, aber was ich esse, nicht.

Aber Markenlebensmittel sind nicht unbedingt besser als die billigeren Eigenmarken der Supermärkte …

Deshalb brauchen wir aufgeklärte, gut informierte Verbraucher. Und eine gute Kennzeichnung.

Brauchen wir auch ein besseres Verbraucherinformationsgesetz, bei dem sich die Hersteller nicht mehr hinter Betriebsgeheimnissen verstecken können?


Wir haben in der vergangenen Bundesregierung erstmals durchgesetzt, dass der Bürger einen Anspruch auf Aufklärung bei den Landes- und Bundesbehörden hat. Das war ein großer Fortschritt, und man sollte dieses Gesetz nicht ständig madig machen. Im Gesetz selbst ist aber bereits vorgesehen, dass wir die Regelung überprüfen und wenn nötig optimieren. Die Überprüfung wird bis Mai abgeschlossen sein. Wir sollten das Ergebnis der Überprüfung erst einmal abwarten.

Was halten Sie davon, die Smileys, die es in Berlin für die Bewertung von Restaurants gibt, bundesweit einzuführen?

Das können die Länder selbst entscheiden. Smileys sind eine gute Sache, aber es muss dann natürlich gewährleistet sein, dass alle Restaurants untersucht werden, dass fair beurteilt wird und dass es genug Kontrolleure gibt.

Wie bereiten Sie sich auf die Grüne Woche vor? Beim Eröffnungsrundgang müssen Sie ja ordentlich essen und trinken.

Ich freue mich auf die Eröffnung der Grünen Woche. Man trifft viele Menschen, kann verschiedene Sachen probieren und staunt immer wieder über die enorme Vielfalt der Produkte. Ich habe eine gute Kondition, und ich freue mich auf den Rundgang.

Das Interview führten Heike Jahberg und Rainer Woratschka.

DIE MINISTERIN

Ilse Aigner (45) ist seit Oktober 2008 Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die CSU-Politikerin stammt aus dem oberbayerischen Feldkirchen. Nach der Mittleren Reife machte sie eine Lehre zur Radio- und Fernsehtechnikerin, arbeitete im elterlichen Betrieb und bildete sich dann zur Elektrotechnikerin fort. Seit 1998 ist sie im Bundestag.

DIE GRÜNE WOCHE

Am Donnerstagabend wird in Berlin die Grüne Woche eröffnet. Die weltgrößte Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau dauert bis zum 24. Januar. Am Freitag macht Aigner ihren Rundgang.

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