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Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger

© ddp

Verbraucherschutz: Telefonbetrüger haben Konjunktur - trotz Gesetz

Das Bundesjustizministerium fordert eine bessere Strafverfolgung von Telefonbetrügern. Das Gesetz gegen unlautere Telefonwerbung ist für die FDP ein "zahnloser Tiger".

Berlin - Betrüger, die Verbraucher am Telefon aufs Kreuz legen, kommen nach wie vor meist ungeschoren davon. Das ergibt sich aus einem Bericht des Bundesjustizministeriums, der dem Tagesspiegel vorliegt. Rund zwei Drittel der Ermittlungsverfahren werden von den Staatsanwaltschaften eingestellt, weil sie die Täter, die oft im Ausland sitzen oder nur eine Postfachadresse haben, nicht ermitteln können. Das Ministerium fordert eine „effektivere Strafverfolgung“.

Mit dem Bericht reagiert das Ministerium auf die zunehmenden Verbraucherbeschwerden gegen unerwünschte Telefonanrufe. Diese sind seit August 2009 verboten. Nach dem Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung, das damals in Kraft getreten ist, können am Telefon geschlossene Verträge widerrufen werden, Firmen dürfen ihre Rufnummern nicht unterdrücken, Verstöße können mit Bußgeldern geahndet werden. Angesichts der Beschwerdeflut hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) untersuchen lassen, wie wirksam das Gesetz in der Praxis ist. Der jetzt fertiggestellte Bericht basiert auf Umfragen bei der Bundesnetzagentur, den Bundesländern und zahlreichen Verbänden und bezieht sich auf einen Erhebungszeitraum von September 2009 bis Juni 2010.

Größtes Problem sind danach die kriminellen Betrügereien: Verbraucher werden mit einem vermeintlichen Lottogewinn dazu geködert, teure Rückrufnummern anzurufen oder Kontodaten preiszugeben. Von den 80 000 bis 100 000 Verbraucherbeschwerden, die in dem Zehn-Monats-Raum eingingen, betrafen rund die Hälfte den Gewinnspielbereich, heißt es in dem Bericht.

„Das Gesetz gegen unlautere Telefonwerbung entpuppt sich bisher leider als zahnloser Tiger“, sagte Erik Schweickert, verbraucherpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. Um die Gewinnspielabzocke am Telefon wirksam zu stoppen, fordert Schweickert die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften. „Bislang werden die Abzockanrufe viel zu häufig als Einzelfälle im Bagatellbereich abgetan, statt sie in ihrer Gesamtheit als Fälle organisierter Kriminalität zu verfolgen.“

Auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) will den Schutz der Verbraucher verbessern. „Dazu gehört auch eine Strategie gegen die immer noch häufigen Betrugsfälle, bei denen Verbrauchern mit falschen Versprechungen am Telefon Zusagen mit finanziellen Konsequenzen oder gar Bankdaten entlockt werden“, sagte ein Sprecher des Ministeriums dem Tagesspiegel.

Trotz der zunehmenden Probleme mit Gewinnspielen hat es dem Bericht zufolge aber auch Verbesserungen gegeben. So seien die „Cold Calls“ – Anrufe ohne vorherige Erlaubnis der Verbraucher – zurückgegangen. Der Bericht nennt dafür mehrere Gründe. Die Bürger würden sich heute selbstbewusster zur Wehr setzen und könnten sich wegen der erweiterten Widerrufsmöglichkeiten auch leichter von den am Telefon untergeschobenen Verträgen lösen. Viele seriöse Unternehmen hätten zudem die Auswahl ihrer Call Center verschärft oder verzichteten inzwischen ganz auf Werbeanrufe.

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