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Panorama: Absturz im Eis

Mehrere Passagiere überleben Unglück in der Arktis

29 Menschen wurden getötet, 18, vielleicht sogar 23 Passagiere überlebten, als gestern Nachmittag eine AN-24 im hohen Norden Russlands abstürzte. Exakte Angaben lagen gestern Abend noch nicht vor. Offenbar hat der Pilot eine Notlandung auf dem Eis versucht. Die Antonow-24 war nach Angaben der russischen Nachrichtenagenturen von Ufa über Perm und Usinsk nach Warandej an der Barentssee unterwegs. An Bord waren Mitarbeiter einer Tochtergesellschaft des russischen Ölkonzerns Lukoil.

Zu der verunglückten Maschine gab es zunächst nur Funkkontakt und die Rettungsmannschaften brauchten mehrere Stunden, um sich bis zum Ort der Katastrophe vorzuarbeiten. Zwei Hubschrauber haben die Unglücksstelle bisher erreicht.

Die zeitliche Verzögerung ist nicht verwunderlich. Der Unglücksort befindet sich in einem der am dünnsten besiedeltten Landstriche im europäischen Teil der Russischen Föderation – im autonomen nationalen Bezirk der Nenzen. Dessen nördliche Grenze bildet die Kara-See, die ein Randmeer des nördlichen Eismeers ist. Auf einer Fläche von rund 174000 Quadratkilometern – fast zwei Drittel mehr als die ostdeutschen Bundesländer – leben ganze 55000 Menschen.

Vor allem Russen und die entfernt mit den Finnen verwandten Komi. Nur 12 Prozent der Einwohner gehören zu jenem Volk, das der Region den Namen gab – den Nenzen, dem größten unter den vielen kleinen Völkern des hohen Nordens, die heute noch ganze 35000 Seelen zählen und in drei russischen Gebietseinheiten siedeln. Die meisten sind bis heute Nomaden und ziehen mit ihren Rentierherden von Weideplatz zu Weideplatz.

Rentiere sind in der russischen Arktis das wichtigste Verkehrsmittel, meist sogar das einzige. Sogar im Sommer. Dann allerdings müssen die Tiere die schwer mit Hausrat und dem Tschum – dem Wohnzelt – bepackten Schlitten über eine dünne Grasnarbe ziehen. Denn in der Tundra, deren Permafrostboden sogar im Sommer nur wenige Zentimeter auftaut, gibt es keine Straßen.

Neben Rentieren sind daher Hubschrauber und kleinere Flugzeuge die einzige Verbindung zwischen den weit voneinander entfernten Siedlungen. Auf sie sind neben den Nomaden auch die Arbeiter der Öl- und Gasförderungsgesellschaften angewiesen. Vor allem sie waren auch an Bord der verunglückten Maschine. Die Besatzungen der Bohrtürme bleiben in der Regel bis zu drei Monate im Einsatz und werden dann komplett ausgetauscht. Hiesige Experten vermuten daher, dass die abgestürzte Maschine womöglich überlastet oder überfrachtet war. Als Unfallursache kommen zudem Überalterung oder schlechte Wartung in Frage.

Die Serie Antonow-24, die modifiziert bereits seit Anfang der Sechziger gebaut wird, gehört zwar zu den ältesten Typen, die in Russlands ziviler Luftfahrt im Einsatz sind. Gleichzeitig aber gilt „Tante Anna“, wie der Volksmund den gedrungenen Flieger meist nennt, als extrem zuverlässig. Die robusten, eher kleinen Maschinen, die auch von der DDR-Fluggesellschaft Interflug lange im Inlandsverkehr eingesetzt waren und höchsten 400 km/h erreichen, kommen mit sehr kurzen Start- und Landebahnen aus und können notfalls sogar auf einem Kartoffelacker eine zwar harte, aber bruchsichere Landung hinlegen.

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