zum Hauptinhalt
Grace im Hotel Zoo, Kurfürstendamm 25, Charlottenburg, Tel. 030/88437750, täglich außer Sonntag und Montag ab 18 Uhr.

© Kai-Uwe Heinrich

Von TISCH zu TISCH: Grace

Artischockennest und gebackene Morcheln.

An manchen Orten ist Berlin nicht wiederzuerkennen. Das Hotel am Zoo hat, seit es nur noch „Hotel Zoo“ heißt, eine grandiose Wandlung hinter sich gebracht, vom Mittelklassehaus zur surrealistischen Luxusversion des Chelsea Hotels. Unter der Regie der amerikanischen Architektin Dayna Lee ist ein besonderer Ort noch außergewöhnlicher geworden. Und manche Bewohner des Westens, die nicht immer Lust hatten, in die hippen Tempel der Nachwendezeit in den Osten zu pilgern, geben jetzt einem lang aufgestauten Hunger nach und bevölkern die neuen Glanzstätten. Das ist aber wohl nicht der einzige Grund, warum man bei der Reservierung für das Grace am Telefon befragt wird: Name, Vorname, Telefonnummer, E-Mail-Adresse. Und welcher „Slot“ darf es denn sein? Beim dritten Anlauf kamen wir unserer Wunschzeit immerhin ziemlich nahe.

Eine schwarze Kordel trennt die Hotelhalle von der bestens gefüllten Bar. Wer reserviert hat, darf durch, Barbesucher müssen den Hintereingang benutzen, weil sich Hotelgäste beschwert hätten. So eine gähnend leere Lobby ist aber auch nicht unbedingt erstrebenswert. Kaum waren wir hinter der Kordel und hatten, wie befohlen, in gebührendem Abstand auf die Hostess gewartet, überflutete uns eine Freundlichkeitsoffensive.

Das Ambiente ist wie Wohnzimmer, aber ganz und gar unspießig, der Vintage-Look, den die Amerikaner im Soho House so lieben, kommt hier ohne künstliche Löcher im Parkett und andere Fallen aus. Es ist elegant und gemütlich mit den Vogelkäfigkronleuchtern, den brennenden Kerzen und den Büchern im Regal.

Champagner war der einzige prickelnde Aperitif, den der überschäumend nette Kellner anbot. Der Crémant schon alle, der Winzersekt noch nicht auf dem Weg, Prosecco gibt’s im Restaurant nur flaschenweise. Unsere Beharrlichkeit belohnte er mit einem Ausflug in die Bar, von wo er mit einer teils geleerten Flasche Prosecco wiederkam und den Rest auf unsere Gläser verteilte. So viel Flexibilität hat freilich einen Preis, hier waren es 7 Euro. Pro Glas. Wie gut, dass der junge Mann das Essen nicht nur servierte, sondern auch moderierte, wobei er manchmal in die Hocke ging, um seine Kommentare auf Augenhöhe loszuwerden. Mit einem skeptischen Blick auf die Vorspeise sagte er, dass er in der Küche bereits angeregt habe, die Portion etwas zu vergrößern. Dem konnte ich selbst als ausgewiesene Freundin maßvoller Portionen nur zustimmen. Das Minitürmchen Yellowfin Tuna Tartar und die beiden Winzscheibchen wären trotz der angenehmen Limetten-Soja-Vinaigrette lässig als Amuse Bouche durchgegangen (24 Euro!). Dazu gab es dreierlei Sorten Brot mit drei steinhart gefrorenen Knöspchen Butter in den Varianten, Kräuter, Tomate und Natur.

Ein besseres Preis- Leistungs-Verhältnis boten die köstlich gewürzten Ricotta Ravioli mit Zitrus- und Aprikosennoten. Da die Küche leicht asiatisch angehaucht ist, überraschte der Einsatz exotischer Gewürze auch bei italienischen Heiligtümern nicht, das war gelungen (18 Euro). Prima schmeckte auch das Nest aus Variationen von Artischocke und Avocado mit Wasabi und Morcheln. Besonders lecker waren die Artischockenchips, gewöhnungsbedürftig auch hier das Preis-Leistungs-Verhältnis angesichts des überschaubaren Materialeinsatzes (24 Euro).

Eine Spezialität des Hauses ist die eigenwillig interpretierte Pekingente. Zarte und weitgehend unfettige Bruststücke waren angerichtet auf einen überdimensionierten Krabbenchip mit eingebackenen Sesamkörnern. Dazu gab es einen klassischen Pfannkuchen, Pflaumensauce, Gemüsestreifen und Kräutersalat obenauf. Diesmal war der Umfang okay (29 Euro).

Zum Nachtisch probierten wir New York Cheesecake, der enthusiastisch empfohlen worden war. Der Cheese-Part des kleinen Quaders schmeckte unsüß, wie es sich gehört, Himbeere, Himbeersorbet und dezent hingetupfte Basilikum-Marshmallows passten (12 Euro).

Noch im Aufbau begriffen ist die Weinkarte. Der rheinhessische Riesling 100 Hügel von Wittmann passte sich dem leicht exotischen Menü an (31 Euro). Die lebhafte Nachfrage hat die Preise schon in die Höhe getrieben. Manche Gerichte waren auf der Karte im Internet noch für deutlich weniger Geld zu haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false