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Von TISCH zu TISCH: Tian Fu

Ente mit acht Kostbarkeiten.

Da kann die Szene so viel eröffnen, wie sie will: Die Leute gehen trotzdem zum Italiener oder Chinesen. Warum, ist leicht zu erraten. Einerseits treffen diese Restaurants den Geschmack der meisten Gäste, andererseits ist es dort fast immer möglich, in angenehmer Atmosphäre ohne Flüsterei für relativ wenig Geld satt zu werden. Nicht, dass ich nach über 23 Jahren Restaurantkritik das Gourmet-Prinzip über Bord werfen will. Aber ich habe großes Verständnis für Esser, die gern auf Marmortoilette, Sommelier und Amuse gueule verzichten, wenn ihnen dies Rechnungen von hundert Euro und mehr pro Nase erspart.

Vor allem die Chinarestaurants sind in Berlin meist sehr schlicht gestaltet. Es gibt, gefühlt, tausende, aber nur ein paar schaffen es in die Wahrnehmung anspruchsvollerer Gäste – Good Friends, Hot Spot, Aroma heißen die üblichen Verdächtigen. Kulinarische Wunder finden dort nirgendwo statt, alle haben die Speisekarte mit den dreistelligen Nummern, das ist nun mal so auf dieser Preisebene. Und dies gilt prinzipiell auch für das unscheinbare „Tian Fu“ in der Uhlandstraße, das neuerdings noch einen – vom Angebot identischen – Ableger in der Berliner Straße hat.

Herausragend sind hier die Dim Sum, die gedämpften Teigtaschen, die in Deutschland meist nur als Karikaturen mit Gummifüllung im dicken Schwabbelteig zu haben sind. Hier gibt es ein großes, differenziertes Angebot, und man schmeckt, dass auch drinsteckt, was in der hübsch bebilderten Speisekarte versprochen wird, Schweinefleisch, Frühlingszwiebeln, Koriander, Garnelen, je nachdem. Die Füllungen kommen nicht aus dem Kutter, sondern sie sind meist so grob, dass sie Biss haben und deshalb auch Geschmack entwickeln – nur, dass wir Langnasen immer erst zu spät merken, welche Höllenhitze in diesen Dingern herrscht und uns vorzeitig die Zunge verbrennen. Bemerkenswert sind hier vor allem die „Siumai“, offene Teigtaschen, etwa mit Schwein und Bambus; es gibt sogar originelle gefärbte Varianten.

Besonderheit zwei: Salate. Probiert haben zuletzt wir den schwer suchtverdächtigen Gurkensalat mit Chiliöl und Koriander und den gleichermaßen guten Gemüsesalat mit geräuchertem Tofu – das schreibt ein Tofufeind. Auch Qualle, Seetang und Hühnerfüße sind für Konsistenzfreaks im Angebot, ich bin eher keiner, aber bitte... Der große Tisch mit der großen Drehplatte in der Mitte des Raums wird oft von chinesischen Gesellschaften genutzt.

Wir Biodeutschen sind dafür eher auf Hauptgerichte fixiert, die hier nicht so auffällig gut, aber doch von zuverlässiger Qualität sind. Gekocht wird ein europäisierter Szechuan-Stil mit kleinen Schärfeeruptionen, vor denen aber artig gewarnt wird. Vor allem die Entengerichte bestechen durch schönen krossen Knusper in Verbindung mit relativ wenig Fett - die klassische Ente mit acht Kostbarkeiten ruht auf einem Beet von Gemüse, Pilzen, Garnelen, unter der Sesamente geht es ruhiger zu, aber nicht minder köstlich. Das Schweinefleisch in Hoisin-Sauce schließlich ist puristisch zubereitet, Fleisch, Sauce, darüber dünne rohe Lauchstreifen, sonst nichts.

Dass die Grundsaucen zu diesen Gerichten auf industriell hergestellter Basis gekocht werden, versteht sich – das geht kaum anders. Es wäre auch naiv, anzunehmen, dass auf diesem Preisniveau (Hauptgänge 10-15 Euro) alles nach Gourmetmanier à la minute aus superfeinen Grundprodukten zubereitet wird. Doch hier glibbert nichts, und nichts deutet auf forcierte Glutamat-Attacken, der Geschmack bleibt differenziert, das ist schon mal was. Die Weinkarte sollte man ins Positive wenden und als Gelegenheit sehen, endlich einmal weniger Geld auszugeben. Mineralwasser und Jasmintee beispielsweise tun es in diesem Rahmen durchaus.

In dieser – offenbar seit Jahrzehnten konstanten – Form gehört das „Tian Fu“ jedenfalls in die Berliner Spitzengruppe. Von dort bis zum international möglichen Niveau bleibt es aber weiter ein gehöriger Sprung.

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