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Wirtschaft: Wie Profis rechnen Heiß gelaufen

Solar-Aktien sind die Stars an der Börse – doch Experten warnen vor zu viel Euphorie

Solaraktien werfen ein Problem auf, das schon der Neue Markt kannte: Wie bewertet man die Aktien von Wachstumsbranchen angemessen – und welche Titel sind noch günstig? Analysten diskutieren verschiedene Kennzahlen, auf die man achten sollte: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) setzt den (meist für die kommenden Jahre geschätzten) Gewinn je Aktie ins Verhältnis zum aktuellen Aktienkurs. Das KGV ist eine wichtige Kenngröße zur Beurteilung der Ertragskraft und künftigen Entwicklung eines Unternehmens. Je niedriger der KGV, desto preisgünstiger ist eine Aktie. Obwohl Wachstumsaktien ein höheres KGV erlauben, sind die Bewertungen vieler Solaraktien inzwischen so hoch, dass die Ziffer nicht mehr angemessen erscheint. Empfohlen wird deshalb, das KGV langfristige r zu schätzen, also für vier bis fünf Jahre. Steigt der Gewinn eines Unternehmens pro Jahr um 40 Prozent, ist ein längerfristiges KGV von 40 angemessen. Alternativ sollten sich Anleger zum Beispiel das so genannte dynamische KGV ansehen. Die Price-Earnings to Growth Ratio (PEG) setzt das KGV ins Verhältnis zum erwarteten durchschnittlichen Gewinnwachstum in mehreren Jahren. Liegt das Ergebnis unter 1, gilt die Aktie als attraktiv. Vorsicht ist angebracht beim Kurs-Umsatz-Verhältnis , das niedriger ausfällt, aber eine Aktie häufig nur optisch attraktiv macht. Als Maßstab für die Bewertung können auch das Verhältnis des Enterprise Value (schuldenfreier Unternehmenswert) zum Ebitda oder Ebit sein. mot

An der Börse haben Zocker wieder Konjunktur. Sie setzen auf eine Branche: Solar. In- und ausländische Anleger haben das gute Dutzend in Deutschland notierter Solar-Aktien an die Spitze der Kurslisten getrieben. Die Aktien sind teilweise so stark gestiegen, dass mancher Beobachter mit Schrecken an den Neuen Markt zurückdenkt. Der Solarworld-Kurs etwa hat sich in zwei Monaten verdoppelt, Anleger zahlen fast das 70fache des 2004 erwirtschafteten Gewinns. Allerdings: Deutschlands umsatzstärkster Solarzellen-Hersteller macht auch Gewinn. 2005 hat er sich vor Steuern auf 88 Millionen Euro verdreifacht, die Gewinnmarge sprang auf 25 Prozent. Am Mittwoch teilte der Solarkonzern mit, er habe durch die Platzierung neuer Aktien bei institutionellen Investoren 233,7 Millionen Euro eingenommen. Außerdem beteiligte sich Solarworld im Zuge der Kapitalerhöhung mit 29 Prozent an der Solarparc AG, die sich mit der Planung, der Realisierung und dem Betrieb von Wind- und Solarkraftwerken beschäftigt.

Auch die meisten anderen Solarfirmen arbeiten profitabel. Rechtfertigen aber die Gewinne die hohen Bewertungen? Anleger sollten die Chancen und Risiken kennen, wenn sie in den heißen Markt noch einsteigen wollen.

CHANCEN

„Mit dem Neuen Markt lassen sich die Solaraktien nicht vergleichen“, sagt Arthur Hoffmann, Fondsmanager der Schweizer Bank Sarasin. Schließlich gehe es nicht nur um eine vage Hoffnung wie bei vielen Internetfirmen der New Economy. „Der Solarmarkt wächst, das ist eine Tatsache“, sagt auch Christian Schindler von der Landesbank Rheinland-Pfalz. Allerdings finden beide, dass einige Werte zu teuer sind. „Die Frage ist, wie man die starke Wachstumsdynamik, die fundamental begründet ist, bei der Bewertung der Aktien angemessen berücksichtigt“, sagt Schindler (siehe Kasten).

