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Wirtschaft: Musik, Sucht und Freundschaft

DAS TESTURTEIL: 9 Punkte 0 Punkte: Hände weg und alle Bekannten warnen, 5 Punkte: Noch mal drüber schlafen, 10 Punkte: Sofort kaufen Weiß ist sie, meine Droge; weiß und teuer. Und sie verstärkt meine Launen.

DAS TESTURTEIL: 9 Punkte 0 Punkte: Hände weg und alle Bekannten warnen, 5 Punkte: Noch mal drüber schlafen, 10 Punkte: Sofort kaufen

Weiß ist sie, meine Droge; weiß und teuer. Und sie verstärkt meine Launen. Singen, wenn’s mir gut geht, schreien bei Frust. Mein bester Freund hat sie auch ausprobiert, die Droge – mehrfach. Aber er kann mit ihr nichts anfangen. Sie habe nicht die erhoffte Wirkung, schlimmer: Sie habe oft überhaupt nicht funktioniert. Seitdem meckert er und verachtet mich ob meiner Sucht.

Meine Droge hat die Größe einer Zigarettenschachtel und einen Bildschirm. Ihr Name: iPod. Der Dealer: die Computerfirma Apple. Meine komplette Musiksammlung habe ich auf dem kleinen Ding gespeichert. An sonnigen Tagen trällert Robbie Williams seine Lieder, bei stressigen Autofahrten wummert Nirvana. Das ist vielleicht nicht das Allerneueste auf dem Musikmarkt, aber mein iPod ist ja auch schon über zwei Jahre alt. Mein bester Freund hatte schon drei iPods und drei Mal hat er alle seine Lieblingslieder und Hörbücher verloren, weil er das Gerät nicht liebevoll genug bedient hat (meine Argumentation) beziehungsweise weil „das Drecksding nichts kann außer gut aussehen“ (seine Argumentation).

Apple hat jetzt für Abhängige wie mich den „iPod Hifi“ auf den Markt gebracht: einen schuhkartongroßen Lautsprecher- Altar, auf den ich meinen iPod draufstecken und ohne Kopfhörer Musik hören kann. So bekommen auch gleich die Nachbarn mit, ob ich gute oder schlechte Laune habe. Für Apple und mich ist es „die Stereoanlage – neu erfunden“. Mein bester Freund bezeichnet es als „unverschämt teure Aktivboxen in einem weißen Kasten“. In meinen klaren, ruhigen Momenten denke ich: Okay, ganz Unrecht hat er nicht. 360 Euro – das ist viel Geld. Aber dafür ist der Klang wirklich gut und der Kasten einfach schön.

Mobil ist er außerdem, weil er sich mit Batterien betreiben lässt – die halten allerdings nicht lange, bei mir gerade mal drei Tage. Aber protzen lässt sich mit der Kiste. Neulich waren zwölf Gäste zum Essen da, alle riskierten einen neidischen Blick und bestaunten das Design, rühmten den Klang und ertrugen sogar meine Musikauswahl. Als ich die Akustik dann auch noch per Fernbedienung in der Größe eines Feuerzeugs steuerte, gab es „Ahhhs“ und „Ohhhhs“. Nur mein bester Freund ließ sich nicht beeindrucken.

Jetzt ist sie wieder weg, die neu erfundene Stereo-Anlage. Zurückgeschickt an Apple. Der Test ist zu Ende und ich auf Entzug. Doch mein bester Freund hat mir ein Geschenk gemacht: Ein Audio-Kabel, mit dem ich den iPod an die alte Stereo- anlage anschließen kann. Darauf eine Klebenotiz: „Nur 7,99 Euro!“ Das ist wahre Freundschaft.

Oliver Trenkamp

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