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Von TISCH zu TISCH: Pantry

Geschmortes Rind mit Apfelstreifen.

Es hat sich in den letzten Jahren so etwas wie eine spätbürgerliche Küche herausgebildet, die überall in der Welt verbreitet ist. Sie integriert kulinarische Impulse aus allen Richtungen, ohne in das überkommene Fusions-Modell zu rutschen – denn anders als dort bleiben in ihr die Stilrichtungen säuberlich getrennt, verbunden nur durch die Tatsache, dass alle auf einer Karte stehen. Auch vegetarische und extrem fleischlastige Gänge werden nebeneinander toleriert, es muss sich eben jeder seins heraussuchen, das Prinzip heißt „Crossover“.

Wichtigstes Kennzeichen dieser neuen Globalküche ist mindestens ein Fleischgang im Barbecue-Stil; dazu kommen japanisch oder thailändisch inspirierte Vorspeisen, Thunfisch-Tataki und Beef Tatar, ein im weitesten Sinne mediterranes Fischgericht, chinesisches Geflügel, ein italienisch inspiriertes Nudelgericht – und bei den Desserts unbedingt was mit Schokolade.

Wer sich auskennt, der hat bis zu dieser Stelle schon einen ganzen Haufen Berliner Restaurants erkannt, und auch die „Pantry“ in der Friedrichstraße passt gut in dieses Bild. Man könnte sagen: Stilistisch ist es ein Restaurant, das all jene aufnimmt, die im nahen „Grill Royal“ nicht mehr untergekommen sind oder mal Abwechslung in einer sehr viel breiter aufgestellten Küche suchen.

Der Raum ist allerdings viel kleiner als der „Grill“, und drinnen dominieren sehr eng gestellte Sessel, stramm ledern aufgeplustert. Das sieht ganz gemütlich aus, allerdings muss der Neuling zunächst einige Energie aufwenden, um nicht am Katzentisch endgelagert zu werden. Später wird sich herausstellen, dass diese Sessel viel zu niedrig für normal gebaute Gäste sind und unter der feudalen Pelle harte Bretter verbergen – Sparmaßnahme oder heimlicher Versuch, die Sitzdauer zu verkürzen?

Das Essen kommt dann auch recht zügig. Ich mag das Konzept, auch mir macht es Spaß, innerhalb eines Menüs die Weltregion mehrfach zu wechseln. Und deshalb habe ich die „Tapas“, die hier zum Beispiel aus einer Auster, Lachstatar, einem Yakitori-Hähnchenspieß auf köstlich asiatischem Salat, knusprig-zartem Oktopus und ebensolchem Schweinebauch bestehen, gern gegessen. Das ist alles professionell gemacht, herzhaft gewürzt, und es isst sich weg wie nichts.

Etwas mehr Zeit benötigt der europäische Esser fürs Vernichten der sehr stilechten Ramen-Nudelsuppe, die mit Pak Choi und Tofu gekocht ist und wahlweise mit Schweinefleisch oder Fisch zu haben ist, eine sanfte, authentisch anmutende Sache. Bei den Hauptgängen geht es dann weniger fulminant weiter, und zwar vor allem deshalb, weil hier zwar viel geschmort, aber durchweg viel zu lange geschmort wird. Das ist küchentechnisch sicherer, ich verstehe das, aber das Ergebnis war sowohl beim Rind als auch bei der Ente: ausgezehrtes, fasriges Fleisch.

„Flat Iron Beef“ hieß das eine Gericht, ein mächtiges Stück Rindsschulter, das nicht mit dem Bügeleisen gebraten wird, aber eine daran erinnernde Form hat. Es kommt mit säuerlichen Apfelstreifen, Granatapfelkernen, Röschen von Blumenkohl und Romanesco sowie Blumenkohlpüree, ausgewogen, frisch, geschmacklich gelungen. Die Ente folgte dem auf Knusprigkeit angelegten Geschmacksmuster, aber letzten Endes kommen die Chinesen dabei besser auf den Punkt, das blieb ziemlich dröge.

Den Desserts fehlte dann die Balance: Alles, was wir probierten, lag sehr auf der sehr süßen Seite, die gegrillten Marshmallows mit Portweinquitte und einem sehr quietschgrünen Matcha-Parfait („Feel the campfire“) sowie der sehr kompakte, schwere Schokokuchen mit Lebkuchenparfait und Beerensauce. Auf der Weinkarte: nicht viele, anständig ausgesuchte Weine ab 29 Euro. (Hauptgänge um 20, Vorspeisen ca. 10–15 Euro.)

Der kulinarische Sinkflug in Verbindung mit den zunehmend unbequemer werdenden Sesseln ließ mich das Ende des Essens durchaus herbeisehnen. Aber zweifellos ist das keine schlechte Adresse, und die Küche kann vermutlich mehr, als sich an einem Abend zeigt.

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