Arthur Hoffmann befürchtet nicht, dass eine neue Spekulationsblase platzt. „Wenn die Kurse jetzt um zehn Prozent zurückgingen, würde ich sofort wieder zukaufen.“ Schwankungen um plus minus zehn Prozent hält Hoffmann bei Solaraktien für nichts Besonderes. „Es kommt eben darauf an, die Bewegungen sinnvoll zu nutzen“, erklärt er.

Das Risiko, dass die Politik sich für eine massive Änderung der Solarförderung entscheiden könnte, hält Schramm für gering. In Deutschland gilt das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), das feste Vergütungssätze für Ökostrom festschreibt. „Angenommen, die Förderung würde um 20 Prozent gekappt, dann bedeutet das nur, dass der deutsche Markt weniger schnell wächst.“ Gleichzeitig werde die Branche immer internationaler – so spielten die USA, aber auch Indien und China eine größere Rolle.

RISIKEN

Nach dem starken Kursanstieg wächst die Gefahr, dass Gewinnmitnahmen den Solarsektor in Mitleidenschaft ziehen. „Die Branche ist teilweise zu heiß gelaufen“, sagt Robert Schramm, Analyst bei Independent Research. Kursrückgänge seien „auf jeden Fall möglich“ – auch wenn dramatische Einbrüche nicht zu befürchten seien. Schramm empfiehlt, die kommenden Wochen abzuwarten, wenn die meisten Hersteller Zahlen vorlegen. „Es würde mich nicht wundern, wenn es danach größere Gewinnmitnahmen gibt.“

Langfristig warnt der Analyst davor, dass die Gewinnmargen in der Modulfertigung sinken werden. „In Asien kommen ständig neue Kapazitäten hinzu“, erklärt er. „Im Markt ist noch zu wenig deutlich geworden, dass die Deutschen das Know-how nicht für sich alleine gepachtet haben.“ Einige Unternehmen müssten sich deshalb stärker internationalisieren. In Deutschland sind beispielsweise die Unternehmen Solarfabrik in Freiburg oder Solon in Berlin stark auf den heimischen Markt konzentriert. „Insgesamt werden die Wachstumsraten in Deutschland nachlassen“, sagt Schramm voraus.

Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) von mehr als 40 lassen damit die Bewertung mancher Aktie ambitioniert erscheinen. „Anleger sollten sich das KGV für die nächsten vier bis fünf Jahre ansehen – und nicht wie üblich für zwei oder drei Jahre“, sagt Christian Schindler. Nur, wenn der Unternehmensgewinn in den kommenden Jahren im Schnitt um 40 Prozent pro Jahr wachse, „ist ein KGV von 40 okay“.

Daneben seien auch die politischen Risiken nicht zu unterschätzen. Denn noch ist Strom aus Solarzellen nicht rentabel, deshalb bleibt die Branche abhängig von der Förderung. 2007 soll das EEG überarbeitet werden. Ein Absinken der Fördersätze dürfte so gut wie feststehen, auch wenn offen ist, um wie viel es genau geht. „Die Anlagenbauer müssten ihre Preise dann ebenfalls schneller senken“, warnt Analyst Schramm.

Anleger sollten beim Einstieg in den Markt vorsichtig sein. „Entscheidend ist die Diversifikation“, sagt Fondsmanager Hoffmann. So empfiehlt er, nicht nur auf Produzenten wie Q-Cells zu setzen, sondern auch auf Händler wie Conergy. Von kleineren Firmen rät er generell ab. „Sie könnten eher in Liquiditätsprobleme geraten.“ Außerdem seien sie meist nur in Deutschland aktiv. Auch vom Problem knapper Rohstoffe sind die Firmen unterschiedlich betroffen. Viele leiden unter einem Mangel an Silizium, weil die Erzeuger der Nachfrage nicht hinterherkommen. Solarworld sei hingegen bei der Beschaffung gut aufgestellt, sagt Hoffmann. Trotz der stark gestiegenen Aktie bleibt der Experte optimistisch: „Solarworld würde ich auch Freunden empfehlen.“

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