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Wirtschaft: Wer den Schaden hat

Viele Versicherungen bieten nach Unfällen einen umfassenden Service an. Das ist bequem, aber gefährlich

Es klingt verführerisch: Nach einem Unfall verspricht die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, sich um alles zu kümmern. Sie lässt den beschädigten Wagen abholen und zu einer Werkstatt bringen. Während der Reparatur sorgt sie für ein Ersatzfahrzeug. Das ist bequem, doch die Bequemlichkeit hat ihren Preis. Denn die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers hat vor allem ein Interesse: Sie will die Kosten für die Schadensabwicklung so gering wie möglich halten. Das Opfer, das am Unfall selbst keine Schuld trägt, hat das Nachsehen.

„Als Geschädigter weiß ich oft gar nicht, wo mein Fahrzeug repariert wird oder ob alte Ersatzteile verwendet werden“, sagt der Berliner Rechtsanwalt Roman Becker, der auf Verkehrsrecht spezialisiert ist. Das Problem: Läuft für das Auto noch die Herstellergarantie, muss eine Fachwerkstatt das Auto in Stand setzen, damit der Garantieanspruch nicht verfällt. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom April 2003 muss die Versicherung die Kosten einer Markenwerkstatt übernehmen. Versicherungen versuchen dennoch häufig ihre Vertragswerkstätten durchzusetzen, um die Kosten zu reduzieren.

Becker empfiehlt daher, einen Anwalt einzuschalten und ein unabhängiges Gutachten einzuholen. Die Gutachter der Versicherungen seien oft parteiisch, und der Geschädigte erhalte selten eine Kopie der Beurteilung. Weitergehende Schadenersatzansprüche kann er dann nicht geltend machen. Besonders bei neueren Wagen ist ein Gutachten aber besonders wichtig, denn durch eine fehlerhafte Reparatur sinkt der Wiederverkaufswert. Sofern das Unfallopfer keinerlei Schuld am Unfall trifft, muss die gegnerische Versicherung sämtliche Kosten der Schadensabwicklung tragen – vom Anwaltshonorar, über das Gutachten bis zu den Reparaturkosten.

Bei dem Trend zum Schadensmanagement aus einer Hand bleibe außerdem häufig die Unkostenpauschale unberücksichtigt, die je nach Bundesland zwischen 15 und 40 Euro für Porto- und Telefonkosten ausmache, warnt Anwalt Becker. Dasselbe gilt für die Nutzungsausfallentschädigung: Wer keinen Mietwagen in Anspruch nimmt, kann entsprechend seinem Fahrzeugtyp eine bestimmte Pauschale beziehen. Bei Personenschäden, die zu Schmerzensgeld führen könnten, sollten Sie immer einen Anwalt und einen Arzt konsultieren. Der Arzt sollte Art und Umfang der Verletzung dokumentieren.

Nach Angaben des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen (BVSK) ziehen aber nur fünf Prozent der Unfallgeschädigten einen Anwalt hinzu. Etwa 40 Prozent lassen den Schaden durch einen unabhängigen Gutachter beurteilen. „Durchschnittlich hat ein Autofahrer nur alle zehn Jahre einen Unfall – deshalb herrscht häufig große Verunsicherung, welche Rechte bestehen“, weiß BVSK-Geschäftsführer Elmar Fuchs.

Bisher dürfen eine Werkstatt oder ein Kfz-Sachverständiger den Geschädigten nicht über seine Rechte aufklären – Hintergrund ist das Rechtsberatungsgesetz von 1937. Die Bundesregierung wollte das ändern und ein neues Rechtsdienstleistungsgesetz schaffen. Danach sollten Werkstätten oder Kfz-Sachverständige die Kunden auch rechtlich beraten dürfen, enger mit Rechtsanwälten zusammenarbeiten und auf diese verweisen dürfen. Wegen des Regierungswechsels rechnet BVSK-Geschäftsführer Fuchs aber erst 2007 mit einer Gesetzes-Novelle – die Rechtsberatung bei einer Werkstatt lässt also noch auf sich warten.

Susanne Herrmann

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