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Wirtschaft: Mit Staatsaktien ist kein Staat zu machen

Anleger, die sich an der Telekom, der Post oder der Lufthansa beteiligt haben, sind enttäuscht worden

Anleger, die ihr Geld hoffnungsvoll bei ehemaligen Staatsunternehmen angelegt haben, sind bisher bitter enttäuscht worden – zumindest an der Börse. Die Deutsche Post notiert 17 Prozent unter ihrem Emissionskurs, Fraport sogar 36 Prozent. Mit Gewinn ließ sich die Aktie des Frankfurter Flughafen-Betreibers nur am allerersten Handelstag im Juni 2001 verkaufen.

Wer vor knapp acht Jahren die erste Tranche der Deutschen Telekom ergattert hatte, liegt nur mit den Dividenden im Plus, denn auch der Telefonkonzern notiert aktuell am Erstausgabepreis von 14,32 Euro für Kleinanleger. Käufer des dritten Privatisierungsschrittes aus dem Jahr 2000 sitzen gar auf Verlusten von fast 80 Prozent. Auch der Aktienkurs der Deutschen Lufthansa liegt deutlich unter jenen 15 Euro, zu denen im Jahr 1997 die letzten Staatsanteile unters Volk gebracht wurden.

Mit den Privatisierungen haben die Anleger also, so sie die Papiere seit dem Börsengang im Depot haben, nur verloren. Dass der jüngste Börsengang der Postbank deshalb erst nach heftigem Gezerre am Preis ein Erfolg wurde, wird niemanden wundern.

„Der teilweise noch hohe Anteil der öffentlichen Hand hängt wie ein Damokles-Schwert über den Papieren“, ist sich Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sicher. Dies drücke die Kurse. An den Notierungen von Telekom und Post war dies zuletzt gut ablesbar. Nachdem Finanzminister Hans Eichel kürzlich angekündigt hatte, der Bund wolle sich bis spätestens 2006 von allen Anteilen trennen, gingen die Kurse in die Knie. Denn immerhin hält der Staat direkt beziehungsweise indirekt über die Kreditanstalt für Wiederaufbau noch 42,7 Prozent an der Telekom und 62,6 Prozent an der Post. Eine Rolle spiele möglicherweise auch, so Keitel, dass vor allem anglo-amerikanische Investoren Aktien mit höherem Staatsanteil wegen des politischen Einflusses mit Skepsis betrachteten. Dies würde auch die Kursentwicklung der spanischen Telefónica unterstreichen, die bereits vollständig privatisiert ist, deren Kurs aktuell „nur“ 58 Prozent unter dem Hoch notiert. Bei der Deutschen Telekom dagegen klafft da ein Minus von 86 Prozent.

Thomas Friedrich, Analyst bei der Hypo-Vereinsbank, sieht indes keinen „Staats-Abschlag“. Die Eigentümerstruktur spiele keine Rolle, vielmehr seien die Papiere zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf den Markt gebracht und nach Platzen der Börsenblase im März 2000 eben von übertriebenen Kursniveaus aus eingebrochen. Friedrich hält es auch für denkbar, dass nun bei neuerlichen Gerüchten oder Nachrichten über den Verkauf weiterer Staatsanteile „die Kurse trotzdem stabil bleiben“. Für die Deutsche Telekom prognostiziert der Analyst deshalb Kurse von 18 Euro binnen Jahresfrist.

Nils Machemehl von der Privatbank M.M. Warburg hält auch die Post für kaufenswert. Wegen der Aktionärsstruktur seien jedoch Dämpfer für den Kurs immer möglich. Mittelfristig wird sich nach Auffassung der Bayerischen Landesbank der komplette Rückzug des Staates aber positiv auf die Kurse auswirken, da die Aktien für ausländische Investoren damit attraktiver würden. Laut SES Research könne es zwar kurz- bis mittelfristig zu einem Überangebot an T-Aktien kommen, positiv sei jedoch, dass die Diskussion über eine staatliche Einflussnahme dann vom Tisch sei. SES sieht daher Kurse von gut 20 Euro für die T-Aktie in greifbarer Nähe. Auch Michael Sieghart, Senior-Fondsmanager bei der zur Deutschen Bank gehörenden Fondsgesellschaft DWS und verantwortlich für den Fonds Eurovesta, hält die Gleichung „Ex-Staatsunternehmen = schlechteres Papier“ für falsch. Vor allem die privatisierten Telekom-Firmen litten unter branchentypischen Problemen wie zu teuren Zukäufen in den neunziger Jahren, hohen Schulden und Preisdruck.

Im europäischen Ausland haben sich Aktien privatisierter Staatskonzerne zum Teil deutlich besser entwickelt. Die Telekom Austria beispielsweise, im November 2000 zum ersten Mal notiert, warf seither Gewinne von mehr als 40 Prozent ab. „Das Papier hat durch den Listing-Termin die Übertreibungsphase nicht mitgemacht“, so Fondsmanager Sieghart zur Erklärung. Der österreichische Edelstahl-Weltmarktführer Böhler-Uddeholm, 1995 für knapp 40 Euro je Aktie teilprivatisiert und seit dem vergangenen Jahr komplett entstaatlicht, brachte Erstzeichnern bisher sogar rund 63 Prozent Gewinn. Auch die französische Autobahn-Gesellschaft Autoroutes du sud, im März 2002 für 24 Euro je Aktie unters Anlegervolk gebracht, steht nun rund 40 Prozent besser da. Wer sich am Privatisierungsschritt des niederländischen Telefonriesen KPN im November 2000 beteiligte, liegt mit minus 61 Prozent wenigstens nicht ganz so tief in den roten Zahlen wie bei der Deutschen Telekom, bei der der Bund 66,50 Euro pro Aktie einkassiert hatte.

Fazit von SdK-Vorstandsfrau Keitel: „Von einem echten Erfolg kann man da wirklich nicht sprechen.“ Trotzdem halten die meisten Analysten die deutschen Ex-Staatsunternehmen aktuell eher für kaufenswert. Die Bankgesellschaft Berlin sieht die Post AG mittelfristig bei 20,50 Euro, also knapp unter Emissionspreis, die Hamburger Sparkasse hat gerade die Lufthansa höher gestuft und das MWB Wertpapierhandelshaus hält auch Fraport für „eine Investmentidee“. Zwar sei auch hier der Kurs kürzlich stark unter Druck gekommen, nachdem der Bund bis Ende 2005 seinen kompletten Rückzug angekündigt hatte. Positiv seien jedoch Gerüchte, wonach die Stadt Frankfurt den 18-Prozent-Anteil komplett übernehmen wolle. Übrigens: Aktionäre der Postbank, vor 14 Tagen für 28,50 Euro an die Börse gegangen, haben bereits 1,05 Euro oder 3,7 Prozent verdient.

Veronika Csizi

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