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Wirtschaft: Ruin zum Runterladen

Musik, Flirts oder Spiele fürs Handy sind beliebt, aber teuer. Die genauen Kosten muss der Kunde vorher kennen, sagen die Gerichte

Lisa, David und Rokko – das sind die Stars aus der Sat 1-Serie „Verliebt in Berlin“. Wem die Daily Soap im Fernsehen nicht ausreicht, der kann sich im Internet auch noch Musik, Logos, Spiele und Infos über die Stars auf sein Handy herunterladen. Doch der Service hat seinen Preis. Mit rund zehn Euro muss man für die SMS-Infos monatlich rechnen. Jeder weitere Dienst, etwa ein Horoskop, kostet extra.

Mobile Contents, wie sich die Multimedia-Zusätze fürs Handy nennen, gibt es heute fast zu jeder Serie und zu jeder angesagten Band. Das Angebot reicht von einzelnen Klingeltönen über ganze Abos bis hin zu speziell fürs Handy gefilmten Seifenopern. Sogar Hausaufgabenhilfen für Schüler lassen sich bestellen. Die Kosten beginnen bei 0,49 Euro für eine SMS und gehen ins Unendliche. Doch das schreckt offenbar niemanden ab. Satte 500 Millionen Euro Umsatz wurden 2005 in Deutschland mit solchen Diensten gemacht, hat das Marktforschungsinstitut Jupiter Research herausgefunden – 119 Millionen Euro brachten allein die Klingeltöne.

Auch immer mehr Kinder und Jugendliche bestellen diese Dienste und verschulden sich. Zwölf Prozent der 13- bis 24-Jährigen haben bereits Schulden von durchschnittlich 1800 Euro, warnt das Bundesfamilienministerium. Das ist eindeutig zu viel, findet auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Wegen ihrer undurchsichtigen Werbung hatten die Verbraucherschützer die Firma INA Germany verklagt, die in der „Bravo Girl“ für Handy-Klingeltöne, Logos und SMS-Bilder geworben hatte. Aus der Anzeige gehe nicht hervor, wie viel das Herunterladen insgesamt koste, kritisierten die Verbraucherschützer. Mit Erfolg: Am vergangenen Donnerstag gab der Bundesgerichtshof (BGH) dem Verbraucherverband Recht. Kindern und Jugendlichen müsse ausreichend deutlich gemacht werden, welche finanziellen Belastungen auf sie zukommen, entschieden die Richter (Az.: I ZR 125/03). Eine gezielt an Minderjährige gerichtete Werbung für Handy-Klingeltöne sei wettbewerbswidrig, wenn darin nur Minutenpreise angegeben werden.

„Dieses Urteil hat Vorbildcharakter“, sagt Christian Fronczak vom vzbv. „Damit werden Maßstäbe beim Schutz minderjähriger Handynutzer gesetzt.“ Dagegen warnt Bernd Ruschinzik von der Verbraucherzentrale (VZ) Berlin vor zu großen Erwartungen: „Verträge, die über irreführende Werbung zustande gekommen sind, sind nicht unwirksam.“ Betroffene könnten daher nicht rückwirkend ihr Geld zurückverlangen. Außerdem lasse sich das Urteil auch nicht ohne weiteres auf andere Mehrwertdienstanbieter übertragen.

Wirksame Abhilfe kann nach Meinung der Verbraucherschützer nur ein strenges Telekommunikationsgesetz schaffen. Das soll die Dienste-Anbieter verpflichten, in der Werbung die tatsächlichen Kosten offen zu legen und höhere Hürden für Abos bei Handydiensten einführen.

Doch solange es ein solches Gesetz nicht gibt, müssen Eltern andere Wege finden, um ihre Kinder und sich selbst vor überteuerten Handyrechnungen zu schützen. „Sinnvoll sind Prepaid-Karten“, sagt Evelin Voß, Telekommunikationsexpertin der VZ Sachsen. „Bei diesen aufladbaren Guthabenkarten hat man genau im Blick, wie viel Geld die Kinder ausgeben.“ Darüber hinaus bieten inzwischen fast alle Netzbetreiber Tarife an, die sich speziell an Jugendliche richten (siehe Kasten) .

Auch einige Klingeltonanbieter haben inzwischen auf die Bedürfnisse besorgter Eltern reagiert. So hat der Marktführer, die Berliner Firma Jamba, Anfang des Jahres eine Kindersicherung eingeführt, mit der Eltern die Handynummern ihrer Kinder für sämtliche Jamba-Dienste kostenlos sperren lassen können. Verbraucherschützer halten diese Initiative zwar für vernünftig, doch sehen sie das Problem dadurch noch nicht gelöst. Denn neben Jamba haben sich viele andere Anbieter auf dem Markt platziert, die einen solchen Service nicht haben. Uwe Baltner von der Verbraucherseite xonio.com rät daher, genau hinzuschauen, was man für sein Geld bekommt und vor allem, wie viel man dafür zahlen muss. „Oft ist beim Bestellen der Dienste per SMS gar nicht auf Anhieb erkennbar, ob es sich um eine einmalige Gelegenheit oder doch um ein kostspieliges Abo handelt.“

„Gerade bei den Klingeltonangeboten in der Fernsehwerbung handelt es sich meist um teure Abos“, so Evelin Voß von der VZ Sachsen. „Aufgrund der Schnelligkeit des Mediums übersieht man leicht das Kleingedruckte.“ Wer unbedingt einen Zusatzdienst bestellen wolle, solle das lieber im Internet erledigen. „Hier lassen sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wenigstens nachlesen“, sagt Voß. Aber auch dort ist Vorsicht geboten, meint die Verbraucherschützerin. Immer mehr so genannte Gratis-Angebote lockten Nutzer in die Falle. „Spätestens beim dritten Herunterladen eines Tons oder Logos muss man aber zahlen und steckt zusätzlich noch in einem Abo.“

Betroffene haben nach Einschätzung der Verbraucherschützer aber gute Chancen, sich rechtlich zur Wehr zu setzen. Ohne die Zustimmung der Eltern ist beispielsweise ein Vertrag mit Minderjährigen schwebend unwirksam (siehe unten) . Es sei unwahrscheinlich, dass Anbieter ihre Ansprüche dann gerichtlich durchzusetzen versuchen, so Voß. Auch bei Erwachsenen ist nicht gleich alles verloren: Bei Fernabsatzverträgen über das Internet gilt ein Widerrufsrecht von 14 Tagen.

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