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Hey you, danke, falls du für mich bist! Donald Trump im April bei einer Veranstaltung im Staat New York.

© REUTERS

Wählerin des neuen US-Präsidenten: Ich bin für Donald Trump!

Die Welt schimpft, staunt, rätselt über Donald Trump. Ich nicht. Ich gehöre zu seinen Anhängern und hoffe auf Veränderungen zum Besseren in den USA. Bekenntnisse von Louise Jacobs - einer eigentlich Unpolitischen.

Schon als Kind träumte ich vom Leben als Cowboy im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten. Dieses Land hat schon immer genug Platz für mich und meine Träume gehabt und Menschen, die sich mit der Wildnis und mit dem Leben auskennen.
1991 kam ich zum ersten Mal in die USA, heute bin ich hier verheiratet. Mein Mann, der aus Georgia stammt, und ich leben in Vermont, einem sehr liberalen Staat, reichlich bestückt mit intellektuellen Demokraten und harten Arbeitern. Vermont kennt, genau wie jeder andere Staat in Amerika auch, Drogenprobleme, Armut, die teilweise erschreckenden Ausmaße schlechter Ernährung und die Folgen einer lückenhaften Gesundheitspolitik, keine Altersvorsorge, verwahrloste Kinder und unfassbar schöne Natur.

In Deutschland habe ich mich nicht besonders für Politik interessiert, obwohl ich Angela Merkel immer mochte und sie als Repräsentantin meines Heimatlandes sehr schätze. Sie wäre eine der Personen, mit denen ich gern mal im Lift stecken bleiben würde. Meine Sympathie für Angela Merkel könnte darauf schließen lassen, dass ich in den USA eine Unterstützerin von Hillary Clinton sein würde. Aber so ist es nicht. Ich bin eine von denen, die für Donald Trump sind. Diese Wahl fiel aus Gründen, die vielleicht nicht jeder akzeptieren wird. Aber ich stehe zu ihr.

Dafür zunächst ein Blick zurück in die Wahlkampfzeiten: Lange lief der Wahlkampf bei uns zuhause nur nebenbei, eine Meinung zur Wahl hatte ich nicht. Es war Sommer, und ich war mit meinem neugeborenen Sohn beschäftigt, oder im Gemüsegarten und auf dem Feld. Ich hörte nur Lächerlichkeiten über Trump und eigentlich nichts über Hillary Clinton, also sagte ich stets, wenn man mich zur Wahl fragte: „Ich habe wirklich keine Ahnung und kann mir deshalb auch keine Meinung bilden.“ Beides schien mir irgendwie verrückt: ein Business-Mann, der aggressiv redete, und die Frau eines Ex-Präsidenten der Monica Lewinsky berühmt gemacht hat und heute Saxofon in einer Jazzband spielt.

Obamacare macht aus meinem Mann einen verzweifelten Patienten

Ich kann mich an die Zeit vor acht Jahren erinnern, als auch ich nach der Wahl von Barack Obama begeistert war von seiner frischen, fast sprühenden Intelligenz und seinem Tatendrang. Doch was ist geworden? Heute wirkt dieses Land gespaltener denn je. Es kommt mir vor, als hätten die Menschen in den acht Jahren ununterbrochen Zuckerwatte gegessen und stellten jetzt fest, dass sie überhaupt nicht satt geworden sind.

Obama, der erste Präsident mit „african-american“ Wurzeln, hat das Land mehr als jeder andere Präsident gespalten. Amerika ist nach Obama nicht mehr das Land der Hoffnung, in dem Träume wahr werden können, in dem stolze, hart arbeitende Menschen jeder Herkunft ihre Wurzeln, ihre Geschichte haben. Obama hat die Rassendiskussion angeheizt, er hat auf einmal die Vorteile der Weißen benannt und die Schwarzen aufgefordert, nicht länger nur Opfer zu sein, sondern Verantwortung zu übernehmen – auch für kriminelle Ausschreitungen. Die schwarzen Amerikaner sind nicht, wie so sehr erhofft, besser dran als unter Bush. Ihre Lebens- und Arbeitssituation hat sich, im Gegenteil, unter Obama verschlechtert.

