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Wirtschaft: Wer den Bonus hat

Seit Jahresbeginn dürfen Krankenkassen ihren Versicherten Zusatzangebote machen – aber ob sie auch nützen, ist umstritten

Die Gesundheitsministerin versprüht Zuversicht. Neue Zusatzangebote der gesetzlichen Krankenkassen wie Bonusmodelle oder integrierte Behandlungsprogramme für chronisch Kranke, verspricht sie unermüdlich, werden die Versorgung der Patienten verbessern. Doch selbst die Kassen sind noch nicht überzeugt davon. „Die Politik hat zu hohe Erwartungen geweckt“, kritisiert Ingo Kailuweit, Vorstandschef der drittgrößten deutschen Krankenkasse KKH, im Tagesspiegel. „Wer glaubt, dass die Versorgung der Patienten mit den Zusatzprogrammen besser wird, der irrt.“ Verbraucherschützer warnen daher davor, die Zusatzoptionen zum alleinigen Kriterium für einen Kassenwechsel zu machen.

Die Krankenkassen dürfen ihren Versicherten seit diesem Jahr umfangreiche Zusatzangebote machen. Wer sich gesundheitsbewusst ernährt, regelmäßig Sport treibt und an Vorsorgeuntersuchungen teilnimmt, wird dafür mit Sachprämien wie Fitnessgeräten, seltener auch mit Geld belohnt. Freiwillig Versicherte, die sich verpflichten, einen Teil der Arztkosten selbst zu zahlen, können bei einigen Anbietern mit Beitragsrückerstattungen rechnen. Auch wer künftig an Hausarztprogrammen teilnimmt, die bei vielen Kassen gerade in Vorbereitung sind, soll davon finanziell profitieren: Er wird von der Praxisgebühr befreit. Zudem bieten viele Kassen private Zusatztarife an, etwa für Zuschüsse bei der neuen Brille oder beim Zahnersatz.

Die Angebote klingen zwar verlockend, sind nach Meinung von Verbraucherschützern aber nicht automatisch ein Sparmodell für die Versicherten. „Bonusprogramme oder Selbstbehalttarife sollten auf keinen Fall ein Grund sein, die Kasse zu wechseln oder in einer teuren Kasse zu bleiben“, warnt Ulricke Steckkönig von „Finanztest“. Die meisten Kassen, sagt sie, belohnten gesundheitsbewusstes Verhalten eben nur mit Sachprämien, nicht aber mit Geld. Sinnvoller sei es, die Kasse nach Beitragssatz, Zuverlässigkeit und Service auszuwählen – und das Fitnessgerät aus dem Bonusprogramm bei Bedarf lieber selbst zu kaufen.

Dabei sind sich die Kassen noch gar nicht im Klaren darüber, wie die Bonusprogramme wirken. „Wir wissen noch nicht, ob wir mit den Programmen überhaupt die richtigen Patienten erreichen“, sagt KKH-Chef Kailuweit. Wenn die Kassen Pech haben, investieren sie viel Geld in Programme, bei denen dann doch nur die 80 Prozent der Frauen teilnehmen, die ohnehin regelmäßig zur Brustkrebsvorsorgeuntersuchung gehen. Das war nicht das Ziel.

Trotz der unbestimmten Wirkung schreiben sich immer mehr Versicherte in Bonusprogramme ein. Spitzenreiter ist die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK), bei der bereits 310 000 Versicherte sich verpflichtet haben, regelmäßig Fitness zu treiben und gesund zu essen. „Mit dem Angebot haben wir garantiert viele davon abhalten können, zu einer privaten Kasse zu wechseln“, sagt ein DAK-Sprecher. Auch bei der Barmer, der größten Kasse, haben sich schon 300 000 der 5,4 Millionen Versicherten für Bonusprogramme eingeschrieben, bei der Techniker sind es rund 250 000.

Nicht nur die Bonusprogamme haben trotz Kritik immer mehr Zulauf. Vor wenigen Tagen berichtete Gesundheitsministerin Schmidt, dass eine Million Versicherte an den integrierten Versorgungsprogrammen für Chroniker (Disease-Management-Programme, DMP) teilnehmen. Dabei beklagen Diabetiker-Verbände, dass die Qualität der Versorgung in einigen Regionen vor Einführung der DMP besser gewesen sei als danach. Auch Kassen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an gesunden Versicherten sind sauer. „Die Kassen sind gezwungen, möglichst viele Versicherte in die Programme zu nehmen, weil sie dafür Geld aus dem Risikostrukturausgleich bekommen“, sagt KKH-Chef Kailuweit. „Das führt dazu, dass die Qualität völlig aus dem Blick gerät.“ Die Programme, sagt er, suggerierten eine Mehrleistung für den Patienten, die es nicht gebe.

Ähnliches wollen die Kassen bei den geplanten Hausarztmodellen verhindern. Die Einführung war von großen Anbietern wie der Barmer, der DAK, KKH und Techniker eigentlich für die zweite Jahreshälfte angekündigt worden. Doch der Start verzögert sich, weil Ärzte und Kassen sich nicht handelseinig werden. Viele Ärzte wollen sich nicht auf regelmäßige Fortbildungen und Qualitätskontrollen festnageln lassen, die Kassen weigern sich umgekehrt, den Ärzten ohne diese Zusicherung mehr Geld zu geben.

Auch Verbraucherschützer sind von dem Nutzen der Hausarztmodelle noch nicht überzeugt. „Natürlich kann man damit die Praxisgebühr von 40 Euro im Jahr sparen“, sagt „Finanztest“-Expertin Steckkönig. „Aber ob es sich lohnt, dafür den vertrauten Hausarzt zu verlassen?“ Finanziell zumindest, sagt sie, lohne sich das Modell für Versicherte vorerst nicht.

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