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Panorama: 20 Cent am Tag

Noch immer hungern weltweit mehr als 854 Millionen Menschen

Berlin - Der 35-jährige Shimeket Shferaw aus Sodo in Äthiopien hat es vergleichsweise gut: Auf seinem Gehöft baut er Weizen, das lokale Getreide Teff, Erbsen und Kichererbsen an und hält Rinder und Hühner. Mit rund 400 Birr (knapp 33 Euro) verdienen der 35-jährige Landwirt und seine Frau monatlich mehr als viele andere Äthiopier, von denen das ärmste Viertel im Durchschnitt von knapp sechs Euro im Monat leben muss – also von gerade einmal 20 Cent am Tag. Trotzdem hatten die zwei Kinder der Familie Shferaw im vergangenen Jahr zwei Monate lang nicht genug zu essen.

Äthiopien steht auf Rang 114, fast am Ende des Welthungerindexes 2007, der am Freitag von der Deutschen Welthungerhilfe (DWHH) und dem in Washington ansässigen International Food and Policy Research Institute (IFPRI) in Berlin vorgestellt wurde. Der Index macht das Hungerproblem in den 118 meistbetroffenen Ländern sichtbar und vergleichbar.

Sieben Jahre sind vergangen, seit die 189 UN-Mitgliedstaaten die Millenniumsziele vereinbart haben. Aber noch immer ist jeder siebte Mensch auf der Erde von Hunger betroffen. „Dass derzeit 854 Millionen Menschen Hunger leiden, davon 206 Millionen in Afrika, können wir auf keinen Fall hinnehmen“, sagte die DWHH-Vorsitzende Ingeborg Schäuble. Täglich sterben 18 000 Kinder an den Folgen der Unterernährung.

Doch es gibt Hoffnung: Die Millenniumsziele, den Anteil der weltweit Hungernden gegenüber 1990 bis 2015 auf die Hälfte und die Kindersterblichkeit auf ein Drittel zu reduzieren, könnten nach Ansicht der Experten zumindest von einem Drittel der Staaten erreicht werden. Insgesamt habe sich in drei Viertel der untersuchten Länder die Lage leicht verbessert.

Besonders in Asien ist mit Ausnahme von Nordkorea ein positiver Trend zu beobachten. Neben Indonesien, Thailand, Vietnam, Malaysia und Sri Lanka gehört auch China zu dem oberen Viertel aller Länder, die dem angestrebten Ziel der Halbierung von Hunger und Kindersterblichkeit am nächsten gekommen sind. Dagegen verfehlten Bangladesch, Pakistan, Nepal, Laos und Kambodscha ihr angestrebtes Ziel. „Besonders fatal ist das Problem in Indien, wo das Kastensystem viele Arme benachteiligt und die kulturell bedingte Diskriminierung von Frauen und Kindern gegenüber Männern die Ursache von Hunger darstellen“, sagte Marion Aberle, Pressesprecherin der DWWH.

In Afrika spielen Dürren, Kriege, Malaria und Aids eine größere Rolle. Sie seien neben der niedrigen landwirtschaftlichen Produktion die Gründe für Nahrungsmittelmangel und hohe Kindersterblichkeit. Besonders südlich der Sahara habe der Hunger dramatische Ausmaße angenommen. 25 der 36 Länder mit den größten Hungerproblemen liegen dort.

Der Welthungerindex zeigt auch: Wirtschaftswachstum in Ländern mit niedrigen Einkommen kann die Zahl der Hungernden deutlich verringern. „Bei einem Land wie Äthiopien zeigt sich, dass in Friedenszeiten deutliche Fortschritte möglich sind, wenn in Gesundheit, Bildung und Landwirtschaft investiert wird“, sagte Doris Wiesmann, Ernährungswissenschaftlerin bei IFPRI. Besonders wenn arme Kleinbauern Zugang zu Land und Krediten bekämen, lindere dies den Hunger der Landbevölkerung. Denn drei von vier Hungernden leben auf dem Land. In diesem Bereich haben besonders einige Länder in Südamerika, allen voran Kuba, seit 1990 Fortschritte gemacht.

Lu Yen Roloff

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