Die Arbeitslosenzahl ist unter Obama zwar gesunken, aber dafür verantwortet er den heillosen Versuch, alle Amerikaner einer Krankenversicherung zu unterwerfen, der mehr Chaos als Sicherheit ausgelöst hat. Zehn Prozent aller Amerikaner haben auch mit dem „Affordable Care Act“ keine Krankenversicherung, das sind 30 Millionen Menschen. Eine weitere Million Menschen leben illegal in USA und sind darum nicht versichert. Die meisten übrigen können sich die Krankenversicherung nicht leisten, da die Selbstbeteiligungen im dreistelligen Bereich liegen.

Es gibt für den durchschnittlichen Kranken kaum mehr einen Arzt, den er mal eben anrufen kann. Die meisten Ärzte sind einer bestimmten Krankenversicherung angeschlossen und ist man dort nicht versichert, bleibt nur die Option „Self Pay“– Selbstzahler. Mein Mann ist Hufschmied von Beruf und politisch, könnte man sagen, ein Unabhängiger. Durch den „Affordable Care Act“ wurde er festgelegt auf die Rolle des finanziell überforderten und verzweifelten Patienten. Das war ein ziemlicher Einschnitt in unser Leben – und unser Denken.

Donald Trump kapiert Amerika, das ist mein Eindruck

Irgendwann waren es nur noch vier Monate bis zur Wahl, und aus dem Wahlkampf schwappten immer mehr Informationen an die Oberfläche meines Alltags. Ich begann, andere nach ihrer Meinung zu fragen und hörte entweder: „Trump ist korrupt, und ich kann ihn nicht ausstehen!“ oder „Hillary ist korrupt, und ich kann sie nicht ausstehen!“ Ich begann, mir die beiden Kandidaten genauer anzuschauen. Hillary Clinton gab eine äußerlich getoppte Kopie von Angela Merkel ab, und Donald Trump war der totale politische Außenseiter, der von Medien und Politikern gleichermaßen lächerlich gemacht wurde.

Am 9. Oktober kam die zweite Debatte der Kandidaten im Fernsehen. Ich hatte den Eindruck, Hillary Clinton würde mit mir sprechen, als sei ich geistig zurückgeblieben, leide unter einem Minderwertigkeitskomplex und sehnte mich nach einer Großmutter, die mich an ihren Busen drückt. Das mochte ich nicht. Ich fand ihr Lächeln arrogant. Mein Mann hatte das Gefühl, sie trage einen Sender im Ohr und spreche nach, was ihr einer ihrer Kampagnenmanager zuflüsterte. Roboterhaft. Bis aufs Zahnfleisch trainiert.

Donald Trump dagegen wirkte auf mich, als kapierte Amerika irgendwie: Er brachte auf den Punkt, dass dieses Land – ein großartiges Land – in einem desolaten Zustand ist, dass die Flughäfen, die Schulen, die Krankenversicherung in einem desolaten Zustand sind. Er als Amerikaner und Politiker wirkte, als wolle er alles daran setzen, diesen Zustand zu ändern. Trump sprach uns als Amerikaner an, der über den moralischen, ethischen und politischen Zustand seines Landes verärgert ist.

Trumps Anhänger: erst homophobe Rassisten, dann manipuliert

Hey you, danke, falls du für mich bist! Donald Trump im April bei einer Veranstaltung im Staat New York.
Hey you, danke, falls du für mich bist! Donald Trump im April bei einer Veranstaltung im Staat New York.

