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Wirtschaft: "Wir kommen gar nicht hinterher"

Kontrolleur Müller: Vieles wird nicht entdeckt

Herr Müller, im letzten Jahr hat es keinen ganz großen Lebensmittelskandal gegeben. Sind die Lebensmittel besser geworden oder kontrollieren Sie nicht genug?



Wir hatten doch Lebensmittelskandale! Denken Sie mal an den Glibber-Schinken, der mehr Gel als Fleisch enthält, oder an die Käseimitate.

Hat es das früher nicht gegeben?

Es wird seit Menschengedenken betrogen. Ich habe schon vor 33 Jahren einen Kochschinken gefunden, dem man ein Drittel Wasser zugesetzt hatte. Vor den Lebensmittelimitaten haben wir Kontrolleure schon vor Jahren gewarnt, aber wir sind damit nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Das müssen wir ändern. Nur der öffentliche Druck schafft Veränderung.

Wo sind Sie sonst noch fündig geworden, ohne Alarm geschlagen zu haben?

Ein großes Feld sind die Nahrungsergänzungsmittel, mit denen ein ganz großes Geschäft gemacht wird. Zum Beispiel Vitamin- und Mineralstoffpräparate, solche Dinge gibt es jetzt überall zu kaufen. Sie werden häufig durch irreführende krankheits- oder schlankheitsbezogene Aussagen beworben und enthalten oft nicht zugelassene Zusätze. Hier stimmt häufig die Kennzeichnung nicht. Allein im Land Brandenburg wurden 52 Prozent dieser Proben beanstandet. Mangelnde oder fehlerhafte Kennzeichnungen sind generell der häufigste Grund für Beanstandungen.

Zum Beispiel?

Restaurants oder Imbisse legen sehr häufig keinen Kochschinken auf die Pizza, sondern billiges Schinkenimitat. Statt Schafskäse nimmt man Kuhkäse oder Käseimitat aus Pflanzenfett. Das spart Geld: Das Kilo Schafskäse kostet sechs Euro mehr als Kuhkäse.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass solche Läden auffliegen?

Nicht sehr hoch. Das Risiko, entdeckt zu werden, liegt bei 25 Prozent. Es gibt nicht genug Lebensmittelkontrolleure. Wir kommen mit dem, was wir eigentlich schaffen müssten, nicht hinterher.

Wie häufig wird denn ein Betrieb kontrolliert?

Für die Betriebe gibt es eine gesetzlich festgelegte Risikobewertung. Getränkeabholmärkte werden seltener überprüft als Imbisse oder Döner-Buden. Für Betriebe, die Lebensmittel in unverpackter Form bearbeiten beziehungsweise verkaufen, liegt die vorgeschriebene Kontrollhäufigkeit zwischen einem Tag und zwei Jahren. Aber das können wir gar nicht. Ein Restaurant, das halbjährlich kontrolliert werden müsste, wird im Schnitt ein Mal im Jahr überprüft.

Martin Müller (60) ist Vorsitzender des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure und arbeitet selbst seit 33 Jahren als Lebensmittelkontrolleur. Das Gespräch führte Heike Jahberg.

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