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Wirtschaft: „Wir sind heute wichtiger denn je“

Datenschützer Peter Schaar über Pannen bei Hartz IV, neugierige Finanzämter und Schikanen gegenüber Ausländern

Herr Schaar, fühlen Sie sich überflüssig?

Nein, überhaupt nicht. Die Informationstechnik macht es immer einfacher, Daten zu sammeln und zu verknüpfen. Die Institution der Datenschutzbeauftragten ist deshalb heute wichtiger denn je.

Aber warum fragt Sie dann keiner? Ständig werden neue Gesetze gemacht, ohne dass Sie konsultiert werden – zum Beispiel bei Hartz IV oder bei der Steueramnestie.

Das stimmt nicht. In vielen Fällen werden wir gefragt. Bei der Vorbereitung des Hartz-IV-Gesetzes war der Bundesdatenschutzbeauftragte beteiligt. Allerdings nicht bei der Erstellung der Antragsformulare. Hier war die Bundesagentur für Arbeit auch nicht verpflichtet, uns vorher zu fragen, aber es wäre natürlich besser gewesen, wenn man uns frühzeitig zu Rate gezogen hätte. Dann hätten viele Fehler vermieden werden können, die jetzt mit hohem Aufwand korrigiert werden müssen. Beim Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit war mein Vorgänger beteiligt und er hat seine Bedenken auch vorgebracht.

Genutzt hat das aber nichts, oder?

Der Bundestag hat die Bedenken leider nur zum kleineren Teil aufgenommen. Die Datenschutzbeauftragten haben eine Art Wächteramt. Wir sind keine Richter und keine Oberentscheider. Wir können Rat geben, aber ob dieser befolgt wird, liegt nicht in unserer Macht. Ich denke aber, allein die Tatsache, dass es unabhängige Datenschutzbeauftragte gibt, erhöht die Sensibilität der verantwortlichen Stellen für den Schutz von Daten.

Ist der Regierung der Datenschutz nicht zunehmend egal?

Das würde ich so nicht sagen. Aber richtig ist, dass wir uns in einem Konfliktfeld befinden, in dem verschiedene konträre Belange eine Rolle spielen. Die Verteidigung der inneren Sicherheit wird oft als Gegensatz zum Datenschutz gesehen genauso wie der Kampf gegen den Missbrauch von Sozialleistungen.

Sind die Menschen so viel schlechter geworden, dass man sie heute mehr kontrollieren muss als früher?

Diese Sichtweise gefällt mir nicht. Im Vordergrund steht derzeit leider häufig das Bild eines Menschen, der nur seinen persönlichen Vorteil im Sinn hat, sich nicht um die Gesetze schert und auch vor Betrug nicht zurückschreckt. Es ist ein Menschenbild, das alle möglichen Kontrollen zu rechtfertigen scheint. Im Rechtsstaat muss es aber bei der generellen Unschuldsvermutung bleiben. Nur derjenige, der Anhaltspunkte dafür liefert, sich nicht rechtmäßig zu verhalten, sollte besonders kontrolliert werden.

Können Sie mit dem neuen, entschärften Hartz-IV-Fragebogen leben?

Ich sehe hier einen großen Fortschritt. Man hat uns auch versichert, dass die Daten, die die Bundesagentur für Arbeit gar nicht erst hätte erheben dürfen, nicht gespeichert werden. Das gilt für die Daten des Vermieters genauso wie die Angaben von Haushaltsmitgliedern, die bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II außen vor bleiben. Die Fragebögen selbst werden leider erst mit der nächsten Auflage geändert. Noch nicht geeinigt haben wir uns allerdings mit der Bundesagentur bei der Frage, ob die Antragsteller vom Arbeitgeber bestätigte Verdienstnachweise ihrer Angehörigen auf dem Arbeitslosengeld-II-Formular beibringen müssen. Die Bundesagentur hat aber zumindest versprochen, das Ganze noch einmal zu prüfen.

In welchen Bereichen ist der Umgang mit Daten besonders problematisch?

Immer dann, wenn Daten für einen bestimmten Zweck erhoben worden sind und dann für einen anderen Zweck verwendet werden.

Zum Beispiel?

Das Problem stellt sich bei vielen Abgleichsverfahren. Ich gebe einen Freistellungsauftrag ab und wenn ich Bafög beantrage, nimmt die Bafög-Stelle einen Abgleich mit diesem Freistellungsauftrag vor. Ich melde ein Auto an, und das Sozialamt kann erfahren, was für ein Auto ich angemeldet habe. Viele dieser Verfahren laufen automatisiert ab, die Betroffenen wissen oft nicht, wer welche Informationen bekommt. Für problematisch halte ich auch die Erfassung von EU-Ausländern im Ausländerzentralregister. Alle möglichen Stellen können online Daten von Ausländern abrufen – und zwar auch von Ausländern aus der Europäischen Union, die sich bei uns für eine längere Zeit aufhalten. Dafür gibt es in einem zusammenwachsenden Europa überhaupt keine Rechtfertigung. Ich fordere daher nachdrücklich, dass die generelle Speicherung von EU-Ausländern im Ausländerzentralregister unterbleibt.

Im nächsten Jahr können alle möglichen Stellen abfragen, wo ich welche Konten habe. Ist das in Ordnung?

Im Zuge der Terrorismusbekämpfung hat man die Banken verpflichtet, bestimmte Stammdaten abrufbereit zu halten, um verdächtigen Geldströmen auf die Spur zu kommen. Damals wurde ausdrücklich zugesagt, dass die Steuerbehörden keinen Zugriff auf diese Dateien erhalten. Jetzt hat man in Zusammenhang mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit den Zweck dieser Dateien erweitert – auf eine völlig unverhältnismäßige Art und Weise. Künftig dürfen auch die Finanzämter diese Daten nutzen, aber noch schlimmer: Dasselbe Recht haben auch alle anderen Behörden, die Gesetze anwenden, die an Begriffe des Einkommensteuerrechts anknüpfen. Was für Begriffe und was für Behörden das sind, weiß keiner. Ich sehe das sehr kritisch.

Das Interview führte Heike Jahberg.

Peter Schaar (50)

ist seit Dezember vergangenen Jahres Bundesbeauftragter für den Datenschutz. Gewählt wird der Datenschutzbeauftragte für fünf Jahre. Schaar ist Mitglied der Grünen.

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