© REUTERS

In der TV-Debatte kam dann noch die Publikumsfrage nach den Qualitäten des Konkurrenten. Donald Trump lobte Hillary Clintons Wagemut, ihren Kampfgeist und ihre Hartnäckigkeit. Hillary aber kam ins Stottern, sagte sogar "äh", was sie sonst nie tat, und rang sich dann zu dem Satz „Er hat tolle Kinder“ durch. Etwas Nettes über Herrn Trump zu sagen, das hatte sie nicht trainiert. Und diese Frage hatte ihr keine CNN-Mitarbeiterin vorher zugesteckt. Ich weiß, politisch ist das nicht, aber wen kümmerte in diesem Wahlkampf denn Politik?

Hillary Clinton sagte in der Debatte: „Es ist ein verdammtes Glück, dass Menschen mit einem Temperament wie dem von Donald Trump in diesem Land nicht die Gesetze schreiben.“

Trump: (Wenn dem so wäre) „Dann wären Sie (Hillary) im Gefängnis.“

Ich beobachtete, dass die Menschen in unserer Umgebung nach und nach Schilder in den Vorgarten stellten – und alle standen sie für Hillary. Dann fuhren wir eines Tages bei uns die Straße hoch, an den weiß umzäunten Weiden des Grundstückes unseres Nachbarn vorbei. Er ist Anwalt, seine Frau Innendekorateurin. Sie haben ein Privatflugzeug. Er kam uns mit seinem Hund Fudge entgegen und trug ein blaues Hillary-Käppi mit dem hellblauen Pfeil auf dem Kopf.

„Nice hat“, „schöner Hut“, bemerkte mein Mann und fügte hinzu: „Da bin ich ja froh, dass ich heute nicht meinen Trump-Hut auf habe. . .“

„Das bin ich auch, sonst müsste ich nämlich euren Vorgarten mit Handgranaten bombardieren.“

An dem Punkt fragte ich mich: Stehst du immer noch zu Trump, auch wenn dein Nachbar dafür deinen Vorgarten mit Handgranaten bombardieren würde? Ich war äußerst irritiert. Was war bei dieser Wahl bloß los mit den Menschen?

"Just words", sagte Trump oft, und oft hatte er recht

Die Medien verabscheuten Donald Trump, und Donald Trump machte einfach weiter, was er für richtig hielt, obwohl ihm Hillary Clinton und alle Zeitungen in Ost und West den Shit um die Ohren warfen. Auf der einen Seite war die Rede von Pussy, Rassist, Hitler, auf der anderen Seite ermittelte das FBI gegen Hillary Clinton wegen zigtausend vertraulicher E-Mails, die auf mysteriöse Weise von ihrem Server und von ihr verwendeten mobilen Geräten verschwunden waren. Hillary Clinton war in ein ganzes Netz aus Machenschaften verstrickt, während Donald Trump weiter in seinem aggressiven, aber ehrlichen Ton dazu stand, dass sich in diesem Land wirklich etwas ändern musste. Dabei fragte ich mich, warum durfte man nicht hoffen, dass sich unter Trump tatsächlich etwas veränderte?

Meine Hoffnung, dass dieses Land endlich aus dem Obama-Sumpf, dem Krieg, der Diskriminierung auftauchen konnte, war größer als alles, was über Trump geschimpft wurde. „Just words“, pflegte er zu Hillary Clinton sagen, „es sind nur Worte“, und da musste ich ihm – was diesen Wahlkampf betraf – wieder Recht geben.

Dann war Wahltag, und Donald Trump gewann. Mein Mann und ich freuen uns darüber. Nach all den Versuchen, die Meinung der Menschen Richtung Clinton zu steuern, hat das Land anders entschieden. Und während wir uns über den Jubel nach der Entscheidung freuen, lesen wir in den Nachrichten von der Manipulation der Wahl durch die Russen.

Ich frage mich, wie man eine Präsidentschaftswahl in Amerika von Russland aus manipuliert? Wie genau geht das konkret? Woher wissen wir, dass die Hacker in Russland und nicht in einem Kabuff anderswo auf der Weltkugel saßen? Für mich ist das alles ein großes Durcheinander. Aber ehrlich gesagt: In meinem Alltag spielt das nicht wirklich eine Rolle. Auch für Veteranen spielt das nicht wirklich eine Rolle, und auch für die Arbeiter und Farmer nicht.

