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Wirtschaft: Kunstmarkt im Kaufrausch

Zeitgenössische Malerei und Fotografie werden als Vermögensanlage entdeckt. Was Profis Einsteigern raten

Die Preise gehen ins Astronomische. Hielt man in den großen Auktionshäusern vor zwei Jahren noch die 100-Millionen-Dollar-Schwelle für Bilder für unüberwindbar, so visiert man seit den 135 Millionen Dollar, die der Kosmetikunternehmer Ronald Lauder im Juni für Gustav Klimts Porträt der „Adele Bloch-Bauer“ zahlte, schon die 200-Millionen-Dollar-Marke an.

Doch nicht nur die Klassiker erzielen Rekordpreise. Auch zeitgenössische Kunst ist gefragt wie nie. Für ein Bild des US-Malers Cy Twombly blättert man laut aktuellem Kunstkompass der Zeitschrift „Capital“ bis zu 1, 6 Millionen Euro hin. Mindestes 600 000 Euro kostet ein neues Gemälde des Deutschen Gerhard Richter und eine aktuelle Fotoarbeit seines Landsmanns Andreas Gursky wechselt schon mal für 250 000 Euro den Besitzer.

Der Markt für zeitgenössische Kunst läuft heiß. Das liegt auch daran, dass immer mehr jüngere Menschen in Bilder, Skulpturen und Fotografien investieren. Sie begreifen Kunst als alternative Geldanlage. Und sie wollen Bilder nicht mehr nur in Museen betrachten, sondern an der eigenen Wohnzimmerwand. „Kunstinvestment“ sei heute „kein Unwort mehr“, schreiben die Autoren des Handbuchs für Kunst und Investment „Art Investor“. Der Kunstmarktexperte Wolfgang Wilke, der viele Jahre für die Dresdener Bank gearbeitet und verschiedene Vermögensanlagen über lange Zeiträume hinweg miteinander verglichen hat, bilanziert: „Der Kauf von erstklassiger Kunst hat alle anderen Anlagen geschlagen. Kunst wirft die beste Rendite ab. Der Kunstmarkt bleibt oft stabil, selbst wenn der Finanzmarkt kriselt.“

Die Schwierigkeit besteht nur darin: Wie erkenne ich als Anleger, was erstklassige Kunst ist? Wie investiere ich also richtig in Kunst?

„Hören Sie auf Ihr Herz!“ Ariane Grigoteit hat eine einfache Antwort parat. Die Leiterin der Kunstsammlung der Deutschen Bank glaubt, dass es sich immer als die cleverste Investition erweise, wenn man kaufe, was einem gefalle: „Kunst, die aus rein monetären Gründen erworben wird, ist auf lange Sicht unsicher. Aber Wertsteigerung ist unbedingt mit Emotionen verbunden.“

Damit beschreibt Grigoteit das Fehlen eines objektiven Bewertungskriteriums in der Kunst. Auch auf dem Kunstmarkt richten sich die Preise nach Angebot und Nachfrage. Was heute „in“ ist, kann morgen schon wieder „out“ sein und umgekehrt. Maßgeblich für die Preise sind die Summen, die bestimmte Werke und Künstler auf den Auktionen erzielen.

Anfängern empfiehlt Grigoteit, zunächst Kunstmessen zu besuchen, um sich auszutauschen und Informationen zu sammeln. Außerdem solle der Kunstkaufnovize die wichtigsten Kunstzeitschriften studieren. Wenn man dann ein Werk kaufen will, müsse man aber unbedingt darauf achten, dass es einen berühre, „denn dann wird es immer auch andere Menschen geben, die es ebenso berührt“.

Für den Anfang brauche man nicht viel Geld, sagt Grigoteit. 1000 Euro hält sie für angemessen. „Kaufen Sie Arbeiten von jungen Künstlern und hüten Sie sich vor Arbeiten, die gerade eine Hochzeit erleben.“ Grigoteit berichtet von der Messe „Art Basel Miami Beach“, die vergangene Woche zu Ende ging, und einem einzigen Kaufrausch geglichen habe. „Es gibt einen Riesenhype um die zeitgenössische Kunst.“

Den Trend zur zeitgenössischen Kunst hat auch Kunstmarktexperte Wilke beobachtet, insbesondere bei Fotografien, wo Wertsteigerungsraten von 20 Prozent im Jahr erzielt würden. Die „Capital“-Liste der Aufsteiger bestätigt das. Auf dem ersten Platz liegt die iranische Fotokünstlerin Shirin Neshat. Unter den ersten zehn Aufsteigern befindet sich neben den Malern Jörg Immendorf und Georg Baselitz auch der deutsche Fotograf Wolfgang Tillmans. Seine Werke sind schon ab 5000 Euro zu erwerben.

Anfängern rät Wilke einen strengeren Ansatz als Grigoteit. „Der Kunsterwerb zum Zwecke der Geldanlage setzt eine intensive Beschäftigung mit der Materie voraus“, sagt er. Es genüge nicht, ein Buch gelesen oder einmal ins Museum gegangen zu sein. „Man muss sich mit Kunsthistorie beschäftigen und sich eine Vorstellung davon erarbeiten, was man erwerben will.“ Man sollte Galerien aufsuchen, sich Auktionen anschauen, in die Museen gehen und Verkäufer finden, denen man unbedingt vertraue.

Wilke warnt: „Wer erfolgreich sein will, braucht einen langen Atem.“ Manchmal dauere es Jahrzehnte oder Jahrhunderte, bis sich der Wert eines Kunstwerks positiv entwickle. Insbesondere derjenige, der nicht das Geld hat, um alte, wertstabile Meister zu kaufen, sollte sich also intensiv vorbilden. Fünf bis zehn Prozent eines Vermögens, glaubt Wilke, könne man ohne großes Risiko in Kunst anlegen. „Man erwirbt ja auch ein Stück Lebensqualität. Ein Bild anzuschauen, ist besser als jeden Tag die Aktienkurse zu beobachten“, sagt er. Aber er rät davon ab, gerade das zu kaufen, worüber am meisten gesprochen werde: „Kaufen sie gegen den Trend.“

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