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Von TISCH zu TISCH: Pietrafitta

Schwertfisch-Carpaccio mit Senfvinaigrette

Man würde sich nicht wundern, wenn in der Ecke ein Ehepaar im Hausanzug säße. Oder wenn plötzlich jemand im Pyjama das Pietrafitta betreten würde. Die Piccola Trattoria strahlt tatsächlich eine so familiäre Atmosphäre aus, wirkt so kiezig klein und riecht nach guter italienischer Hausmacherkost, dass man sich die Stadt vor den Fensterscheiben glatt wegdenken und durch eine imaginierte italienische Landidylle ersetzen könnte. „Hier kocht Lucia“ ist das Motto des Hauses, und so schmeckt es auch.

Aber erst mal müssen wir in dem winzigen, trotzdem angenehm mit offenen Weinregalen geschmückten Gastraum heimisch werden. Offenbar ist das ein Haus, in dem man sich als Stammgast hocharbeiten muss. Als Neulinge bekamen wir zunächst einen kleinen Katzentisch am Durchgang zugewiesen, durften dann aber auf Nachfrage zu einem etwas gemütlicheren Tisch an der Wand aufrücken. Bis der doch recht entschleunigt wirkende Kellner die fleckige Tischdecke durch ein frisches, fröhlich orange-gelb kariertes Tuch ersetzt und Windlicht und Stoffservietten umarrangiert hatte, dauerte es freilich ein Weilchen. Allerdings gab es auch nur den einen Kellner, der den ganzen Gastraum versorgen musste, und wenn ein Tisch frei wurde, kamen bald darauf neue Gäste, um ihn wieder zu besetzen. Es ist trotzdem ein sehr ruhiges Restaurant, auch zwei Singles saßen allein an verschiedenen Tischen. Zwei Pärchen parlierten von Tisch zu Tisch. Man kennt sich hier. Glücklich, wer so ein kollektives Wohnzimmer direkt um die Ecke hat.

Die familiäre Aura spürt noch stärker, wer durch den schmalen Garderobengang an der Küche vorbei geht, wo die Umrisse von Lucia hinter Stapeln leerer Pappkartons erahnbar werden. Es ist ein sizilianischer Familienbetrieb, also ein guter Kurort für alle, die Erholung brauchen von den schicken chrom- und ledergestylten mittigen Szenelokalen.

Von den warmen Crostini- und Pizzabrotscheiben, die es vorweg gegen den ersten Hunger gibt, tropft dick das Öl, kullern Tomaten- und Zwiebelwürfel herunter, was den Eindruck des Hausgemachten noch verstärkt. Der Prosecco moussiert nur zart, die Weinauswahl ist nicht üppig. Neben den sardischen Hausweinen wird ein weißer 2006er Greco di Tufo aus Kampanien empfohlen, ein leicht herber Wein, der gut zu warmen Abenden passt, aber durchaus auch zu einer warmen Atmosphäre, wenn es draußen schon kühler ist.

Wenn jemand wie Lucia kocht, darf man auf kräftige Geschmackserlebnisse hoffen. Das Schwertfisch-Carpaccio auf Rucola war köstlich, dünn geschnitten, großzügig bedeckt mit einer sehr guten, körnigen Senfvinaigrette und roten Pfefferkörnern. So rüttelte es die Zunge geradezu wach (10,50 Euro). Sehr hübsch arrangiert waren die gegrillten Gemüsesorten, ein Trialog von hauchdünn geschnittenen und ganz sanft angebräunten Streifen von Auberginen, Zucchini und Champignons mit schwarzen Oliven in der Mitte (8,50 Euro). Das Rindergeschnetzelte Piazzola Art zerging nicht geradezu auf der Zunge, ähnelte stilistisch aber angenehm den kräftig gewürzten Vorspeisen. Dazu gab es Brokkoli, Möhren, grüne Bohnen, Kartoffeln, mit reichlich Öl al dente zubereitet (10,50 Euro). Die gleiche Beilage gab es auch zum extrazarten Lachs in einer dickflüssigen Proseccosauce, die ganz geschickt mit Knoblauch aufgepeppt war (14,50 Euro). Dazu weiches, weißes, dick geschnittenes Brot.

Die hausgemachte Torta Lucia hatte zwar einen sehr guten feuchten Boden, war uns insgesamt aber doch zu sahnig, obwohl sie dem Augenschein nach ein Favorit der Stammgäste ist (7 Euro). Am Ende ging der Kellner noch mit Grappa und brennendem Sambuca durch die Reihen. Verlockend hatte auch schon ausgesehen, was er an Pizzen, handgeformten Nudeln und Salaten herumgetragen hatte.

Nette Leser hatten uns das Lokal empfohlen. Menschen, die mehr Wert legen auf ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis als auf geschniegelten Perfektionismus werden sich trotz der Enge des Raumes sicher wohl fühlen.

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