Es kommt mir vor wie beim Fleisch: Es gibt am Anfang das Rind und am Ende das Steak auf dem Teller. Was dazwischen passiert, die Aufzucht, der Transport, die Schlachtung, Zerlegung, Weiterverarbeitung und Verpackung – all das bleibt uns verborgen. Und so ist es mit Nachrichten auch. Etwas passiert, und etwas wird bekannt. Was zwischen der Handlung und der Meldung passiert, bleibt im Dunklen.

Mein Mann hat Trump gewählt, als ein Amerikaner, Steuerzahler, Patriot und Christ, der hart arbeitet, nichts gegen seine Mitbürger hat, es aber trotzdem wichtig findet, dass die Grenze zu Mexiko abgesichert wird und illegale Einwanderer mit kriminellem Hintergrund das Land verlassen.

Warum sollen wir nicht hoffen, dass er etwas besser macht?

60 Millionen Menschen aus dem amerikanischen Melting Pot haben Trump gewählt. Erst hieß es, wir gehörten alle zu einer Gruppe, die Rassisten mag, die Homosexuelle hasst und Krieg will. Jetzt heißt es, wir sind von Putin manipuliert worden. Mich überzeugt das nicht.
Am Morgen nach der Wahl habe ich nur mit ein paar wenigen Bekannten aus Deutschland gesprochen. Der eine meinte, der Dax sei kaum gefallen, und er sei gespannt, was Trump als Präsident ändern könne. Ein anderer meinte, er sei immer noch geschockt, und als ich nachfragte warum, hatte er keine Zeit mehr zu telefonieren. Mein Bruder schien entrüstet und gliederte sich sofort in die Menge der Protestierenden ein, während meine kleine Schwester meinte, sie sei so froh, dass es Trump geworden sei, die Hasstiraden gegen Trump-Wähler auf ihrer Facebook-Seite seien unerträglich geworden.

Ich könnte zahlreiche Zitate von Trump- und Clinton-Unterstützern gegeneinander aufstellen. Und ich bin überzeugt, dass jeder zu dem Schluss kommen würde, dass man entweder Clinton mag und Trump nicht, oder Trump mag und Clinton nicht. So ist es nun mal. Es kann keinen Menschen geben, der von 324 720 797 Menschen ausnahmslos geliebt wird. Oder?

Meine Hoffnung ist, dass die Divided States of America wieder vereint werden. Ich habe dabei auf Trump gesetzt. Natürlich habe ich hier und da meine Zweifel. Trump ist vielleicht nicht der beste Präsident, der Amerika jemals regiert haben wird, aber er ist ja auch noch gar nicht Präsident – woher also sollen wir wissen ob er „gut“ oder „schlecht“ für dieses Land sein wird? Donald Trump ist ein Amerikaner, der bereit ist für das Wohl seiner Mitmenschen „viel zu arbeiten“, wie er immer wieder sagt. Diese Bereitschaft ist doch eigentlich eine gute Voraussetzung?

Ich hoffe, dass am Ende nicht Angst und Verwirrung die Menschen regieren. Ich hoffe, dass die Menschen – auch mit Donald Trump im Weißen Haus – nicht den Glaube an das Gute verlieren. Vielleicht sollte man, statt sich zu fürchten, den Blickwinkel ändern und anfangen zu hoffen. Es ist völlig sinnlos, sich zu fragen, was jetzt aus der Politik wird. Aber wir wissen, dass die Verfassung dieses riesigen Landes nicht ohne Grund vom „Glück der Freiheit“ spricht: Ohne die Hoffnung, den Wagemut, den Patriotismus würde es Amerika nicht geben.

- Louise Jacobs ist Buchautorin. Sie wuchs in der Schweiz und in Deutschland auf. Zuletzt erschien von ihr "Louise sucht das Weite - Wie ichloszog, Cowby zu werden und zu mir selbst fand" (Knaur Verlag)

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