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Drachenhaus, Maulbeerallee 4a, Potsdam, Tel. (0331)5053808, täglich außer Mo 11-18 Uhr, April-Okt auch Abendessen.

© Wolff

Von Tisch zu Tisch: Drachenhaus

Bernd Matthies war essen. Dieses mal im "Drachenhaus" in Potsdam. Am königlichen Weinberg verspeist er Entenklein mit Birnenmus. Seine Kritik lesen Sie hier.

Äpfel kann man mit Birnen vergleichen, Berlin mit Potsdam auch. Die hübsche Landeshauptstadt nebenan hat eine Reihe interessanter Restaurants, aber sie sind anderer Art als die in Berlin. Nämlich kleine, private, die manchmal mit mehr Ambitionen als Können betrieben werden; Hotel-Restaurants spielen nur eine relativ geringe Rolle. Ganz nach oben strebt anders als in Dresden oder Leipzig niemand, und die Platzhirsche – Bayrisches Haus, Juliette, Speckers – sind seit Jahren die gleichen.

Auch das Mega-Touristenziel Sanssouci wird seit langer Zeit mehr schlecht als recht bekocht. In der Historischen Mühle gibt es Mövenpicks routinierte Systemgastronomie, das Krongut Bornstedt macht auf Bierstube für Busladungen, das Steigenberger am Eingang des Parks zeigt keinerlei Ambitionen, und damit hat es sich dann auch weitgehend. Dabei gibt es, ziemlich versteckt am Königlichen Weinberg, das kuriose Drachenhaus – es ist mit dem Auto praktisch nicht zu erreichen.

Unbekannt? Es handelt sich um eine kleine Pagode, die Friedrich der Große 1770 nach einem Vorbild aus den Kew Gardens in London errichten ließ; die Drachen hocken, freundlich grinsend, auf dem achteckigen Dach.

Wenn Sie noch ein Ausflugsrestaurant im althergebrachten Sinn suchen: Hier wäre es. Vermutlich verhindert schon der Denkmalschutz irgendwelche Veränderungen, und so wirkt der dicht mit Tischen zugestellte Gastraum etwas spießig. Auch eher untypisch für Restaurants, die hier gewürdigt werden: Es geht den ganzen Tag (um 18 Uhr ist Schluss!) mit regulärem Essen und Kaffee&Kuchen durcheinander. Dennoch verrät die Speisekarte gewisse Ambitionen zwischen bürgerlicher Deftigkeit und exotischen Ausflügen, man legt laut Karte Wert auf Frischprodukte und schmückt sich mit den exzentrischen Trinkschokoladen von Zotter aus Österreich.

Das Essen? Es wirkt im guten Sinn amateurhaft. Mir ist schon lange nicht mehr eine so autonome, von allen Vorbildern abgekoppelte Stilistik begegnet. Entenklein wird hier in kaltem Chili-Birnenmus mit einem Chicoreesalat (8,90) serviert, das ist kurios, insgesamt ein wenig zu süß, aber nicht schlecht. Auch bei den „Drachenhaus Tapas“ kommt das Entenklein vor, ergänzt um gebratene Kaninchenleber (schön rosa) mit Früchtesenf und einen Königsberger Klops, der seinem üblichen Biotop entrissen und einfach mit Senf serviert wird (9,80).

Nähern wir uns deshalb noch einmal den Klopsen, diesmal als Hauptgericht (14,10). Sie sind schön locker und würzig, leider ohne fühl- und schmeckbare Kapern, die vermutlich schon drinstecken, und kommen in einer gut abgeschmeckten, nach alter Väter Sitte mehlgebundenen Sauce mit guten, frisch gekochten Kartoffeln; dazu gibt es einen Salat aus Roten Beten und Äpfeln, der die klassische Rezeptur ein wenig auflockert. Die gleichen Kartoffeln liegen neben den kräftig angebratenen, aber nicht unsaftigen Lachsforellenfilets, die von einer rosa Sauce begleitet werden, in der ebenfalls Rote Bete stecken (17,90).

Das alles ist gut gewürzt und genau gegart, ungefähr so, wie man sich ein Essen bei kochkundigen Freunden vorstellt, die alles haben außer den professionellen Schliff. Auch das Dessert war so ein Fall: Hagebuttenparfait mit Chilizwetschgen, eher eine Grütze als das versprochene Kompott, aber angenehm zu essen.

Die kuriosen Öffnungszeiten dürften den Weinkonsum kaum fördern. Vielleicht ist das der Grund, warum ein paar reife Bordeaux-Trouvaillen – 98 Cos d’ Estournel, 99 Leoville Las Cases – mehr oder weniger zum aktuellen Einkaufspreis geöffnet werden. Es gibt aber auch viele anständige Offene und sehr günstig kalkulierte einfachere Flaschen aus Deutschland, Österreich und Frankreich und natürlich, hier obligatorisch, auch den Werderaner Wachtelberg (28,50).

Wenn Sie meinen Ausführungen entnommen haben, dass dies kein Restaurant ist, zu dem man eigens von Berlin aus anreisen muss, ist das richtig. Wer aber schon in Potsdam ist, etwa wegen des soeben gestarteten Preußenjahrs, der sollte ruhig auf ein Mittagessen hingehen.

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