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Wirtschaft: Wenn später zu spät ist

35 Milliarden Euro werden jedes Jahr vererbt – doch oft gibt es unter den Erben Streit

Eine enorme Summe: 35 Milliarden Euro werden in Deutschland vererbt – und das jedes Jahr. Dennoch machen nur wenige Menschen ein Testament. Die Konsequenz: Gibt es später mehrere Erben und können sich diese nicht einig werden, kommt es oft zu Zank und Streit. Das gilt vor allem dann, wenn nicht Geld oder Wertpapiere vererbt werden, sondern andere Werte – das Elternhaus, Möbel, Bilder oder der Familienschmuck. Bei jedem dieser Vermögensgegenstände werden grundsätzlich alle Erben Miteigentümer und müssen gemeinsam entscheiden, ob und wie diese verkauft oder genutzt werden. „Wenn die Erben miteinander auskommen, funktioniert diese Teilung meist problemlos“, meint Ulrich Schellenberg, Erbrechtsanwalt und Notar aus Berlin. Falls nicht, ist es hilfreich, wenn der Erblasser vorher möglichst präzise Anweisungen getroffen hat.

Gesetzliche Erbfolge. Wer seine Erben nicht selbst festsetzt, für den regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), zu welchen Teilen Verwandte und Ehepartner am Nachlass beteiligt sind. War der Verstorbene verheiratet, bekommt der Partner grundsätzlich ein Viertel des Vermögens. Je nachdem, ob Gütertrennung vereinbart war oder nicht, kann sich der Anteil auf die Hälfte erhöhen. Für Kinder – eheliche wie uneheliche – gilt: Sie erben neben dem Ehepartner zu gleichen Teilen.

Kinderlose Paare. Probleme können auftauchen, wenn ein Paar kinderlos bleibt. „Gerade, wer keine Kinder hat, sollte dringend über ein Testament nachdenken“, rät Jutta Müller-Lukoschek, Professorin für Erbrecht an der Berliner Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege. „Einige vermuten, dass im Falle des Todes eines Partners der andere nach dem Gesetz Alleinerbe wird. Das ist aber falsch.“ Stirbt einer der Partner, dann geht der Erbteil, der eigentlich den Kindern zustünde, auf die Eltern oder, falls sie nicht mehr leben, die Geschwister über. War der Erblasser ein Einzelkind, kommen Onkel und Tanten oder deren Kinder zum Zuge.

Unter Verkaufsdruck. Dann kann es passieren, dass das Haus des Paares teilweise Cousins und Cousinen gehört. „Die Verwandten möchten dann oft schnell ausbezahlt werden“, weiß Schellenberg. Eine solche Situation führt die Witwe leicht in finanzielle Engpässe. Denn der Erbteil der Cousins kann bis zur Hälfte des Nachlasses umfassen. Ist das Haus 300000 Euro wert und gehört der Ehefrau zur Hälfte, muss sie diesen Miterben bis zu 75000 Euro überweisen.

Von Hand geschrieben. Um das zu verhindern, hätte der Ehemann eines tun müssen: „Alles wäre in Ordnung gewesen, wenn er zu einem Stift gegriffen hätte, um aufzuschreiben, dass seine Frau Alleinerbin sein soll“, sagt Schellenberg. Das klingt formlos, ist aber tückisch: Schreibt der Mann seinen letzten Willen am PC oder druckt ein Mustertestament aus dem Internet aus, hat dieses – unterschrieben oder nicht – keine Bedeutung. Denn das Testament muss von Anfang bis Ende per Hand verfasst sein.

Testament beim Notar. Und es muss nach dem Tod auffindbar sein. Das lässt sich vor allem durch ein notarielles Testament sicherstellen. Wenn ein Grundstück vermacht wird, lohnt sich der Weg zum Notar in jedem Fall. „Nach dem Tod des Erblassers müssen sich die neuen Eigentümer ins Grundbuch eintragen lassen. Wer ein notarielles Testament hat, bekommt diese Eintragung auch ohne Erbschein“, sagt Müller-Lukoschek. Letzteren zu beantragen, ist meist genauso teuer wie das notarielle Testament: In beiden Fällen richten sich die Gebühren nach dem Nachlasswert.

Berliner Testament. Auch aus Beweisgründen ist die Beurkundung sinnvoll, etwa für das gemeinschaftliche Testament. Eine Variante hiervon ist das „Berliner Testament“. Mit diesem setzen sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben ein. Gleichzeitig legen sie verbindlich fest, was ihre Kinder oder andere Erben nach dem Tod von beiden bekommen sollen. Diese Testamentsform, die Anfang des 20. Jahrhunderts unter Berliner Notaren entstanden sein soll, hat aber Nachteile, erklärt Schellenberg. „Erbt die Frau zuerst alleine, wird ihr Steuerfreibetrag oft überschritten.“ Deshalb lohnt es sich, Teile des Vermögens schon nach dem Tod eines Partners auf die Kinder zu übertragen oder zu verschenken.

Eva Buscher

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